In der letzten Woche hatten wir bereits den ersten Teil der Rahmenbau-Story aus der aktuellen Cyclist vorgestellt. Heute wird der Rahmen gelötet und erhält den letzten Schliff.
Der Trick mit der Sauberkeit
Das Gehren der Rohre, also das Anpassen der Rohrenden, sodass sie aufeinander passen, hört sich einfach an. Rohr vermessen, markieren und feilen. 15 Minuten später erfreut mich Pete mit einer Geschichte über einen Studenten, der „die Feile nur mit einer Hand benutzt hat, als ob es ein Degen wäre!“. Mir wird klar, dass ich denselben Fehler gemacht habe und frage Pete nach der richtigen Technik. Und siehe da, innerhalb von nur wenigen Minuten hat das Rohrende eine gleichmäßige Rundung. Lektion gelernt.
Nachdem das Sitzrohr also gegehrt ist, erklärt mir Pete, dass für die Stabilität einer Hartlötverbindung die Sauberkeit entscheidend ist. Jedwede Oberflächenverunreinigung kann den Fluss des Messings unterbrechen. Und tritt während des Erhitzens Oxidation auf, führt dies zu Rußniederschlag, „der mit dem Messing reagiert und zu einer schwachen Verbindung führt“. Sandstrahlen eliminiert das erste Problem, das Einschmieren beider Teile mit Flussmittel letzteres.
„Ein Flussmittel reinigt im Prinzip die Oberfläche und verbessert den Messingfluss“, sagt mir Pete. „Vergiss nicht, du kannst niemals zuviel Flussmittel haben! Du wirst außerdem feststellen, dass sich das Flussmittel ab einer bestimmten Temperatur von orange zu glasartig ändert. Gut, wollen wir dann?“ Anfangs bin ich sehr zaghaft und unkoordiniert. Es ist ein merkwürdiges Gefühl, den unhandlichen Lötbrenner in der einen und das dünne Stäbchen Lot in der anderen zu halten. Doch nach anfänglicher Hilfe von Pete, der mit meiner Lötbrennerhand kleine kreisende Bewegungen gemacht hat, um die Hitze gleichmäßig zu verteilen, habe ich den Dreh dann raus.
„Es ist ein wenig wie als wenn man versuchen würde, auf einem Bein zu stehen, während man sich auf den Kopf klopft und dabei den Bauch streichelt“, lacht er. Nun heißt es Lötbrenner aus und Pete teilt mir mit, dass ich ein halbwegs annehmbares Resultat zustande gebracht habe. Es folgt ein kurzer Stopp am Sandstrahler, um überschüssiges Flussmittel und Messing zu beseitigen, und so langsam denke ich, dass ich vielleicht ein ganz guter Rahmenbauer sein könnte.
Die nächsten beiden Tage in der Werkstatt sind in gleichem Maße amüsant und frustrierend. Die Gabelausfallenden verbinde ich relativ problemlos mit den Gabelscheiden und den Schaft mit der Gabelkrone (auch wenn Letzteres einige Zeit sandgestrahlt werden muss, bis es den zu meinem Markenzeichen werdenden „Im Feuer Mordors geschmiedet“-Look los wird). Binnen Kürze werden weitere Rohre in die Rahmenlehre gespannt.
Anfangs sind es nur Sitzrohr, Tretlagergehäuse und Steuerrohr, schon bald aber gesellen sich sowohl Ober- als auch Unterrohr dazu, die vorher entsprechend gegehrt wurden. Am Mittwochnachmittag ist das vordere Rahmendreieck inklusive Sattel- und Steuerrohrmuffe eingespannt und lötbereit. Dadurch, dass drei Stellen nacheinander gelötet werden müssen, ist das Löten des vorderen Rahmendreiecks ein mühsamer Prozess. Ich tänzele um die Rahmenlehre herum, versuche Petes Anweisungen zu folgen und ihn gleichzeitig nicht zu verbrennen, während der den Rahmen dreht, damit ich an die nächste Verbindungsstelle komme. Mehr als einmal taucht auf einmal eine Hand auf, die meine von einer Stelle wegzieht, damit ich diese nicht überhitze, oder zu einer zurückführt, da das Messing dort noch nicht genug geschmolzen ist. Doch nach 45 Minuten öffnen sich die Werkstattvorhänge und ein – zumindest in meinen Augen – perfektes vorderes Rahmendreieck glänzt in der Sonne.
