Persönlicher als ein maßgeschneiderter Rahmen ist nur ein maßgeschneiderter Rahmen, den man selbst gebaut hat. Cyclist ist zu Besuch bei Bicycles by Design und stellt sich neuen Herausforderungen.
Am Freitagnachmittag wird das dein neues Rennrad sein“, sagt mir Pete Bird, während er eine Keksdose voll mit Muffen neben einen Stapel blanker Rohre kippt. Ich nicke zögerlich und versuche seinen Enthusiasmus auf eine Art und Weise zu erwidern, die nicht deutlich macht, dass ich gerade an leidvolle Stunden im Werkunterricht in der Schule zurückdenken muss. Pete jedoch, dem das Unternehmen Bicycles by Design gehört, zeigt Interessierten bereits seit dem ersten Rahmenbaukurs Großbritanniens 1993, wie man Fahrräder baut. Schnell bemerkt er daher meine Nervosität und findet aufmunternde Worte: „Ich nehme an, dass du nicht anders bist als jeder andere, den ich jemals unterrichtet habe. Das Ganze wird eine Herausforderung für dich. Du wirst schwitzen, fluchen und vielleicht sogar bluten. Am Ende wirst du jedoch sagen können: ‚Das habe ich gebaut!‘. Und wenn es irgendwann an der Wand eines Cafés lehnt und vorbeigehende Leute dein Rad bestaunen werden, dann wirst du richtig stolz sein. Dieses Rad ist ein Teil von dir und das wird es für den Rest deines Lebens sein. Hier, das ist deine Schutzbrille.“
Design fürs Leben
Als Anfänger mit einem mittleren Budget sind meine Optionen für den Bau meines Traumrahmens begrenzt. Edelstahl ist out, da er teuer und schwer zu bearbeiten ist. Normaler Stahl und Muffenkonstruktion ist in. Bei den anfänglichen Gesprächen mit Petes Kollegen Rob Wade habe ich erklärt, dass ich etwas Traditionelles mit modernem Touch bauen möchte und ich schon immer ein Columbus SLX haben wollte. Nach einem Blick in den Katalog eines Zulieferers schlägt Rob mir einen Columbus Life-Rohrsatz mit einem abfallenden Oberrohr für den modernen Look vor.
Durch das große Unterrohr mit einem Durchmesser von 35 mm und dem 31,7 mm breiten Sitz- und Oberrohr ist die Auswahl der Muffen auf nur einen passenden Muffensatz limitiert: Llewelyn P3. Außerdem habe ich mich für ein Design entschieden, bei dem die Sitzstreben nahtlos in die Sitzrohrmuffe übergehen, was dem hinteren Teil einen etwas geschmeidigeren Look geben wird. Dazu kommt, dass ich so die Möglichkeit habe, eine weitere Löttechnik kennenzulernen. Hoffen wir, dass etwas dabei rauskommt, was zumindest die Laufräder hält.
Kurse zum Rahmenbau gibt es zahlreiche, die sich in vielerlei Hinsicht unterscheiden. Was sie jedoch eint, ist, dass man keine Erfahrungen in der Welt des Rahmenbaus benötigt – oder überhaupt jemals in einer Werkstatt gewesen sein muss –, um einen sicheren, maßgeschneiderten und einzigartigen Rahmen zu fertigen. Mit diesem beruhigenden Wissen geht es am Montagmorgen mit Kaffee, einer Vorbesprechung sowie Maßnehmen los.
In der ersten Etage hat Bicycles by Design einen Raum, den Rob und Pete dafür nutzen, um ihre Kunden für ihre Maßrahmen zu vermessen. Dazu gehören solche wie der, den ich bauen werde, aber auch Rahmen, die sie für Kunden bauen. Diese preisgekrönten Rahmen heißen Swallow. Während ich auf einem Rad zur Sitzpositionsanalyse sitze, bei dem die Geometrie im Handumdrehen verändert werden kann, und trete, bombardiert mich Pete mit Fragen: „Trittst du während einer Kurvendurchfahrt? Fühlt sich dein Gewicht gleichmäßig verteilt an? Mit welcher Geometrie fährst du normalerweise?“.
