Test: In Frankreich kurz vor dem Start der Tour de France präsentierte Shimano im letzten Jahr seine neue Evolutionsstufe der Rennradspeerspitze Dura Ace. Bis heute ist jedoch lediglich die rein mechanische Variante im Handel erhältlich; in Spanien hatten wir nun Gelegenheit, auch die elektronische Di2 Gruppe mit den neuen Scheibenbremsen erstmals zu testen.
Der Öffentlichkeit vorgestellt wurden Shimanos neue Dura Ace Gruppen bereits vor einiger Zeit und die mechanische Dura Ace R9100 ist bereits an dem einen oder anderen Komplettrad verbaut. Die neue Di2 Gruppe mitsamt den ersten Dura Ace Scheibenbremsen überhaupt gab es jedoch bisher nicht zu sehen oder zu fahren. Shimano und der deutsche Vertrieb Paul Lange hatte uns deshalb in den vergangenen Tagen ins spanische Radsport-Mekka Calpe geladen, um uns die neue Gruppe im Detail vorzustellen und vor allem erste Praxiseindrücke zu sammeln.
Produktnews: Shimano Dura-Ace R9100: Leistungsmessung, Synchro-Shift und neues Design
Markt: Im Rahmen der Eurobike Media Days stellte Komponentenriese Shimano heute seine neue Dura-Ace R9100 vor. Neben des komplett neuen Designs überraschen die Japaner mit einer in die Kurbel integrierten Leistungsmessung und übernehmen die komfortable Syncho-Shift Funktion von den elektronischen MTB-Gruppen. Auch bei den Bremsen und bei den Laufrädern gibt es Entwicklungen. Seit nunmehr über […]
Der schlimmste Wintereinbruch seit Jahrzehnten an der Costa Blanca machte die Testfahrten bei strömendem Regen, einstelligen Temperaturen und stürmischen Böen zwar anspruchsvoll, kalt und unangenehm – gleichzeitig waren es jedoch perfekte Bedingungen um die neuen Komponenten auf Herz und Nieren zu testen, dazu jedoch später mehr. Zunächst möchten wir euch einen kurzen Überblick über die verfügbaren Kombinationen der neuen Dura Ace, die Nomenklatur und die jeweiligen Features geben.
Shimano Dura Ace 2017: Mechanisch, Elektronisch, Felge oder Scheibe?
In den vergangenen vier oder fünf Jahren gab es im High Performance Sektor der Straßenräder so viele neue Entwicklungen und Technologien wie vielleicht nie zuvor. Mit der neuen Dura Ace Generation bringt Shimano nun (fast) alle dieser Technologien, Features und Entwicklungen in der eigenen Topgruppe. Wenig überraschend hält man natürlich an der inzwischen fest etablierten elektronischen Di2 Technologie fest. Einige neue Features bei der Automatisierung und neue Optionen durch die bereits aus dem MTB-Bereich bekannte E-Tube App eröffnen Technik-affinen Fahrern völlig neue Möglichkeiten, zu denen wir gleich en Detail kommen werden.
Wer jedoch bereits für diese Produktgeneration auf eine kabellose Variante gehofft hatte, ähnlich SRAMs eTap, der wird diesbezüglich (noch?) enttäuscht. So sehr wir auch versuchten die anwesenden Shimano-Entwickler und Konstrukteure diesbezüglich aus der Reserve zu locken – noch blieben unsere Fragen bezüglich etwaigen Zukunftsplänen unbeantwortet. Man entschied sich jedenfalls für die 9170er Generation noch für die etablierte und zigtausendfach erprobte kabelgebundene Di2 Technologie, um gerade auch im Pro Peloton diese 1000%ige Funktionsgarantie auch weiterhin geben zu können.
Nach wie vor im Programm bleibt auch eine mechanische Variante der Straßen-Speerspitze des japanischen Fahrradriesen. Gerade im OEM Bereich sei hier die Nachfrage noch immer riesig und für preisbewusste Käufer, die jedoch nicht auf eine Dura Ace Gruppe verzichten möchten, bleibt diese so auch 2017 eine attraktive Option.
