Test 3T Exploro Race: Ein Gravelbike, das Rennrad und Offroader vereint? Mit dem Exploro Race geht 3T einen großen Schritt in diese Richtung – und im Test zeigt das Aero-Bike, dass die Rechnung aufgeht.
Den Begriff „Gravelbike“ zu definieren, ist mit der Sram XPLR noch etwas komplizierter geworden. Die neue Gruppe, die eine Federgabel und eine elektronisch gesteuerte Dropper Post umfasst, rückt die Gattung wieder näher ans Mountainbike, und schon wird heiß diskutiert, ob so etwas überhaupt noch „Gravel“ ist. Festzustehen scheint nur eins: Ein Gravelbike muss mit einem Rennlenker ausgestattet sein; ansonsten kann es so nah am MTB oder am Rennrad sein, wie es dem jeweiligen Hersteller beliebt. Schließlich liegt der Charme der jungen Gattung in ihrer Vielseitigkeit, die sich daraus ergibt, auf unterschiedlichem Terrain kompetent zu sein.
3T Exploro Race – Ein Gravelbike für Straßenfahrer
Gravelbikes, die sich in erster Linie an Straßenfahrer wenden, sind jedoch rar gesät. Klar, so ziemlich jedes Gravelbike lässt sich mit schmaler Bereifung auf Asphalt fahren, aber dafür ist der klassische Crosser eigentlich besser geeignet, ist seine Geometrie doch auf sportlichen Einsatz abgestimmt. Viele aktuelle Gravelbikes orientieren sich mit langem Oberrohr und kurzem Vorbau dagegen eher am MTB und kommen mit ziemlich aufrechter, Touren-orientierter Sitzhaltung. Und nicht zuletzt beeinflussen Montagepunkte für Gabelträger u.ä., wuchtige Rohrformen und ein großer Durchlauf an Rahmen und Gabel die Optik der meisten Gravelbikes – wie ein reinrassiges Rennrad sieht so etwas auch mit 28er Reifen nicht aus. Zumal zum zeitgemäßen Rennrad Aero-Formen gehören, und die sind im Gravel-Bereich praktisch nicht zu finden.
Umso mehr Aufsehen erregte 3T mit dem Konzept des Exploro, das von Anfang an als „One and only“-Modell angepriesen wurde – der alten Idee folgend, ein Rad mit zwei oder drei Laufradsätzen an unterschiedlichste Bedingungen anzupassen. Und mit dem 2020 vorgestellten 3T Exploro Race, das parallel zum Exploro Team angeboten wird, hat 3T dieses Konzept noch einmal geschärft.
Optisch wie technisch ist das Race ein ziemlich ungewöhnliches Gravelbike – ein Rad, dessen Silhouette sich kaum von der eines modernen „Aero Road“-Renners unterscheidet. Die Sitzstreben münden weit unten ins Sitzrohr, das ausgekehlt ist und sich dicht an den Reifen schmiegt, und nur die nach unten gezogenen Kettenstreben deuten an, dass dies ein Offroader ist. Aus anderen Perspektiven betrachtet, fällt dann auf, wie breit Hinterbau und Gabel bauen. Das lässt viel Raum für fette Reifen; andererseits ist es einer der vielen Aero-Trends, zwecks Vermeidung von Verwirbelungen zwischen Speichen und Rahmenrohren Platz zu schaffen.
Die Forke fällt auch durch eine besonders flach gehaltene Gabelkrone auf, was auf der Erkenntnis beruht, dass es im Discbrake-Zeitalter natürlich wenig Sinn macht, Bauraum für eine Bremsbohrung vorzuhalten. Die Gesamtlänge der Gabel entspricht der einer Rennradgabel; damit muss auch das Steuerrohr nicht so kurz ausfallen wie an vielen Gravelbikes, was wiederum der Geometrie zugutekommt. Ebenso der Aerodynamik, denn in der Seitenansicht fällt auf, wie dicht der Reifen am Unterrohr sitzt – selbst mit einem 30-mm-Pneu ist der Spalt viel enger als bei einem konventionellen Gravelbike, das mit 40er Reifen ausgestattet ist.
Extrem breites Unterrohr
Das Unterrohr selbst ist eines der ungewöhnlichsten Merkmale des 3T Exploro Race. Es ist oben abgeflacht und verbreitert sich im Bereich des Flaschenhalters von 46 auf satte 75 mm – eine aerodynamische Maßnahme, die die Trinkflasche komplett aus dem Wind nimmt. All das folgt der Idee der „Real world aerodynamics“ – das Rad soll auch bei realistischen Fahrgeschwindigkeiten windschnittig sein, nicht nur im Windkanal. Stimmig ist daher auch die Verwendung einer Aero-Sattelstütze mit Kammtail-Profil – vorne gerundet, hinten abgeflacht –, wie man sie an praktisch keinem anderen Gravelbike findet.
