Interview: Über 850 Fachhändler zählt die Zweirad Einkaufsgenossenschaft ZEG alleine in Deutschland. Gerade erst sorgte die ZEG für Schlagzeilen durch die Übernahme der angeschlagenen Kettler Aluräder – nach Hercules 2014 und Wanderer 2013 ein weiteres Schwergewicht, das nun in Köln zu Hause ist – und eine klare Botschaft, dass bei der ZEG vor allem das E-Bike-Portfolio im Mittelpunkt steht. Gerade das die elektrifizierten Räder veränderten in den letzten Jahren den Alltag eines Fachhändlers enorm – nur zum Guten? Wir sprachen mit Jörg Prumbaum, dem Geschäftsführer des ZEG-Händlers 2-Rad Prumbaum, über den Wandel des Fahrradfachhandels im E-Bike-Zeitalter.
Herr Prumbaum, wie würden Sie den Einfluss des E-Bikes auf den Handel bewerten?
Wir haben ja bereits vor zwölf, 13 Jahren angefangen, uns intensiv mit dem Thema zu beschäftigen. In den letzen Jahren hat sich das Segment sehr stark weiterentwickelt, was zur Folge hatte, dass es auch in unserem Sortiment einen immer größeren Platz eingenommen hat. Bei uns machen E-Bikes inzwischen mehr als 50 % des Umsatzes aus.
Wirken sich die E-Bike-Verkäufe auf andere Fahrradgattungen aus?
Die Stückzahlen sind insgesamt ungefähr gleich geblieben; das Problem ist daher, dass man die normalen Fahrräder nicht aus den Augen verlieren darf. Trekkingräder etwa sind immer mehr an den Rand geschoben worden.
Werden also E-Bikes statt normaler Fahrräder gekauft?
Eine gewisse Kannibalisierung ist sicher da, aber man kann das nicht eins zu eins umrechnen. Wir haben im Trekking-Bereich gemerkt, dass wir uns im guten hochpreisigen Bereich – 800 bis 1000 Euro – eher konstant gehalten haben. Das sind dann Leute, die mit ihrem Trekkingbike jeden Tag zur Arbeit fahren und auch dabei bleiben wollen.
In der Klasse von Citybikes oder normalen Fahrrädern um 500 Euro, die nicht jeden Tag genutzt werden, sondern etwa mal für Touren am Wochenende, ist es aber so, dass die Kunden tatsächlich aufs E-Bike umsteigen. Diese Gruppe hat auch bisher nicht viel Geld fürs Fahrrad ausgegeben und kauft nun in der günstigen Klasse um 2.000 Euro. Das sind Menschen, die jetzt die Lust am E-Bike entdecken.
Führt der Trend zum E-Bike zu einem gestiegenen Beratungsbedarf?
Die Leute sind immer besser vorinformiert – zum Teil so sehr, dass sie gar nichts mehr wissen und dann doch eine komplette Beratung brauchen. Sie wissen zum Beispiel, dass sie ein Rad mit Mittelmotor möchten, müssen aber darüber hinaus auf jeden Fall beraten werden.
Was sind bei der Beratung die wichtigsten Fragen der Kunden?
Früher war die Reichweite das Thema Nummer eins bei den Kunden, wobei die Leute da viel durcheinandergeschmissen haben mit Wattstunden und Ampère. Jetzt sind die Leute über die Reichweite informiert; das Thema kommt aber immer noch, da es ja inzwischen unterschiedliche Akku-Varianten gibt. Meist kommt die Sprache aber eher am Ende des Gesprächs darauf.
Thema Nummer eins ist heute die Zuverlässigkeit, dass der Antrieb gut funktioniert. Ansonsten geht es eher um den Fahrradtyp und die Sitzposition. Spezielle Komponenten werden selten nachgefragt. Bei den Bremsen ist es so, dass die Leute beruhigt sind, wenn sie das Wort Hydraulikbremsen hören. Generell sind die Leute heute sehr offen – einerseits, weil die Modellvielfalt groß ist, aber auch, weil viele gut informiert in den Laden kommen.
Wie verhält es sich mit dem Thema Gewicht?
Bei Kunden, die aus der Stadt kommen, ist das Gewicht eher ein Thema als bei Leuten aus dem ländlichen Raum. Wer aus der Stadt kommt, legt eher Wert aufs Gewicht und auf die Möglichkeit, das Rad irgendwo unterzubringen. Es kommen aber auch Kunden, die einfach ein leichtes Rad wollen, dazu gerne auch komfortabel. Da müssen wir dann geeignete Lösungen finden.