Mit viel Spannung wurde neben der Wireless-Thematik auch Shimanos Ansatz bei den Bremsen erwartet. So ist es zwar einerseits keine riesige Überraschung, dass es in diesem Jahr erstmals dezidierte Scheibenbremsen auf Dura Ace Level geben wird, andererseits ist dies dennoch bemerkenswert, denn es handelt sich dabei laut Aussagen von Shimano um das ersten Scheibenbremssystem überhaupt, das von Anfang bis Ende auf den Einsatz im Straßenbereich entwickelt wurde.
Felgenbrems-Fans können jedoch durchatmen – selbstverständlich wird es auch nach wie vor Felgenbremsen auf Dura Ace Niveau geben. Dass man auch nach wie vor an diese bewährte Bremstechnik glaubt und nicht alles auf die Karte Disc setzen möchte, zeigen einige technische Neuerungen bei den Dura Ace Dual Pivot Bremsen. Die Arme wurden verlängert und in ihrer Form angepasst, um zukünftig auch für die immer beliebter werdenden 28mm breiten Reifen genügend Platz zu bieten. Damit darunter jedoch die Bremskraft und der Druckpunkt nicht leiden, setzt man nun auf einen Brakebooster, der standardmäßig mit allen Bremsen ausgeliefert wird, integraler Bestandteil und nicht abnehmbar ist. Trotz des zusätzlichen Bauteils sind die neuen Felgenbremsen jedoch nur rund 5g schwerer als ihre direkten Vorgänger.
Shimano Dura Ace 2017: Die Scheibenbremse unter der Lupe
Da ist sie also – die erste Scheibenbremse auf Dura Ace Niveau und die erste Disc Brake aus dem Hause Shimano, bei der jedes einzelne Teil konsequent und zu 100% auf den Straßeneinsatz entwickelt wurde. Nach den zahlreichen und äußerst emotional geführten Diskussionen im Pro-Peloton nach der chaotischen Testphase zu Beginn der vergangenen Saison vor allem in Bezug auf ein mögliches Verletzungsrisiko wanderte unser Blick und unsere Finger zuallererst in Richtung der neuen Bremsscheibe. Keine Abdeckung also – doch ein kurzer Test mit dem Daumen an den Außenkanten bestätigt unsere Vermutungen im Vorfeld, denn sie fühlen sich deutlich weniger „kantig“ an als noch zuvor.
Wir sprechen Shimano Entwickler Tim Gerrits darauf an, der uns gegenüber bestätigt, dass die Kanten der neuen Dura Ace Bremsscheiben nun während der Produktion „entschärft“ werden. Ein Eingeständnis also? Keinesfalls meint Tim, sondern es handelt sich viel mehr um eine politische Entscheidung. Die UCI schreibt seit dieser Saison nämlich für alle eingesetzten Bremsscheiben im Profibereich vor, dass der Kantenwinkel weniger als 90° betragen muss. Man sei zwar nach wie vor der Überzeugung, dass auch eine 90° Kante kein Verletzungsrisiko berge, aber beuge sich eben den Vorgaben. Derzeit werden ausschließlich die Dura Ace Scheiben in dieser Form hergestellt, ob und wann die übrigen Shimano Bremsscheiben folgen werden, ist derzeit noch unklar.
Doch auch von der Kante abgesehen gibt es einige erwähnenswerte Features: Für eine optimale Wärmeverteilung sorgen die schwarzen Kühlelemente aus Aluminium, die die komplette Innenseite der Scheibe bis zur Centerlock-Aufnahme abdecken. Das ist deshalb so entscheidend, da eben jene Centerlock Aufnahme ein entscheidender Faktor bei der Wärmeabfuhr ist. Aus diesem Grund wird es die Dura Ace Scheiben auch nicht für 6-loch Aufnahme geben. Der schmalere Aufnahmebereich würde sich zu stark negativ auf das thermische Verhalten auswirken. Die IceTec Freeza Technologie soll mit ihrem Kern aus Aluminium zudem die Wärme auch während längeren Bremsmanövern zuverlässig von der Bremsfläche ableiten. Bei den Scheibengrößen bleibt die Wahl zwischen 140mm und 160mm.
