Test: Der Vivax Assist ist ein in vielerlei Hinsicht ungewöhnlicher E-Bike Antrieb. Optisch (fast) unsichtbar mit kleinem Akku und sanfter Unterstützung ist er eher dafür Gedacht, Leistungsunterschiede punktuell auszugleichen, als dauerhafte Unterstützung zu leisten. Wir haben den Antrieb und das Vivax Optimo – ein klassisches Hardtail, das Vivax als Komplettrad anbietet – während der Eurobike Media Days ausführlich getestet.
Der Name Vivax Assist ging in den vergangenen Monaten verstärkt durch die Presse. Der österreichische Hersteller von E-Bike Antrieben wurde immer wieder im Zusammenhang mit dem Thema E-Doping genannt, auch von uns. Das liegt vor allem am einzigartigen Konzept des Antriebs: Der Motor sitzt gut versteckt im Sattelrohr und der kleine, leichte Akku verbirgt sich wahlweise in der Satteltasche oder auch in einer Trinkflasche am Rahmen. Optisch lassen sich die Vivax-Räder also auf den ersten Blick nicht von ’nicht-E-Bikes‘ unterscheiden – aus diesem Grund wurde Vivax eben immer wieder mit der Thematik E-Doping in Verbindung gebracht. Wir hatten jedoch bereits von einigen Monaten Gelegenheit mit Vivax-Marketing-Leiterin Ulrike Treichl zu sprechen, die betonte, dass dies ganz und gar nicht im Sinne des Unternehmens ist.
Doch genug von dieser Thematik – wir wollten nun wirklich wissen, wie sich ein solches Rad tatsächlich fährt, wie harmonisch sich der Antrieb anfühlt und wie effektiv die Unterstützung bei hoher Belastung ausfällt. Deshalb haben wir die Gelegenheit ergriffen, uns mit zwei der hauseigenen Vivax E-MTBs während der Eurobike Media Days in Kirchberg auf den Weg zu machen und den einen oder anderen Höhenmeter zu vernichten.
Vivax Assist: Das 2 in 1 Konzept – Kein gewöhnliches E-Bike
E-Bike ist nicht gleich E-Bike. Das zeigt sich wohl an keinem anderen Beispiel deutlicher als an den mit Vivax Assist ausgestatteten Rädern: Nicht nur optisch liegen Welten zwischen klassischen Vertretern der motorisierten Fahrradgattung und den schlichten Vivax-Bikes, denn auch das Verständnis und die Zielsetzung unterscheiden sich grundsätzlich. Während ein herkömmliches E-Bike darauf ausgelegt ist, zu jedem Zeitpunkt der Fahrt zu unterstützen – auch wenn sich der Grad der Unterstützung regeln lässt – geht man bei Vivax einen anderen Weg. Der Motor soll nur gezielt dann eingesetzt werden, wenn die eigene Kraft eben einfach nicht mehr ausreicht, oder die Mitfahrer ein zu hohes Tempo anschlagen. Ansonsten wird ganz normal ohne Unterstützung gefahren – wie mit einem ’normalen‘ Rad eben auch.
Aus diesem unterschiedlichen Selbstverständnis ergeben sich auch grundlegend verschiedene technische Umsetzungen. Am deutlichsten wird dies vielleicht beim Thema Akku: Während sich Hersteller traditioneller E-Bikes mit immer größeren Kapazitäten überbieten und die voluminösen und schweren Energielieferanten aufwändig in den Rahmen integrieren, gibt es diese Problematik im Falle von Vivax gar nicht: Da die Unterstützung nur punktuell geleistet wird, reicht ein deutlich kleinerer Akku aus, der sich wie erwähnt bei den meisten Modellen in einer unscheinbaren Satteltasche versteckt. Der Akku ist aber eben nicht nur deutlich kleiner, sondern vor allem auch viel leichter als beim klassischen E-Bike. Zusammen mit der leichten Antriebseinheit bleibt das Gewicht damit im Rahmen herkömmlicher Räder und weit, weit unter der 20kg-Marke, die die meisten anderen E-Bikes mühelos knacken.
