FOCUS E-Bike Test: So testen wir
So etwas gab es in Deutschland noch nie! Einen E-Bike-Test mit 50 verschiedenen Rädern in sechs Kategorien und 34 Testkriterien. Jedes Rad kann dabei die Maximalzahl von 1000 Punkten erreichen. Je nach Einsatzbereich eines Rades schwankt jedoch die Bedeutung einzelner Werte. So ist beispielsweise bei einem Trekking-Rad die Reichweite viel wichtiger als bei einem City-Rad; bei einem Mountainbike sind hingegen starke Bremsen von großer Bedeutung. Die Labortests führte für FOCUS eines der renommiertesten Prüfinstitute der Bundesrepublik durch: die Firma Velotech aus Schweinfurt.
REICHWEITENTEST
Auf einem Prüfstand wurden die Motor- unterstützung und die Reichweiteneffizienz ermittelt. Alle E-Bikes mussten beim Reichweitentest eine sechsprozentige Steigung erklimmen – und zwar so lange, bis ihr Akku leer war. Die Tretleistung des (virtuellen) Fahrers betrug im Schnitt 103 Watt, die Trittfrequenz 63 Umdrehungen pro Minute, die Geschwindigkeit 16 km/h. Der Unterstützungsfaktor (U- Faktor) beschreibt das Verhältnis der Motorleistung im Vergleich zur vom Fahrer erbrachten Tretleistung (103 Watt). Ein U-Faktor von 2,0 besagt also, dass der Antrieb mit der doppelten Leistung unterstützt, also zusätzliche 206 Watt auf die Straße bringt. Je höher also der U-Faktor, desto stärker die Motorunterstützung.
[mom_video type=“youtube“ id=“tRWcYeqYzC4″ width=“770″ height=“433″]BREMSENTEST
Die ISO-Norm 4210 verlangt von einem E-Bike eine klar definierte und vorgeschriebene Bremsleistung. Das Ergebnis der Verzögerungsleistung werteten die Velo-Prüfer in einem Verhältnis von 70 Prozent (Vorderradbremse) zu 30 Prozent (Hinterradbremse). In die Bewertung der Bremsleistung floss auch das Verhalten der Bremsen in der Praxis ein. Hört sich komisch an, ist aber so. Denn eine Bremse, die auf dem Prüfstand vielleicht nicht ganz so gut abschneidet, muss nicht schlecht sein, weil sie im Alltag möglicherweise ausreichend ist oder sich sogar dadurch auszeichnet, dass sie besonders gut dosierbar ist. Umgekehrt ist eine schnell und brachial ansprechende Scheibenbremse nicht an jedem E-Bike optimal.
PRAXISTEST
Was Velomotion unter dem Punkt „Ausstattung“ bewertete, darf nicht auf die ans Rad geschraubten Komponenten reduziert werden; dazu gehören auch das Händlernetz sowie das Serviceangebot, die Garantieleistungen, Rahmengrößen, die Bedienungsanleitung oder die Konnektivität eines Systems – lässt sich also auch ein Smartphone koppeln, oder gibt es GPS-Funktionen? Selbstverständlich spielt auch die Qualität der verbauten Ausstattung eine Rolle, ebenso, ob zum Lieferumfang ein Rahmenschloss oder auch eine Pumpe gehört. Auch das Design eines E-Bikes muss bewertet werden und spielt in den Punkt Ausstattung mit hinein. Da Velomotion nicht allein darüber urteilen wollte, welches Rad ein besonderer Hingucker ist, haben die Radexperten eine Online-Befragung gestartet.
WIE WEIT KOMME ICH?
Die beim Händler meistgestellte Frage beim E-Bike-Kauf lautet: „Wie weit komme ich eigentlich mit einem E-Bike?“ Wie immer beim Fahrrad spielt der „Faktor Mensch“ eine wesentliche Rolle. Die Wahl der Unterstützungsstufe, das Schaltverhalten und vor allem das Körpergewicht haben einen großen Einfluss auf den Energieverbrauch. Reichweitenfresser sind außerdem Steigungen, bei denen jedes Kilogramm und jeder Höhenmeter den Akku belasten. Auch technische Besonderheiten erschweren eine standardisierte Vergleichbarkeit unterschiedlicher E-Bikes. So arbeiten Hinterrad-Nabenmotoren beispielsweise in höheren Geschwindigkeitsbereichen am effizientesten, während Mittelmotoren die Energie im unteren Drehzahlbereich (zum Beispiel am Berg) am besten in Vortrieb verwandeln. Nicht zuletzt gibt es für identische Motoren unterschiedliche Grundeinstellungen, die von den E-BikeHerstellern vorgegeben werden und die von „sanft“ bis „sportlich“ reichen. Andere Hersteller schalten zudem den Motor früher als eigentlich nötig ab und reservieren so eine Restkapazität des Akkus für die Lichtanlage oder eine elektronische Schaltung. Das bedeutet in der Praxis zwar weniger elektrische Reichweite, dennoch kann man immer noch gut und sicher mit Muskelkraft fahren.
DAS FAZIT
Im Gegensatz zu manchem Automobilhersteller bemüht sich die Radbranche um seriöse Aufklärung. Trotzdem sollten Sie nicht allen Angaben vertrauen. In den Testergebnissen nennen die Velomotion-Tester einen Minimalwert, der unter harten Prüfstand-Bedingungen zu Stande gekommen ist. Und der stimmt!