Triathlon: Der Schweizer Ronnie Schildknecht gehört zu den erfolgreichsten Triathleten der jüngeren Vergangenheit und konnte inzwischen acht (!!) Mal den Ironman Zürich gewinnen. Wir hatten Gelegenheit, den 36-jährigen vom Team BMC-Etixx Pro Triathlon Team powered by Uplace beim BMC Team-up-Camp im spanischen Altea für ein Gespräch zu treffen.
Hallo Ronnie – danke, dass du dir trotz Erkältung Zeit für uns nimmst! Schon einmal gute Besserung an dieser Stelle.
Ronnie Schildknecht: Kein Problem – ich hatte die Sache schon eine Weile mit mir herumgeschleppt und die Klimaanlage im Flugzeug hat mir wohl den Rest gegeben. Allerdings nichts, was mit etwas Erholung und Tee nicht zu bewältigen wäre.
Starten wir mit etwas Erfreulichem: Triathlon bekommt ja in der Öffentlichkeit und in den Medien eine immer größere Aufmerksamkeit. Wie nimmst du das aus deiner Perspektive als Athlet wahr?
Ronnie Schildknecht: Du hast vollkommen recht. Früher war Triathlon wirklich nur eine Randsportart – das ist es zwar aus meiner Sicht immer noch zum Teil, aber hat in den vergangenen Jahren doch deutlich aufgeholt. Man hat zwar Fußball, Tennis, Radsport, aber weit entfernt von diesen ‚größeren‘ Sportarten ist Triathlon inzwischen erfreulicherweise nicht mehr. In der Schweiz hatten wir auch schon mehrmals Sportler des Jahres aus dem Triathlon [in Deutschland seit dem Wochenende auch, Anm. d. Red.].
Noch muss man aber klar sagen, dass der überwiegende Teil der Öffentlichkeit vor allem den Ironman Hawaii wahrnimmt – oder wie siehst du das?
Ronnie Schildknecht: Klar, auf jeden Fall. Hawaii steht über allem. Aber wenn man eben dieses eine Event als Ausgangspunkt sieht, kann man auf dieser Basis sicherlich aufbauen. Das große Problem ist aber noch immer, dass die Vermarktung von vielen Events einfach miserabel ist.
Das Problem der Vermarktung hört man auch immer wieder aus dem Radsport – dort gibt es auch einige wenige große Events, die scheinbar die gesamte Aufmerksamkeit bekommen…
Ronnie Schildknecht: Klar, aber egal ob Triathlon oder Radsport, es ist ein sehr komplexes Thema. Es kommt natürlich auch darauf an, wie und wo das Geld verteilt wird. Die meisten Ironman-Veranstaltungen sind sehr auf den eigenen Gewinn ausgerichtet und haben gar kein großes Interesse daran, dass auch die Sportler etwas verdienen. Vielen Veranstaltern ist es ganz recht, dass wir da in gewisser Weise ein Schattendasein führen. Langfristig sägt diese Taktik aber einfach an dem Ast auf dem wir alle zusammen sitzen. Vielleicht ändert sich das mit der immer größer werdenden Aufmerksamkeit auch etwas in Zukunft.
Hoffentlich profitiert ihr als Athleten dann auch bald von der wachsenden Aufmerksamkeit
Ronnie Schildknecht: Ach, ich kann zwar nur für mich sprechen, aber ich persönlich habe da keinen Grund mich zu beschweren. Andere Triathleten haben es sicher härter als ich, deshalb ist es gut, wenn da etwas Bewegung in die Angelegenheit kommt.
A propos große Aufmerksamkeit. Wie ist es denn für dich persönlich. Erkennen dich die Leute auf der Straße? Wirst du angesprochen?
Ronnie Schildknecht: Nun gut, die Schweizer sind was das angeht generell einfach eher zurückhaltend. Ich bemerke schon ab und an, dass mich mal jemand anschaut und sich vielleicht fragt, wo er mich schon einmal gesehen hat. Ich hatte ja auch schon den einen oder anderen TV-Auftritt, da kennen die Leute zumindest mein Gesicht. Aber wirklich angesprochen oder von Fans belagert werde ich nicht – das ist mir auch gar nicht so unrecht (lacht).
Sprechen wir mal noch kurz über die vergangene Saison. Was denn dein persönliches Highlight?
Ronnie Schildknecht: Das war sicherlich der Ironman Zürich. Es war einerseits von meiner persönlichen Leistung her das beste Rennen. Ich hätte zwar liebend gerne auf Hawaii auch nochmal diese Leistung abgerufen, aber das hat leider nicht geklappt. Aber in Zürich zum insgesamt achten Mal zu gewinnen war einfach toll.
Was war in Kona los? Du musstest ja nach dem Radfahren aufgeben.
Ronnie Schildknecht: Ja, ich war die Tage davor gesundheitlich angeschlagen. Ich war zwar schon auf Hawaii und habe trainiert, aber es hat an diesem Tag einfach nicht zusammengepasst. Schade.
