Bike Build Story: Teil Fünf, die Kurbel. Wie in Teil Eins bereits erklärt, versuchen wir ein Bike „Made in Europe“ zu bauen. Im Regelfall kommen die Antriebskomponenten aus Fernost. Ausnahmen gibt es bei den Kurbeln einige. Wir entschieden uns für eine Tune Smart Foot.
Wenn man heute auf der Tune Homepage nach der Smart Foot Kurbel sucht, dann verzweifelt man. So ging es mir auch und der Griff zum Telefon folgte als logische Konsequenz. Ungläubig musste ich vernehmen, dass die Produktion der Smart Foot eingestellt wird, weil man sich anderen Produkten, wie den Naben und Laufrädern, stärker widmen will. Schade, wenn ein Produkt verschwindet, andererseits können wir aber auch nicht verleugnen, dass die Smart Foot uns Probleme gemacht hat. Wer über 500 Euro, der empfohlene Verkaufspreis liegt bei 599 Euro ohne Innenlager, für einen Aluminiumkurbel ausgibt, der will ja auch, dass sie einwandfrei funktioniert.
Die Tune Smart Foot im Detail
Die Tune Smart Foot haben wir mit einem Spider für 76 Millimeter Lochkreis geordert, da passen auch Sram XX1 Kettenblätter drauf, in einer Länge von 175 Millimetern. Das Tretlager war für BSA Gewinde, das Kettenblatt ein 30 Zähne Narrow Wide. Zum Gewicht: die Kurbel wiegt montagebereit, mit Schrauben ohne Innenlager 592 Gramm, wovon 51 Gramm auf das Kettenblatt zurückgeführt werden dürfen. Die Kurbelarme sind aus gehärtetem 7075 Aluminium gefertigt. Die Fräsrichtung erfolgt parallel zur Aluminium-Walzrichtung, was das Schmieden der Kurbel ersetzen soll.
Durch die geraden Kurbelarme und den gekröpften Kettenblattspider ist angeblich ein ungestörter Kraftfluss garantiert. Zur Optimierung der Dauerhaltbarkeit besitzt die Kurbel eine superglatte Oberfläche ohne Gitter, Ecken und Kanten, was die Bruchgefahr minimieren soll. Die Tune Laser-Beschriftung befindet sich an geschützter Stelle, so dass ein Abrieb des Schriftzuges sowie die Schwächung der Oberflaeche durch die Gravur vermieden wird. Die 30 Millimeter dicke Achse kann dank „Smart-Spindle-System“ und diversen Innenlagern in einer vielzahl von Rahmenstandards Platz finden. Für die Durchdachtheit sprechen Details wie hochfeste, spezielle, Schrauben um z.B. die nötige Vorspannung der Klemmung des Kurbelarms auf der Achse zu gewährleisten.
Licht und Schatten
Das geringe Gewicht der Kurbel spürt man sofort beim ersten Kontakt. Auch die Haptik der Oberflächen weiß zu überzeugen, das schwarze Eloxalfinish ebenfalls. Bei der Montage störte ich mich daran, dass Spezial-Werkzeuge nötig waren. Es muss meiner Meinung nach nicht zwingend ein eigener Tretlagerschlüssel sein, es gibt bereits viele Varianten auf die man hätte zurückgreifen können. Für die Montage der Kurbelschrauben braucht man einen 17mm Innensechskantschlüssel, nicht gängig, aber wenigstens vielerorts bestellbar. Wie bei fast allen Orange Bikes die ich kenne, ist die Kettenlinie optimal, wenn man die Kurbel leicht nach links versetzt. Auch beim Stage 6 war das der Fall.
Ich entschied mich für einen Wechsel des Spiders von Boost zu non-Boost. Das war ebenfalls nur mit einem speziellen Werkzeug, viel Geduld und einem Heißluftföhn zu bewerkstelligen. Auch die Montage des linken Kurbelarms auf der Achse war mit hohem Kraftaufwand verbunden. Auch mussten beide Klemmschrauben entfernt werden und durch entgegengesetztes Einschrauben gegen eine Münze die Kurbel aufgespreizt werden.
Tune sagt: „Daraus ergibt sich eine Kurbel mit einem perfekten Kompromiss aus geringem Gewicht und praxisorientiertem Steifigkeitsverhalten.“ Man kann das so ausdrücken, ich fand sie insgesamt jedoch einfach zu weich. Im Wiegetritt oder bei Kompressionen in der Abfahrt, z.B. im Anlieger meinte ich zu spüren wie die Kurbel unter meinem (zugegebenermaßen recht hohen) Körpergewicht verwand. Das endgültige Aus für die Tune Smart Foot bedeuteten letztlich die Geräusche aus dem Innenlager, die an eine Kaffeemühle erinnerten. Das darf nach ca. 150 Kilometern einfach nicht sein, zumal die Kurbel für alle Disziplinen von XC bis DH freigegeben ist.
White Industries M30
Die Smart Foot musste also weichen und es kam eine andere Kurbel ans Orange Stage 6, die bei Handmade-Liebhabern ebenfalls recht angesagt ist: Die White Industries M30. Die Kurbel und auch das Lager sind Made in USA, was zugegebenermaßen unseren Made in Europe Gedanken nicht perfekt trifft, aber auch White Industries macht so viel wie möglich selbst und versucht nicht einzelne Arbeitsschritte oder gar die Produktion in ein Billiglohnland zu verlagern.
In Sachen Gewicht kann die White Industries M30 nicht ganz mit der Tune mithalten, wobei es insgesamt noch voll in Ordnung geht. Wir haben gewogen: Kurbel links 175mm 241 Gramm, Kurbel rechts 175mm 242 Gramm, Achse für BSA 101 Gramm, Innenlager BSA 82 Gramm, Kettenblatt Narrow-Wide 28 Zähne 54 Gramm. Die Montage ist aber Kinderleicht. Es passt derselbe Tretlagerschlüssel wie z.B. bei Race Face, das Kettenblatt wird mit einem alten Tretlagerschlüssel fixiert, wie man ihn für Shimano usw. benötigt. Nichts klemmt, nichts zwickt, alles ist sehr passgenau und sitzt satt. Wie sich die M30 Kurbel final geschlagen hat verraten wir im Test der Aufbaustory.