Test Bulls Machete: Das Carbon-Gravelbike der Kölner MTB-Marke ist ebenso UCI-rennerprobt wie Bikepacking-tauglich. Letzteres ist mit dem Machete sofort möglich; für Ersteres braucht es ein paar Umbauten, die das volle Potenzial des kantigen Boliden zeigen.
Bei Bulls denkt man erst einmal an Mountainbikes, doch die Kölner haben seit Jahren auch Rennräder im Programm, außerdem allerlei Crossbikes sowie Alltagsräder. Aus Elementen all dieser Gattungen ein Gravelbike zu komponieren, lag also nahe, und so gibt es schon seit Jahren das Modell Grinder, das in diversen Varianten vom sportlichen Trimmrad bis zum voll ausgestatteten Commuting-Bike und sogar mit tiefem Durchstieg zu haben ist. Die aktuelle zweite Generation des Grinder hat mit dem ursprünglichen Modell allerdings nicht mehr viel zu tun. Vor gut zwei Jahren stellte Bulls nämlich sein erstes Carbon-Gravelbike vor, das Machete. Dessen Geometrie wird inzwischen auch bei den Alu-Modellen der Serie Grinder verwendet – und hat sich gleichzeitig im Gravel-Rennsport auf höchstem Niveau bewährt.
Bulls Machete: Vielseitig mit zahlreichen Befestigungs-Optionen
Das klingt vielseitig, und so ist das Machete auch angelegt. Los geht’s mit einer Fülle von Befestigungs-Optionen, mit denen Bulls das Carbonrad in Richtung Bikepacking trimmt. Die vier Gewindebohrungen unterm Oberrohr dienen zur Befestigung eines Spanngummis, unter das z. B. eine Jacke geklemmt werden kann; auch eine angeschraubte Rahmentasche wird damit möglich. Gabelhalterungen lassen sich natürlich auch montieren, dazu kann ein Dynamokabel durchs rechte Gabelbein geführt werden, und am Gabelkopf befindet sich eine Montageplattform für einen speziellen Bulls-Lampenhalter. Auch Schutzbleche können angebracht werden, wofür es am Hinterbau schön versteckte Gewinde gibt.
Ausgesprochen sportlich ist der Look des Machete. Das Oberrohr ist flach, das Unterrohr kantig und der Hinterbau wirkt aerodynamisch mit tief positionierten Sitzstreben und ausgekehltem Sitzrohr. Die ab dem Vorbau innen geführten Leitungen sorgen für eine sehr aufgeräumte Optik. 08/15 ist das Bulls-Gavelbike definitiv nicht, vielmehr wirkt es markant und eigenständig.
Mit Bulls-Profis entwickelt
Bei der Entwicklung der Rahmengeometrie wirkten Bulls-Teamfahrer wie Karl Platt mit, und so ist es nicht verwunderlich, dass das Rad Anleihen bei MTB-Geometrien macht. Der Lenkwinkel ist mit 71° dabei nur moderat flach, der Sitzwinkel mit 74° nicht allzu steil. Stack und Reach (also Vorderbauhöhe und Sitzlänge) sind jedoch so gewählt, dass man ziemlich kompakt und aufrecht auf dem Machete Platz nimmt. Damit ist das Rad eher tourentauglich als rennmäßig geschnitten – wie passt das Machete also zum Gravel-Rennsport?
Mit Carbon-Cockpit bei der Gravel-WM
Die Antwort weiß Alban Lakata, der dreimalige Mountainbike-Marathon-Weltmeister. Der Österreicher fuhr auf seinem Machete zum 14. Platz der Gravel-WM 2023 und wurde Ende Mai 26. beim Unbound Gravel über 200 Meilen. Statt des serienmäßigen 70-mm-Vorbaus plus Alu-Lenker nutzte Lakata ein Carbon-Cockpit der Marke Vision, wie es Bulls bei seinem Top-Rennrad montiert. Damit erreichte er eine deutlich längere und tiefere Sitzposition. Eine gute Idee, der auch Velomotion folgte: Ohne Spacer und mit 110-mm-Vorbau sitzt es sich deutlich sportlicher auf dem Carbonrad – vor allem, wenn man einen etwas kleineren Rahmen mit deutlich kürzerem Steuerrohr wählt. Der längere Vorbau wirkt sich dabei keineswegs negativ aufs Lenkverhalten aus: Während sich das Machte mit dem Original-Vorbau fast schon zu agil und quirlig anfühlt, gewinnt es mit dem längeren Exemplar an Laufruhe, ohne dabei träge zu wirken. Die gestrecktere Sitzhaltung kommt auch der Kraftübertragung zugute, und hier gefällt das Machete mit gefühlt hoher Rahmensteifigkeit: Druck aufs Pedal quittiert das Rad mit ansatzlosem Vortrieb; auch im Wiegetritt und bei hohem Tempo bergab ist es steif und fahrstabil.