Hattest du also schon am Start eine Vorahnung?
Ronnie Schildknecht: Nein, nicht unbedingt. Da war eigentlich noch alles in Ordnung – auch als ich auf das Rad gestiegen bin, war ich noch voll fokussiert und dachte, es sei noch alles drin. Aber so nach ca. 100km habe ich gespürt, dass der Tank irgendwie leer ist. Nach 120km wusste ich dann: Das wird nix. Ich kenne mich und meinen Körper inzwischen ja recht gut, dann kann ich das schon gut einschätzen. Ich habe dann im Rennen auch kein Problem zu sagen: Das war’s für heute. Das ist zwar immer frustrierend, besonders auf Hawaii, aber es nützt ja nichts.
Du hast dich ja in dieser Saison auch für eine neue Art der Vorbereitung auf Kona entschieden – ein Fehler im Rückblick?
Ronnie Schildknecht: Stimmt, ich hatte mich dafür entschieden schon einige Wochen früher anzureisen, um mich auf die Atmosphäre und das Klima einstellen zu können. Ich weiß nicht ob es ein Fehler war, aber ich würde es sicherlich nicht noch einmal so machen. Ich weiß jetzt aber, dass das nicht mein Ding war, bereue allerdings auch nicht, einmal etwas Neues probiert zu haben. Selbst wenn man so lange dabei ist wie ich, lernt man schließlich nie aus. Abgesehen davon muss man diesen Trainings-Trott, diese Routine manchmal einfach durchbrechen.
Beim nächsten Mal also aber wieder deine ‚klassische Vorbereitung‘?
Ronnie Schildknecht: Ja, ich denke schon. Da reise ich im Normalfall etwa zehn Tage vor dem Rennen an und es bleibt mir genug Zeit, mich vorzubereiten und einzustellen.
Hawaii war für dich ja leider – ganz im Gegensatz zu Zürich – nie ein wirklich gutes Pflaster. Frustriert oder verunsichert dich das?
Ronnie Schildknecht: Nein, überhaupt nicht. Es kommt einfach immer so sehr auf die Tagesform an und ich muss im Kopf auch einfach frisch bleiben. In Kona ist eigentlich immer alles drin – von Ausscheiden wie in diesem Jahr bis zum Treppchen – hoffentlich irgendwann in Zukunft. Deshalb wäre Frust ein ganz falscher Ansatz und ich glaube auch weiterhin an mich.
Dazu hast du ja auch allen Grund – du bist ja seit über zehn Jahren wirklich sehr erfolgreich – nimmst du das überhaupt noch alles wahr?
Ronnie Schildknecht: Puh, schwierig. Klar, ich freue mich über jeden neuen Erfolg – aber manchmal braucht es einfach eine kleine Verschnaufspause. In dieser Saison hab ich auch einmal gespürt: Stopp, ich brauche jetzt einfach etwas Zeit für mich und meine Gedanken. Ich bin seit 13 Jahren jetzt an der Leistungsspitze im Triathlon dabei und habe eigentlich nie wirklich zurückgeschaut. Jetzt bin ich 36 und im Herbst meiner Karriere – das alles ist so schnell an mir vorbeigezogen, Wahnsinn!
Setzt dich dieser große Erfolg unter Druck?
Ronnie Schildknecht: Nicht so sehr der Erfolg selbst, sondern eher die Erwartungen – sowohl von außen als auch von mir selbst. Aber inzwischen kann ich gut damit umgehen und es in positive Bahnen lenken. Es ist für mich mehr eine zusätzliche Motivation als eine Belastung.
Du hast es ja gesagt – 13 sehr erfolgreiche Jahre hast du bereits im Triathlon hinter dir. Ich zwinge dich jetzt einfach mal zurückzuschauen. Bist du stolz auf das, was du erreicht hast?
Ronnie Schildknecht: (lacht) Da bin ich ein spezieller Fall. Ich bin ein Typ, der immer denkt, er hätte es noch besser machen können. Ich habe nicht das Gefühl, irgendetwas Außergewöhnliches geleistet zu haben…
Na da verkaufst du dich aber deutlich unter Wert!
Ronnie Schildknecht: Das ist einfach meine Art. Stolz ist vielleicht einfach der falsche Ausdruck. Ich klopfe mir jetzt nicht andauernd auf die Schulter und sage mir ‚Haste gut gemacht!‘ – aber ich bin durchaus zufrieden mit dem was ich erreicht habe. Ich hoffe einfach, dass ich vielleicht in etwas fernerer Zukunft irgendwann zurückblicken kann und das, was alles so passiert ist und was ich geleistet habe, eher wertschätzen kann.
Das hoffe ich auch! Du hättest es dir verdient. Ich danke dir jedenfalls für das schöne Interview und wünsche viel Erfolg für die nächste Saison!