Auf die letzte Frage antworte ich überzeugt, dass ich einen 56-cm-Rahmen mit 73,5 ° Sitzwinkel und 155 mm Steuerrohr fahre. Daher bin ich überrascht, als Pete mir einen 57,5-cm-Rahmen mit 74,5 ° Sitzwinkel und einem 200 mm langem Steuerrohr vorschlägt.
„Zweihundert? Bist du dir sicher?“, frage ich nach, da ich meine Chance darauf, dass ich auf meinem zukünftigen Rad eine aggressive Position einnehmen werde, dahinschwinden sehe. „Jepp“, erwidert Pete. Das ist für ein sportliches Rad nicht ungewöhnlich und gibt dir auch in 20 Jahren noch genügend Spielraum, wenn du älter und nicht mehr so flexibel bist. Schau dir einfach mal Cervélo an. Die produzieren bereits seit Jahren lange Steuerrohre, damit man …“
Sobald ich das Wort mit C gehört habe, sage ich Pete, dass er mich überzeugt hat. Nach all dem ganzen Messen geht es nun am Computer weiter. Dort wird mittels CAD-Software und meiner Maße ein Entwurf erstellt. Großes Steuerrohr oder nicht, das Ganze sieht ausgewogen aus. Sobald die Software ermittelt hat, dass es UCI-konform ist (was sehr gut ist, da ich davon ausgehe, dass bald die ersten Anfragen von Profis kommen werden, um den Rahmen bei Rennen zu fahren), geht es auf in die Werkstatt.
Werkstattidylle
Die Werkstatt von Bicycles by Design entspricht dem Traumbild von vielen, die sich im Alter auf dem Land zur Ruhe setzen und das Leben eines handwerklich tätigen Einsiedlers führen wollen: Das Sonnenlicht flutet durch die offenen französischen Türen, ein Stapel Rahmen liegt in der Ecke und die Rolling Stones laufen im Radio. Es gibt sogar einen Hund: Sprocket.
„Hier sind deine Rohre, Zugführungen zum Anlöten, Zuganschläge, Ausfallenden und Muffen“, sagt Pete. „Die Muffen sind feingegossen, sie sind also ein poröser Werkstoff.“
Pete erklärt, dass wir den Rahmen hartlöten werden. Dabei wird Messinglot erhitzt und in die Schnittstellen zwischen Rohr und Muffe gefüllt. Das flüssige Lot füllt die winzigen Löcher der Muffe, wodurch eine feste Verbindung entsteht. „Beim Hartlöten erhitzen wir das Metall an der Verbindungsstelle, um dann das Lot hinzuzufügen und es in die Schnittstelle hineinfließen zu lassen“, erklärt er. „Das Lot kommt nur mithilfe der Hitze des Lötbrenners und der Kapillarwirkung in die Verbindungsstelle.“
Der Schlüssel ist die Hitze. Ist es zu kalt, fließt das Lot nicht. Ist es zu heiß, riskiert man das Rohr zu beschädigen, das anders als die dicke Muffe eine Wandstärke von weniger als einem Millimeter hat. Zur Demonstration schnappt sich Pete einen Rohrrest, macht den Lötbrenner an und hält ihn in Richtung des Rohres. „Achte auf die Verfärbung: Erst ist es rot, dann gelb, dann weiß und dann verbrannt. Das Ergebnis ist ein Loch im Rohr. Und das geht schnell – das waren eben nicht mehr als fünf Sekunden. Wir müssen das Material also langsam erhitzen, bis es die gewünschte Temperatur erreicht hat. Der Stahl sollte ein schwaches Kirschrot haben.“
Es ist eine nervenaufreibende Lerneinheit, Pete aber scheint von meinem Gesichtsausdruck unbeeindruckt zu sein und schmeißt das ruinierte Stück Stahl mit einem Lachen in die Ecke. Er erklärt, dass wir gleich loslegen und das Sitzrohr mit der Tretlagermuffe zusammenlöten werden. Ich jedoch bin eigentlich noch nicht bereit dafür, schon den ersten Rohrsatz im Wert von 550 € zu zerstören. Es freut mich daher zu hören, dass ich zuvor noch das Sitzrohr gehren, es sandstrahlen und Flussmittel auftragen soll, bevor ich einen Lötbrenner in die Hände nehmen muss.
Wie es mit dem Rahmen weitergeht und ob beim Löten alles gut geht, erfahrt ihr nächste Woche hier im Blog – oder in der aktuellen Cyclist am Kiosk.