Viel Komfort darf man andererseits auch nicht erwarten, was nicht zuletzt an der massigen Gabel und der 31.6er Alu-Sattelstütze liegt. Gegensteuern kann man mit breiten Reifen: Am Testrad sind 45er Schwalbe G-One R verbaut, und auch 50 mm breite Reifen finden in Rahmen und Gabel locker Platz. Damit wird das Machete einerseits Trail-orientierten Fahrer/innen gerecht, passt andererseits aber auch zum Trend zu breiteren Reifen im Gravel-Rennsport, wo immer mehr Aktive auf 50er Reifen setzen, die mehr Fahrstabilität und Pannensicherheit bieten. Dabei lassen sich längst nicht alle aktuellen „Gravel Race“-Rahmen mit so breiten Pneus fahren.
Wer auf dem Machete zu seiner (bzw. ihrer) optimalen Sitzposition findet, kann jedenfalls Gravel-Fahrspaß auf hohem Niveau genießen. Handlich und vortriebsstark, ist das Bulls für schnelle Touren auf anspruchsvollem Untergrund zu haben; der recht weiche Sattel und die angenehm abgewinkelten Lenkerenden sorgen auch auf längeren Unterlenker-Passagen für Komfort. Die Komplettierung ist dem Preis angemessen und funktionell, wenn auch nicht allzu luxuriös: Bulls verbaut die SRAM Apex 12 in der mechanischen Variante, die mit angenehmer Hebelform und starken Bremsen gefällt. Dazu kommt ein schlichter Alu-Radsatz mit jeweils 28 Rundspeichen, der nach nicht viel ausschaut, aber ziemlich viel bietet: Mit 1.800 Gramm inklusive Felgenband ist er gar nicht mal schwer, dazu kann er tubeless gefahren werden und ist mit 21 mm Maulweite auf breite Reifen zugeschnitten.
Mit 9,75 Kilo (Größe M) zzgl. Pedalen ist das Bulls Machete gerade für ein Carbonrad nicht eben leicht, allerdings bietet die Komplettierung einigen Spielraum: Ein leichter Radsatz à la Leeze CH 30 Allroad Basic mit schlauchlos montierten 40er Reifen spart bereits knapp 500 Gramm ein, Sattel und Stütze bergen ebenfalls Spar-Potenzial: Beide Teile zusammen wiegen 690 Gramm; eine Carbonstütze und ein einigermaßen leichter Sattel sollten es zusammen auf 500 Gramm bringen. Und auch Alban Lakatas Carbon-Cockpit sollte für ein paar Gramm gut sein.
Für ein Carbon-Gravelbike recht günstig
Allerdings steht das Gewicht durchaus in Relation zum Preis, denn mit 2.799 Euro ist Bulls’ Machete für ein Carbon-Gravelbike vergleichsweise günstig. Ein paar Anbauteile auszutauschen ist also durchaus drin. Viel Fahrspaß bietet das Rad freilich auch in der Werksausstattung – wer damit nicht gerade Rennen fahren will, kann alles so lassen, wie es ist. Nur die Tubeless-Umrüstung empfiehlt sich in jedem Fall.
Sollte Bulls ein Machete 2.0 planen, wäre ein etwas geringeres Gewicht daher fast unser einziger Wunsch; ein weiterer Punkt könnte der Umbau auf UDH zwecks Schaltwerks-Direktmontage sein. Und warum nicht gleich ein „Race Machete“ mit leichteren Komponenten und vielleicht einem Aero-Radsatz anbieten? Bitte nicht falsch verstehen: Solche Wünsche zeugen nicht vom mangelnden Ideenreichtum des Herstellers – sondern eher vom großen Potenzial, dass das Gravelbike von Bulls hat.