Neben diesen Besonderheiten bei der Rahmenform ist es besonders die Geometrie des Exploro, die sich von konventionellen Schotter-Rennern abhebt. Beim 56er Testrad misst der Lenkwinkel 72 Grad, was für ein Gravelbike eher steil ist; die Kettenstreben sind mit 415 mm ein bis zwei Zentimeter kürzer als bei konventionellen Gravellern. Auch der Radstand, am Testrad 1.015 mm, ist kurz; die Sitzgeometrie, die sich in Stack und Reach ausdrückt, ist ausgewogen-sportlich. Damit die Sitzhaltung nicht zu gestreckt ausfällt, ist am 56 cm großen Rad ein 100er Vorbau montiert – doch der ließe sich ja gegen einen längeren austauschen.
Geometrie und Bereifung sind freilich nicht alles, was das Rennrad vom Gravelbike unterscheidet. Vom Querfeldeinrad inspiriert, sind viele Gravelbikes mit Mono-Kettenrad ausgestattet, kombiniert mit einer breit abgestuften Kassette. Das funktioniert offroad super, denn dort sind lang übersetzte Schnellgänge und eine feine Abstufung nicht unbedingt nötig, dafür aber ein leichter Berggang bis hin zur „Untersetzung“. Auf der Straße jedoch reicht das nicht: Die Kombination von mindestens 4:1 übersetztem Schnellgang, Einersprüngen im Bereich der hohen Übersetzungen und einem einigermaßen leichter Berggang à la 34-28 wie am Rennrad lässt sich mit „One by“ nicht realisieren. Unser Alleskönner für Gelände und Straße muss also mit Doppelkettenblatt ausgestattet sein – und hier kommt die neue Sram Rival eTap AXS ins Spiel, die erst im Sommer vorgestellt wurde und inzwischen von 3T am Exploro spezifiziert wird. Die elektronische 2×12-Gruppe ist gerade wegen ihrer Kettenblattabstufung interessant: Am Exploro kommt sie mit 46/33 Zähnen, kombiniert mit einer 10-36er Kassette. Sram bietet die Rival-Kassette jetzt auch in 10-30 an, dazu gibt es die sensationell eng abgestufte 10-28 der Force-Gruppe – und das bedeutet, dass man durch den Wechsel der Kassette ebenso mit Untersetzung graveln wie fein abgestuft rennradeln kann, wobei der Sprung zwischen den zwei Kettenblättern mit 13 Zähnen schön klein ausfällt. Dies ist ein Set-up, das völlig ohne Kompromisse auskommt – es sei denn, man wünscht sich einen Mountainbike-mäßigen „Mullet drive“ mit 52er Rettungsring hinten. Aber man kann nun mal nicht alles haben.
Lassen sich am 3T Exploro Race nun also Reifen beliebiger Breite montieren? Diese Frage lässt sich am besten mit „jein“ beantworten, denn natürlich geht es auch darum, was sinnvoll und wünschenswert ist. Ausgelegt ist das Exploro auf Reifen ab 35 mm Breite, und wer 650B-Laufräder montiert, kann selbst gut 60 mm breite Schlappen aufziehen, die den vorhandenen Bauraum auch in der Breite voll ausfüllen und das Rad Trail-tauglich machen. 3T liefert das Exploro mit 35er Pirelli Cinturato Gravel M aus; ein echte 40 mm breiter Schwalbe G-One Bite passt immer noch recht locker durch Rahmen und Gabel und lässt die geforderten 4-6 mm Luft. Wer solche Reifen montieren will, sollte jedoch die mitgelieferten Klebefolien applizieren, die die Unterseite der Gabelkrone und den Hinterbau vor Schleifspuren schützen.
WAM und RAM: nicht allzu hilfreich
Um die Reifenwahl zu erleichtern, hat sich 3T das Konzept von WAM und RAM ausgedacht – „Width as measured“ und „Radius as measured“, also gemessene Breite und gemessener Radius im Unterschied zu den Angaben auf der Reifenflanke und in Abhängigkeit von unterschiedlich breiten Felgen. Sonderlich hilfreich ist das jedoch nicht, denn man kann ohnehin davon ausgehen, dass ein Reifen mit dem ETRTO-Maß 42-622 und darüber zu hoch baut für Rahmen und Gabel. Im Rennrad-Modus fuhren wir das Rad mit 30er Schwalbe Pro One, die in Sachen Gewicht und Handling sehr gut funktionieren, dabei viel Spielraum beim Reifendruck bieten und nicht zuletzt optisch gut ins Rahmenkonzept passen.
