Test Stevens Camino Pro: Das erste Carbon-Gravelbike des Hamburger Herstellers gefällt auf Anhieb mit geringem Gewicht, günstigem Preis und sehr guter Ausstattung. Die Rahmengeometrie kommt vom Alu-Modell und funktioniert hier fast noch besser.
Mit dem Prestige hatte Stevens schon 2021 ein interessantes Gravelbike am Start, das nur dem Namen nach an die Cyclocross-Renner der Marke anknüpfte. Das supersolide Alu-Rad zum günstigen Preis (aktuell kostet es 1.999 Euro) ist nach wie vor im Programm und mit moderner Geometrie, großem Reifendurchlauf bis 45 mm und zahllosen Anbaumöglichkeiten eine gute Wahl für Bikepacking-Abenteuer, dabei aber auch handlich und lebendig genug für sportliche Offroad-Touren. Mit 10,7 Kilo ist das Prestige freilich nicht gerade leicht, und so war eine Carbon-Variante nur einer Frage der Zeit. Die gibt es seit Anfang des Jahres in Form von Stevens Camino Pro und Camino, die – ausgehend vom selben Rahmen – unterschiedliche Zielgruppen ansprechen und beide ziemlich interessant sind.
Geometrie vom Alu-Gravelbike
Erst einmal zur Geometrie: Die unterscheidet sich zwischen Alu- und Carbonrad so gut wie gar nicht. Sitz- und Lenkwinkel, Radstand und Steuerrohrlänge sind über alle Rahmengrößen weitgehend identisch; nur beim Stack macht sich bemerkbar, dass die Alu-Gabel des Prestige 10 mm höher baut. Stevens setzt auf einen langen Reach, kombiniert mit kurzen Vorbauten, sowie einen eher langen Radstand, was am Alu-Modell zu sicherem Geradeauslauf und handlichem Lenkverhalten führte. Beim Stevens Camino Pro kommt nun ein um satte zwei Kilo reduziertes Gewicht hinzu (500 Gramm davon fallen auf den Laufradsatz aus), womit das Carbon-Bike noch einmal agiler wird und sich sehr leichtfüßig beschleunigen lässt. Die Anbaumöglichkeiten am Camino können sich ebenfalls sehen lassen: Schutzbleche können ebenso angebracht werden wie Gepäckhalterungen an der Gabel – etwas, wo viele leichte Gravelbikes passen müssen. Drei Flaschenhalter und eine kleine Tasche am Oberrohr können ebenfalls montiert werden. Das Alu-Modell bietet darüber hinaus die Option, einen Hinterbauständer sowie einen Gepäckträger anzubauen, doch das ist eigentlich nur für jene interessant, die das Rad zum Randonneur, d. h. Touren-Renner umbauen wollen.
Sportlich ins Gelände mit geringem Gewicht
Im Gegensatz dazu ist das Stevens Camino Pro eher auf „Speed Gravel“ ausgerichtet – schnelle Touren durchs Gelände oder über Naturwege, mit Minimalgepäck gerne im Bikepacking-Modus. Auch der Antriebsstrang ist mit 1×11 Gängen sportlich ausgelegt, wobei Stevens ein 40er Kettenblatt am superleichten Easton-Kurbelsatz mit einer 11-42er Kassette kombiniert – eine sehr breite, wenn auch etwas gröber abgestufte Übersetzung. Schaltkomponenten und Bremsen entstammen der 800er Serie der Shimano GRX, was angesichts des Preises von gut 3.000 Euro sehr ordentlich ist. In den wertigen DT-Swiss-Laufrädern verbaut Stevens sogar die teuren, superleichten Aerothan-Schläuche von Schwalbe; den Umbau auf tubeless kann man sich hier sparen. Der Lenker ist nicht übermäßig breit und leicht ausgestellt, die Sattelstütze besteht aus Aluminium. Damit ist sie das einzige Bauteil am Stevens, das man irgendwann einmal austauschen könnte, um etwas mehr Sitzkomfort zu erreichen und dabei das Gewicht noch etwas zu reduzieren.
Neuer Rahmen mit integrierten Leitungen
Der matt lackierte Rahmen gefällt mit schlanken, leicht gerundeten Rohrformen, einer integrierten Sitzklemme sowie komplett innen geführten Zügen und Leitungen. Auch die vordere Bremsleitung verschwindet im Vorbau, um erst kurz überm Bremssattel wieder aufzutauchen. Dazu gibt es ein Direct-mount-Schaltauge, was ebenfalls für eine sehr aufgeräumte Optik sorgt.
Im Vergleich zu den Cyclocross-Bikes von Stevens sitzt man auf dem Camino Pro aufgrund des langen Reach sogar noch minimal gestreckter, dabei aber um 2-3 cm aufrechter. Auch das sind gute Voraussetzungen für sportliche Einsätze bis hin zu Crossrennen, was auf die große Vielseitigkeit des Camino Pro hindeutet. Während die Alu-Variante von Stevens’ Gravelbike aufgrund des höheren Gewichts etwas behäbiger ist, erweist sich das mattsilberne Carbonrad als echtes Renngerät.
Ebenfalls interessant: das tourenorientierte Camino ohne „Pro“
Und das Camino ohne „Pro“? Dieses Rad fällt dadurch auf, dass es genau in der Mitte zwischen Prestige und Camino Pro steht. Von ersterem hat es die Shimano-GRX-Komponentengruppe mit 2×11 Gängen sowie die Fulcrum-Laufräder, mit letzterem teilt es sich den Carbonrahmen inklusive der integrierten Leitungsführung. Diese Kombination sorgt für ein Gewicht um 9,5 Kilo, außerdem für einen Preis von 2.599 Euro, womit es in gleich zweierlei Hinsicht die Mitte trifft. Zwischen Touren- und Race-Modell positioniert sich das Stevens Camino also als Allrounder mit Potenzial in beide Richtungen.
Mit all diesen Eigenschaften können Stevens Camino Pro bzw. Camino rundum überzeugen. Beide sind für ihren Preis ziemlich gut ausgestattet und ziemlich leicht – nun muss man sich nur noch entscheiden, ob man sich eher zum Sport- oder zum Touren-Modell hingezogen führt.
WEB: stevensbikes.de