Bei Vivax spricht man in diesem Zusammenhang gerne vom 2-in-1 Konzept: Gemeint sind dabei zwei Räder in einem; E-Bike und normales Rad. Durch das geringe Mehrgewicht von nur 1,8kg durch Antrieb und Akku verändert sich die Charakteristik des jeweiligen Rads nicht. Ist der Motor also ausgeschaltet, fährt sich das Vivax Rad wie ein ganz normales Bike – auf Knopfdruck erhält man dann jedoch den elektronischen Griff unter die Arme.
Der Antrieb lässt sich im Übrigen bei vielen Rädern auch problemlos nachrüsten. Wer also sein eigenes Rad mit dem Vivax Assist ausstatten möchte, kann dies beim Vertragshändler machen lassen. Einige Voraussetzungen gibt es dafür jedoch – so muss das Sitzrohr beispielsweise entweder 31,6mm oder 30,9mm Durchmesser haben und gerade von Sattel bis zum Tretlager führen. Der Motor wird beim Einbau durch eine kleine Schraube im Sattelrohr fixiert.
Vivax Assist: Der Motor in der Praxis
Doch wie funktioniert der Motor nun in der Praxis? Im Grunde genommen könnte es simpler kaum sein: Ein Schalter am Lenker dient zum an- und abschalten der Unterstützung, andere Möglichkeiten der Einstellung gibt es nicht. Ist der Motor aktiviert, dreht sich die Kurbel wie von Geisterhand und liefert eine Unterstützung von bis zu 110 Watt. Wie stark die Unterstützung letzten Endes ausfällt, bestimmt die Trittfrequenz: Der MTB-Motor liefert seine volle Leistung bei einer Kadenz von 75, das Rennrad-Pendant bei 90. Die Unterstützungsleistung sinkt linear mit der Trittfrequenz und schaltet sich bei 40 (MTB) bzw. 50 (Rennrad) ganz aus.
Im ersten Praxiseinsatz ist das Gefühl auf dem Vivax-Rad durchaus gewöhnungsbedürftig: Aktiviert man den Motor, spürt man eine sanfte Unterstützung in den Beinen und das Treten fällt deutlich leichter. Hört man auf zu treten und hält die Beine still, schaltet sich der Motor automatisch aus und muss manuell am Lenker wieder aktiviert werden. Nach einigen Trockenübungen auf dem Parkplatz haben wir uns jedoch schnell an die intuitive Handhabung gewöhnt und es kann losgehen. Ziel ist der Gaisberg in Tirol – uns stehen also durchaus ein paar Höhenmeter bevor und wir sind gespannt, wie sich der Vivax schlagen wird.
Einige Kilometer zumeist flache Wege führen uns zum Fuße des Bergs. Den überwiegenden Teil derer legen wir ohne Motor zurück – hier zeigt sich, dass das Konzept von Vivax durchaus aufgeht. Während der Fahrt merkt man zu keinem Zeitpunkt, dass man eigentlich auch einem E-Bike sitzt. Wir sind auf Vivax Hardtails unterwegs und diese fahren sich eben auch genau wie MTBs ohne Motor. Im Anschluss schlängeln sich die Wege hinauf und wir schalten die Motorunterstützung zu. Es benötigt durchaus etwas Eingewöhnung, bis wir alle mit der Charakteristik des Antriebs zurecht kommen. Ist man beispielsweise ein Freund hoher Trittfrequenz und/oder der Weg ist sehr steil, sind die 75 Umdrehungen fast etwas knapp bemessen. Überschreitet man nämlich die vom Antrieb festgelegte maximale Trittfrequenz, kommt keine Unterstützung nach und man tritt wieder selbst.