Auf der Zielgeraden
Donnerstag erfolgt der Wachwechsel und Rob übernimmt. Er scheint mit meinem Fortschritt zufrieden zu sein und über die nächsten zwei Tage gehen wir das hintere Rahmendreieck an. Die Ausfallenden werden mit den Kettenstreben verbunden und alles läuft glatt. Dann treffen wir jedoch auf das erste Hindernis. „Schau mal auf den Entwurf, die Kettenstreben sollen doch 420 mm lang sein, oder?“, fragt Rob. „Ich glaube, du hast zuviel weggenommen.“ Natürlich kommt Hochmut vor dem 4-mm-Fall und ich habe auf 416 mm gefeilt. Zum Glück gibt Rob Entwarnung. Anders als bei sonst irgendeinem Rohr, also beispielsweise dem Oberrohr, ist dieser Fehler hier nicht ganz so wild. Sobald die andere Kettenstrebe angepasst ist, bringen wir beide in Position.
„Wir befestigen die Streben nur mit ein wenig Lot. So sind sie bei der Ausrichtung des Rahmens leichter zu bewegen, als wenn die Stellen schon komplett zusammen gelötet sind“, erklärt Rob. Und es kommt, wie es kommen muss. Als wir ein Testlaufrad in die Ausfallenden halten, wird schnell klar, dass der Hinterbau um 2 mm nach rechts verschoben ist. Nicht allzu viel, mag man denken, doch Rob ist nicht zufrieden.
„Zwei Millimeter Toleranz mögen für massenproduzierte Rahmen gut genug sein, wir können das jedoch besser.“ Mit ein wenig Ziehen und Drücken bekommen wir die Kettenstreben gerade ausgerichtet. Dann ist es Zeit für das letzte Stück des Puzzles: die Sitzstreben.
Bisher waren alles Muffenverbindungen, die mit Messing hartgelötet wurden. Da die Sitzstreben jedoch von hinten am Sitzrohr anliegen sollen, gibt es keine Muffen. Das bedeutet, dass die oberen Enden zuerst haargenau gegehrt und dann muffenlos gelötet werden müssen. Rob erklärt mir, dass muffenloses Löten wesentlich schwieriger ist, weshalb ich das erste Mal in dieser Woche nur Zuschauer bin.
Seit Jahren frage ich mich bereits, ob ich eines Tages nicht einmal ein zweiter Ernesto Colnago werden kann. Doch Robs Arbeit – wie er das Silberlot auf die Streben wie ein Künstler die Farbe mit einem Pinsel auf die Leinwand aufträgt – ist mir Antwort genug. Bis auf einige Zugführungen und Zuganschläge ist der Rahmen fertig. Allerdings wird mir klar, wie groß der Anteil von Petes und Robs Erfahrung ist, und wie wenig von einem Rahmenbauer in mir steckt.
Aber trotz ihrer Ratschläge – von denen es etliche gab – überkommt mich das wohlige Gefühl, dass ich diesen Rahmen gebaut habe. Maßgeschneidert, einzigartig und in meinen Augen wunderschön. Das ist definitiv ein Traum, der wahr geworden ist, und etwas, auf das man stolz sein kann. So, wo ist das nächste Café?
Das Finishing
So bekommt der Rahmen das gewisse Etwas. „Die Lackierung ist es, die dein Rad wirklich ausmacht“, weiß Stuart Harris von Ooey Custom Paint. Nach einer kurzen Beschreibung davon, wie mein Rahmen aussehen soll – „Mhh, ich mag Orange!“ – erhalte ich per Mail einen Entwurf. Einige kleine Änderungen später ist mein selbstgebauter Rahmen bereit, lackiert zu werden. Zeitlich muss man mit bis zu zwei Wochen rechnen, bevor man sein gutes Stück zurückerhält.
Natürlich spielt dabei auch die Komplexität des Designs eine Rolle. Cyclist hat sich noch für einige Schriftzüge entschieden. Vor der Lackierung muss der Rahmen mittels Strahltechnik bearbeitet, dann grundiert und geätzt werden (eine Maßnahme gegen Rost), was sicherstellt, dass das Finishing makellos und langlebig wird. Da unser Design relativ simpel war, hat das Ganze nur ungefähr eine Woche gedauert. Der Preis hingegen war etwas komplexer, 470 € hat uns die Lackierung gekostet. Sicher, nicht ganz billig, aber für einen einzigartigen Look durchaus lohnenswert.