//Ausstattung und Praxis
Mit seinem ersten Cyclocrosser, dem Inflite AL, liefert der Koblenzer Hersteller Canyon eine überzeugende Leistung ab. Die Handschrift ist bekannt: ein technisch orientierter, schwarz eloxierter Alu-Rahmen, eine leichte Gabel mit dem innovativen iLock-Steuerlager sowie als besonderes Schmankerl eine hauseigene, sehr fortschrittliche Sattelstütze.
Auch Canyon hat neben der sportlichen Klientel Nutzer im Visier, die ein Allround-Rennrad suchen. So finden sich an allen wichtigen Stellen von Rahmen und Gabel Gewindeeinsätze, die mit unverlierbaren, eingeschraubten Kunststoffstopfen verschlossen werden. Ein Steg hinterm Tretlager gibt es nicht, dafür eine Gewindebohrung an der Rückseite des Sitzrohrs; der „Bremssteg“ ist freilich einfach durchbohrt.
Die Schaltzüge werden im Rahmen geführt, die Bremszüge außen, womit der Rahmen auch für hydraulische Systeme geeignet ist. Sehr zeitgemäß ist das PressFit-Innenlager; wie am Rennrad üblich, können zwei Flaschenhalter montiert werden.
Canyon stattet seinen „Querstling“ mit Ultegra-Schaltkomponenten und einer mechanischen Scheibenbremse aus, die auf Rennrad-Bremsgriffe abgestimmt ist. Dazu gibt es einen DT-Swiss-Radsatz, WCS-Lenker und -Vorbau von Ritchey sowie einen Ergon-MTB-Sattel, der auf den ersten Metern mit ansprechendem Komfort trotz eher straffer Polsterung erfreut und den Vorteil hat, dass man auch mal hinter ihn rutschen kann, ohne irgendwo hängen zu bleiben. Nicht zu vergessen die schon erwähnte Canyon-Stütze, die aus zwei Carbon-Blattfedern besteht und extrem gute Stoßdämpfung bietet. Zur Verstellung der Sattelneigung werden die beiden Hälften gegeneinander verschoben; eine seitlich angebrachte Skala dient dabei der exakten Justierung. Allerdings muss die Stütze zur Winkelverstellung erst ausgebaut werden, da die zwei Hälften am unteren Ende miteinander verschraubt sind. Die Stütze alleine kostet übrigens 250 Euro – da geht der Canyon-typisch knappe Preis von 1.699 Euro noch leichter von der Kreditkarte.
In der Nacht vor unserer Testrunde hatte ein Unwetter den Waldboden aufgeweicht und mit einer dicken Schicht welken Herbstlaubes bedeckt – optimale Bedingungen also, um Stärken und Schwächen eines Cyclocrossers kennenzulernen. Beim Inflite AL freut man sich erst einmal an dem steifen, agilen Rahmen, der sich gut beschleunigen lässt und im Gelände mit angenehmer Wendigkeit auffällt. Um den Schwalbe Rocket Ron, deren eher offenes Profil insgesamt recht griffig ausfällt, ein geschmeidiges Rollverhalten beizubringen, musste der Reifendruck erst einmal auf gut 2 bar abgesenkt werden – bei einem Fahrergewicht von 75 Kilo ist man so noch durchschlagsfrei unterwegs, und auch in Kurven schmieren die Faltreifen nicht nennenswert weg. Allerdings gilt auch für das Canyon: Leichtere Laufräder mit Schlauchreifen würden dem Rad im Gelände zu deutlich besseren Rolleigenschaften verhelfen; eine entsprechende Investition von rund 350 Euro (Laufradsatz und Reifen) würde dazu auf einen Schlag 400 Gramm rotierender Masse entsorgen und das Gewicht der fahrbereiten Maschine (8,83 Kilo zzgl. Pedale) auf unter neun Kilo drücken.
Am Inflite AL findet sich die für den Querfeldeinsport optimale Kettenblattabstufung 46/36; hinten dagegen dreht sich eine nach oben hin grob abgestufte 11-32er Kassette, die eher ans Mountainbike passt. Für den sportlichen Einsatz würden wir den enger gestuften 11-28er Kranz empfehlen, oder gleich 12-25, wenn es keine steilen Anstiege zu bewältigen gibt.
Mangels Verfügbarkeit war das Testrad mit Avid-Bremsen aufgebaut statt der Cross-spezifischen BR-CX77, die das Inflite AL in der Serie tragen wird. Chancen und Grenzen der Scheibenbremse zeigen sich an diesem Modell recht deutlich: Im direkten Vergleich zur Shimano-Bremse fällt die Avid etwas ab, bringt Rad und Fahrer jedoch sicher zum Stehen. Bei guter Dosierbarkeit lässt sich das Hinterrad ohne Probleme blockieren, was zeigt, dass im Gelände letztlich die Verzahnung zwischen Reifen und Untergrund der limitierende Faktor ist. Die vordere Bremse wiederum konnten wir ohne Bedenken voll durchziehen. Auch auf Schotter gelang es uns nicht, das Vorderrad zum Blockieren zu bringen; auf rutschigen Wurzeln haben wir das allerdings nicht probiert. Nach einigen Schlamm-Passagen und tiefen Pfützen ließ der vordere Stopper deutliche Schleifgeräusche hören; damit muss man leben, da der Spalt zwischen Bremsscheibe und Belag sehr schmal ausfällt.
Canyon spendiert seiner Bremsanlage Verstellhülsen oben an den Zügen; zunehmender Leerweg am Hebel durch schwindende Beläge lässt sich damit einfach ausgleichen. Allerdings konnten wir den Bremsgriff schon im Neuzustand bis fast an den Lenker ziehen, was nicht unbedingt für eine gute Anpassung des Avid-Bremssattels an den Shimano-Hebel spricht. In jedem Fall dürfte die Bremswirkung noch besser werden, wenn die Scheiben eingefahren sind.
Mit Rahmengröße M und einem 100er Vorbau saß unser Testfahrer eher kompakt, was vielen Geländefahrern jedoch gut zupass kommt. So kann man praktisch immer in Bremsgriffhaltung fahren, auch wenn es steil bergab geht; die Zusatzbremsgriffe, die früher ein typisches Merkmal günstigerer Crosser waren, kann man sich damit sparen.
//Fazit
Canyon liefert einen gelungenen Erstling ab, der durch die in der Serie verbauten Bremsen noch einmal gewinnen dürfte. Gut geeignet für Allround- wie sportlichen Einsatz.
//Produkthighlights
- Hochwertiger Rahmen mit bemerkenswerten Ausstattungsdetails (Stütze, Sattel)
- Kann zum Allrounder mit Träger und Schutzblechen aufgerüstet werden
- Interessanter Preis
//Preis und Web
- 1.699 Euro
- www.canyon.com