Nach einigen Kilometern hatten wir den Dreh jedoch gut raus: Serpentine auf Serpentine fuhren wir zügig, aber ohne große Anstrengung nach oben. Unter die Geräuschkulisse unserer Reifen auf dem breiten Kiesweg mischt sich auch das leise, aber durchaus wahrnehmbare Summen des Motors. Oben angekommen, öffnen wir den Reißverschluss unserer Satteltasche, um den Akkustand zu überprüfen. Wir haben alle noch ungefähr zwei Drittel der Leistung ‚im Tank‘ – laut Vivax hält eine Akkuladung für mindestens 90 Minuten bzw. 1000 bis 1500hm. Das dürfte ganz gut hinkommen.
Während der Abfahrt blieb der Motor im übrigen durchgehend deaktiviert. Nach wenigen Metern ist vergessen, dass man mit Motorunterstützung den Berg nach oben gerollt ist und auch auf Flachstücken und kurzen Gegenanstiegen verzichten wir auf das Einschalten des Motors. Mit dem E-Bike hoch und dem normalen Rad wieder hinunter – ohne vom Sattel zu steigen. 2-in-1-Konzept geglückt!
Vivax Assist: Das E-MTB Optimo – solide und komfortabel
Der Antrieb konnte uns also nach kurzem Kennenlernen auf unserer Testfahrt überzeugen – wie sieht es jedoch mit dem Vivax MTB aus, das wir für unseren kleinen Ausflug vom Stand am Messegelände entführen durften? Das Vivax Optimo kommt mit 27,5″ Laufrädern, einem Rahmen aus Aluminium und insgesamt solider bis hochwertiger Ausstattung – angesichts des veranschlagten Preises von 4.599€ war dies jedoch auch zu erwarten.
Antrieb und Bremsen kommen von Shimano: Eine komplette XT-Gruppe mit 2-fach Kurbel und 11-40 11-fach Kassette am Heck bietet eine ausreichende Übersetzungsbandbreite für die allermeisten Anstiege, selbst wenn der Motor mal aus bleiben sollte oder der Akku bereits seinen Geist aufgegeben hat. Die Rock Shox Reba Federgabel an der Front gehört schon seit vielen Jahren mit zum Besten in diesem Bereich und bietet kaum Anlass zur Kritik. Der eher günstige und schwere Laufradsatz mit 19mm schmalen Felgen mag jedoch nicht so recht zur ansonsten guten Ausstattung passen.
Die Geometrie des Vivax MTBs ist eher konservativ: Ein kurzes Oberrohr und ein steiler Lenkwinkel sorgen zwar für hohen Komfort, eine aufrechte Sitzposition und gute Klettereigenschaften auch ohne Motor, jedoch wird das Rad im Traileinsatz so schnell etwas nervös und auch den mit 660mm eher schmalen Lenker würden wir zu Gunsten der Laufruhe gegen ein etwas breiteres Modell austauschen. Angesichts der primären Ausrichtung als Tourenrad macht die Geometrie jedoch Sinn und wenn die Trails nicht allzu wild werden, kommt das Vivax Optimo hier sehr gut zurecht – nicht zuletzt auch wegen der überzeugenden Ausstattung.
Vivax Assist: Fazit
Eine wirklich spannende Angelegenheit, der Antrieb von Vivax. Das 2-in-1 Konzept funktioniert in den meisten Situationen genau wie gewünscht und die Räder fahren sich auch ohne zugeschalteten Motor neutral und sportlich. Die Unterstützung durch den im Sattelrohr versteckten Antrieb ist sanft und ausreichend stark, Leistungsunterschiede in Gruppen auszugleichen oder im entscheidenden Moment einen kleinen extra-Schub zu geben. Auch wenn uns das Komplettrad nicht restlos überzeugen konnte, macht es als Tourer eine gute Figur – wer lieber weiterhin auf seinem gewohnten Bike unterwegs sein möchte, dem bleibt die Option, den Vivax Assist beim Händler nachrüsten zu lassen.