Macht ein großes Sortiment an E-Bikes Sinn, oder könnte es besser sein, sich auf weniger Modelle zu beschränken?
Wichtig ist, dass wir sagen können: Wir haben alles da und können euch das für euch Richtige empfehlen. Die Leute sehen ja, dass sie theoretisch alles bekommen könnten und dass sie nicht nur das vorgestellt bekommen, was gerade im Laden steht.
Wie sieht es in diesem Zusammenhang mit neuen Konzepten aus, etwa E-Mountainbikes?
Man merkt ganz klar, dass die Nachfrage nach sportlichen E-Bikes größer wird. Bei uns beträgt ihr Anteil zwischen fünf und zehn Prozent, und das hilft bereits, das E-Bike aus der „Alte-Leute-Ecke“ rauszubekommen. Mit sportlichen Modellen kann sich auch der 70-Jährige damit anfreunden, auf ein E-Bike zu steigen. Jugendliche finden E-Bikes ohnehin cool; ich habe festgestellt, dass es oft eher die Älteren sind, die Berührungsängste haben.
Hat sich die Kundschaft denn generell in Richtung „jünger“ verschoben?
Auf jeden Fall. Zum einen sind die Berufspendler dazugekommen, die vorher Auto gefahren sind und jetzt das E-Bike nutzen. Auch Leasing-Kooperationen werden in diesem Bereich sehr häufig genutzt. Das sind meist jüngere Leute, und auch jüngere Familien kommen dazu – die Mutter mit dem Kinderanhänger oder Kindersitz. Wobei das noch ein bisschen schleppend läuft, denn hier herrscht oft das Bild vor, dass man nicht mehr jung und sportlich ist, wenn man E-Bike fährt.
Wie ist es mit der Nutzungsintensität der E-Bikes? Bringt es die Leute stärker zum Radfahren?
Zum einen lässt sich sagen, dass Kunden mit E-Bikes öfter zur Inspektion kommen, weil sie das Bike als technisches Gerät sehen, dass gewartet werden muss. Und es gibt kaum Leute, die sich ein E-Bike gekauft haben, es aber kaum nutzen. Gerade Kunden aus dem Bergischen Land erzählen uns ganz stolz, dass sie die 500 Meter zum Einkaufen, die sie vorher mit dem Auto gefahren sind, jetzt mit dem E-Bike zurücklegen.
Ist ein Fahrradgeschäft ohne E-Bikes heute überhaupt noch denkbar?
Bei einem größeren Laden glaube ich nicht, dass das noch funktioniert. Kleineren Geschäften kann es aber guttun, sich auf normale Fahrräder zu beschränken, da die Kunden eine große Auswahl wollen. Service und Schulungen können den Händler außerdem viel Zeit kosten.
Liegt die Zukunft denn in einer Trennung beider Sparten im Handel?
In einem größeren Laden kann ich es mir nicht getrennt vorstellen. Sicher gibt es die Idee von reinen E-Bike-Läden, und ich habe selbst mal daran gedacht, das E-Bike-Geschäft auszulagern; aber letztlich vergibt man sich da zu viel – viele Leute würden nicht unbedingt auf die Idee kommen, in ein reines E-Bike-Geschäft zu gehen. Der Gedanke, dass es ja noch ein Fahrrad ist, mit dem man auch normal, ohne Motor, fahren kann, ist vielen wichtig, und es gibt auch Kunden, die mit dem Gedanken spielen, sich ein E-Bike zu kaufen, sich dann aber doch für ein normales Fahrrad entscheiden.
Hat das E-Bike die Arbeit im Fahrradhandel zum Guten verändert oder eher komplizierter gemacht?
Ich finde es deutlich interessanter als früher, vom Beraten her wie auch in der Werkstatt. Früher sind alle zurückgewichen, wenn ein Kunde mit einem E-Bike in die Werkstatt kam. Heute freuen sich die Mitarbeiter, weil sie eine Kompetenz beweisen können, die weit über das hinaus geht, was man dem Fahrradschrauber früher so zugetraut hat. Und durch Schulungen können sie ihr Wissen permanent erweitern.
Auch der Spaß daran, Fahrräder zu verkaufen, ist deutlich größer geworden – die Begeisterung der Kunden ist doch anders als beim Fahrradkauf. Wenn die Leute mit strahlenden Augen von der Probefahrt zurückkommen, ist das für den Verkäufer ein tolles Gefühl.