Radsport: Am Freitag starten die Olympischen Spiele in Rio traditionell mit einer Eröffnungsfeier. Direkt am Tag darauf geht es für die Radsportler auf der Straße um Gold, Silber und Bronze. Das Streckenprofil über rund 240 km verspricht ein spannendes Rennen. Wer zählt zu den Favoriten?
Im Straßenrennen das schwerste Olympia-Profil seit Jahren
Für die Straßenradsportler geht es bereits am Samstag in Rio auf Medaillenjagd. Obwohl Start und Ziel direkt am Copacabana-Strand liegen, werden die Profis an diesem Tag nur wenig davon genießen können, denn das Streckenprofil gilt als sehr anspruchsvoll. Auch der deutsche Nationaltrainer Jan Schaffrath scheint dieser Ansicht zu sein: „Das ist die mit Abstand schwerste Olympia-Strecke, an die ich mich erinnern kann.“ Vermutlich deshalb hat man sich im deutschen Lager dazu entschieden, nicht einmal alle vier Startplätze voll zu besetzen. Maximilian Levy wurde schließlich nur nominiert, um auf der Bahn um eine Medaille kämpfen zu können. Zwar wird der bereits dreifache Medaillengewinner dennoch am Start stehen, doch wirklich in das Resultat mit eingreifen kann er sicher nicht. Mit Tony Martin, Emanuel Buchmann und Simon Geschke bleibt daher nur die Hoffnung auf ein chaotisches Rennen mit Chancen für Außenseiter.
Kopfsteinpflaster, giftige Anstiege und eine gefährliche Abfahrt
39 km nach dem Start wird Tony Martin aber sicher dennoch genau hinschauen, denn dann biegen die Fahrer in die Strecke des Einzelzeitfahrens ein, welches am Mittwoch darauf sattfinden wird und wo die Chancen für einen deutschen Medaillengewinn deutlich größer einzuschätzen sind. Nach vier Runden bei Recreio mit kurzen aber sehr giftigen Anstiegen und Kopfteinplfaster-Passagen geht es im Straßenrennen am Samstag dann zurück Richrung Copacabana. Einfacher wird es dann aber keinesfalls, denn der bis zu 15 Prozent steile Canoas-Anstieg muss dreimal überwunden werden. Problematisch dabei ist jedoch nicht nur das Hinauffahren, sondern auch die darauffolgende Abfahrt. Diese ist sehr kurvig und durch den Regenwald wird der Asphalt leicht feucht. Ist auch dieses Hinderniss erfolgreich überwunden worden, so stehen noch zwölf flache Kilometer bis zur Ziellinie an.
Peter Sagan fährt in Rio lieber Mountainbike als Rennrad
Angesichts des schweren Profils ist es überraschend, dass Weltmeister Peter Sagan nicht am Start stehen wird. Dennoch ist der künftige Fahrer des deutschen Teams Bora-hansgrohe in Rio, denn er wird im Mountainbike-Wettbewerb um Medaillen kämpfen. Kurios – doch genau so kennen wir ihn. So wird der Weltmeister also nicht gleichzeitig Olympiasieger werden können, doch es gibt genügend Alternativen im Fahrerfeld.
Starke Teams aus Spanien, Italien und Großbritannien
Die Spanier haben mit Alejandro Valverde und Joaquim Rodriguez gleich zwei heiße Eisen im Feuer, doch um erfolgreich zu sein, müssen sie zweifelsohne besser zusammenarbeiten als bei der Clasica San Sebastian am letzten Wochenende. Auch Italien hat mit Vincenzo Nibali und Fabio Aru zwei Siegkandidaten im Aufgebot. Da sie in einem Sprint aus einer größeren Gruppe heraus jedoch chancenlos wären, hilft nur eine Attacke im Schlussanstieg oder – vor allem im Bezug auf Nibali – in der anschließenden Abfahrt. Die bei der Tour de France dominierende Nation Großbritannien schielt nun auch nach Gold bei Olympia, denn mit Toursieger Chris Froome, seinem Helfer Geraint Thomas und Adam Yates, dem Sieger des Weißen Trikots, kann der Teamchef auf eine Dreierspitze bauen.
Extrem unterschiedliche Teamgrößen im Straßenrennen
Übertroffen wird dieses starke Aufgebot in der Breite lediglich von unseren Nachbarn aus den Niederlanden. Der zweifache Tour-Etappensieger Tom Dumoulin steht ebenso am Start wie Giro-Überraschung Steven Kruijswijk, Tour-Pechvogel Bauke Mollema und der überragende Froome-Helfer Wout Poels. Auf diese Mannschaftsstärke würden sich auch gerne der Ire Daniel Martin, der Portugiese Rui Costa und der Pole Michal Kwiatkowski verlassen, doch diese Mitfavoriten haben entweder zu wenige Helfer an ihrer Seite oder einfach keine Landsleute mit dieser Klasse. Viel Klasse findet sich hingegen im belgischen Team: Mit Greg Van Avermaet und Tim Wellens kann sowohl auf einen Sprint gesetzt werden als auch auf eine Flucht kurz vor dem Ziel. Keinesfalls unterschätzt werden sollten die Kolumbianer. Auf ihrem Heimkontinent sicherlich besonders motiviert sein werden nämlich Rigoberto Uran, Jarlinson Pantano, Angel Lopez Moreno, Sergio Henao und Esteban Chaves. Äußerst neidisch auf eine so große und starke Truppe ist sicher der Costaricaner Andrey Amador, der ganz auf sich allein gestellt sein wird. Ebenso wie übrigens Daniel Teklehaimanot, Tsgabu Gebremaryam Grmay und Frank Schleck, die wir alle noch von der diesjährigen Tour de France kennen.
Gelingt Frankreich der große Coup?
Seit José Beyaert 1948 gewann kein Franzose mehr die Olympische Goldmedaille im Straßenrennen. In diesem Jahr scheint die Chance aber so groß zu sein wie lange nicht mehr. Mit Romain Bardet steht der Tourzweite am Start, dem solche kurzen und giftigen Anstiege wenig ausmachen dürften. An seiner Seite fährt Julian Alaphilippe, der bei der Tour de France seine gute Verfassung unter Beweis gestellt hat. Er gilt längst nicht mehr nur als Riesentalent, sondern hat dieses bereits eindrucksvoll demonstriert, indem er bei den Ardennenklassikern vorn reinfahren konnte. Dem 25-Jährigen fehlt noch ein großer Sieg, doch welcher Wettbewerb eignet sich dafür besser als das Straßenrennen der Olympischen Spiele? Die beiden französischen Kapitäne können bei ihrer Goldmission auf die starken Helfer Warren Barguil und Alexis Vuillermoz vertrauen.