Die auf solide „Fulcrum Rapis Red 900“-Laufräder montierten 35er Pirelli Cinturato Gravel M sind logischerweise unsere erste Wahl beim Testen. Schnell auf Tubeless umgebaut, rollt der eher grobstollige Pneu auf Asphalt erfreulich leicht – bei 30 km/h kommt in der angenehm gestreckten Sitzhaltung auf dem Exploro gleich ein sportliches Fahrgefühl auf. Das Rad gibt sich ebenso fahrstabil wie lebendig; hinter der eigenständigen Formsprache verbirgt sich kein aufdringlicher Charakter. Beim Beschleunigen zeigt sich die sehr hohe Rahmensteifigkeit, die angesichts des breit bauenden Tretlagerbereichs nicht verwundert; der breite Hinterbau führt allerdings auch dazu, dass man schnell mal mit der Ferse am Rahmen entlangstreift. Auch die Front des gut 1.100 Gramm schweren Rahmens ist überaus stabil, sodass Lenkbefehle direkt umgesetzt werden. Auf lockerem, trockenem Untergrund fällt der Pirelli Gravel M mit mäßigem Kurvengrip auf – kein Wunder angesichts des auf feuchte, weiche Böden zugeschnittenen Profils. Mit 40er Reifen auf anspruchsvollerem Terrain gefahren, weicht das 3T nur in Sachen Sitzgeometrie von konventionellen Gravelbikes ab. Wer ans Cyclocross-Bike gewöhnt ist, kommt mit der eher gestreckten Haltung auf dem 3T gut klar und kann sich über viel Druck auf dem Vorderrad freuen.
Auf Anhieb gefallen Cockpit und Sattel: Der Superergo-Lenker ist mit stoßdämpfendem und sehr griffigem Band umwickelt, und der kurze Fizik-Sattel drückt nirgendwo. Eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Exploro Team zeigt sich an der Sattelstütze: Diese ist nun mit einer leicht bedienbaren Ritchey-Klemmung ausgestattet statt des umständlichen 3T-eigenen Systems mit ineinandergesteckten gezahnten Zylindern. Ein typisches Gravel-Merkmal darf auch am Race nicht fehlen, nämlich die Gewindebohrungen auf dem Oberrohr für eine kleine Tasche. Hier sind sie allerdings weit hinten platziert, da ja gleich hinterm Vorbau die Bremsleitung von oben in den Rahmen führt. Eine etwas größere Oberrohrtasche, die auch am Gabelschaft unterm Vorbau gehalten wird, kann also nicht angebracht werden. Dafür kann unterm Unterrohr eine dritte Trinkflasche angeschraubt werden; auf dem Unterohr finden sich drei Bohrungen, sodass eine einzelne Flasche näher am Tretlager platziert werden kann, um die Aerodynamik zu optimieren.
Aero: auch beim Graveln sinnvoll
Aber muss ein Gravelbike überhaupt „aero“ sein? Bei 3T argumentiert man mit endlosen Stunden im Gegenwind bei typischen US-Gravelrennen; Bedingungen, unter denen man auch bei weniger hohem Tempo von optimierter Aerodynamik profitieren dürfte. Wer das Rad auf der Straße einsetzt, freut sich ohnehin über das eine oder andere Watt, das die Rahmenformen bei schneller Fahrt einsparen.
Wie also fährt sich das 3T Exploro Race auf der Straße? Kurz gesagt: wie eine sehr steife, agil-ausgewogene Rennmaschine. Das Rad ist gefühlt verwindungsresistent und sehr vortriebsstark, bei hohem Tempo richtungsstabil und bergauf im Wiegetritt handlich – dabei allerdings „dank“ Aero-Gabel und ebensolcher Sattelstütze nicht übermäßig komfortabel. Bei Geschwindigkeiten oberhalb von 35 km/h und schnellen Abfahrten meint man die aerodynamischen Vorzüge des 3T zu spüren – jedenfalls im Vergleich zum Standard-Rennrad mit altmodischen Rundrohren und flachen Alu-Felgen. In Sachen Fahrverhalten auf der Straße muss man beim Exploro definitiv keine Kompromisse eingehen, es sein denn, man hat andere Vorlieben bezüglich Sitz- und Lenkgeometrie – aber das ist ja bei jedem Rennrad so.
Auch beim Gewicht kann das 3T überzeugen. Mit seinen Fulcrum-Laufrädern wiegt es nach dem Umrüsten auf Tubeless 8,67 Kilo; im Rennrad-Modus drücken 1.600-Gramm-Carbonlaufräder und 30er Schwalbe Pro One TLE das Gewicht knapp unter die Acht-Kilo-Marke – jeweils inklusive Flaschenhaltern und zuzüglich Pedalen. Im Vergleich zu konventionellen Disc-Rennern dieser Preisklasse ist das Exploro damit höchstens 300 bis 400 Gramm schwerer, und für ein Gravelbike ist es ohnehin ziemlich leicht.
So ersetzt das 3T Exploro Race – jedenfalls in der Konfiguration mit 2×12-Schaltung – das reinrassige Rennrad und erlaubt gleichzeitig Freiheiten bei der Streckenwahl, die mit diesem nie möglich wären – von holperigen Waldwegen bis hin zu veritablen Trails. Dem Ideal des „One and only“-Modells kommt es damit so nah wie derzeit kaum ein anderes Gravelbike am Markt. Andere Konfigurationen sind auch erhältlich – vom GRX 1x zum Einstiegspreis von 4.499 Euro bis hin zum Topmodell mit Sram Force AXS 1x Torno für 6.799 Euro. Und wer will, kann das Rahmenset zum Selbstaufbau erwerben – für 3.499 Euro oder unlackiert für 3.299 Euro.