Kommen wir von der Scheibe nun jedoch zur Bremse selbst. Der Bremssattel ist eine komplette Neuentwicklung und wurde für genau die Anforderungen auf der Straße konzipiert und konstruiert. Besonderen Fokus legte man neben der Bremskraft vor alle auf die -modulation. So soll die Dura Ace deutlich besser und feinfühliger dosierbar sein als beispielsweise ihr Ultegra-Pendant, die technisch auf der XT Bremse vom Mountainbike basiert. Ebenso war man um eine unauffällige und unauffällige Optik bemüht, was unserer Meinung nach sehr gut gelungen ist. Gerade in Kombination mit der schwarzen Bremsscheibe ist das Gesamtpaket gerade an einem schlanken Rennrad deutlich gelungener als das beispielsweise bei der RS785 der Fall ist.
Die Montage erfolgt durch den Shimano-Eigenen Flatmount Standard, der es im Falle der Vorderbremse auch ermöglicht, ohne Adapter zwischen 140mm und 160mm Scheibe zu wechseln, indem der Sattel durch die vorhandenen alternativen Bohrungen nach oben oder unten verschoben wird. Die Hinterradbremse hingegen wird ohne Adapter nur mit 140mm Scheiben kompatibel sein, was allerdings in den allermeisten Fällen auch völlig ausreichend sein dürfte.
Auch am anderen Ende der Bremsleitung gibt es einige Neuerungen zu vermelden. Die große Herausforderung für die Konstrukteure der STI Griffe war es, die bewährte Ergonomie beizubehalten und gleichzeitig Platzfresser wie den Ausgleichsbehälter für das Mineralöl der Scheibenbremse unterzubekommen. Und tatsächlich: Die finalen Versionen der vier STI Varianten (mechanisch/mechanisch, mechanisch/hydraulisch, elektronisch/mechanisch und elektronisch/hydraulisch) sind auf den ersten Blick kaum voneinander zu unterscheiden. Die Scheibenbremsvarianten bauen lediglich im oberen Griffbereich minimal auf – jedoch zeigt der Grifftest, dass sich die Ergonomie dadurch nicht verändert.
Shimano Dura Ace 2017: Neue Schaltwerksanlenkung und 11-30 Kassette
Beim Schaltwerk der neuen Dura Ace fällt auf den ersten Blick natürlich das neue Design auf – nach wie vor edel, in Formsprache und allgemeiner Optik jedoch einen Ticken technischer und futuristischer als noch zuvor. Gleich danach dürfte Dura Ace Kennern das zusätzliche Gelenk für die Rahmenmontage auffallen, das den Hauptdrehpunkt etwas hinter das Schaltauge verlagert. Dies ist bereits aus dem MTB-Bereich bekannt und hat mit dem Aufstieg von Steckachsen bei Rennrädern zu tun.
Während das Laufrad bei traditionellen Ausfallenden für Schnellspanner eher nach vorn entnommen wird, fällt es bei Steckachsen fast senkrecht nach unten aus dem Rahmen. Bei der herkömmlichen Schaltwerksmontage direkt am Schaltauge kommen sich beim schnellen Wechsel eines Laufrads mit Steckachse – beispielsweise während des Rennens – aber Schaltwerk und Kassette in die Quere und der Wechsel kostet wertvolle Zeit. Das zusätzliche Gelenk ermöglicht es aber jetzt, das Schaltwerk schnell und einfach nach hinten wegzuklappen – so kann das Laufrad schnell und einfach direkt nach unten entnommen werden.
Neu ist außerdem die Kassette mit 11-30 Bandbreite. Man reagierte damit ausdrücklich auf die Wünsche der Profiteams, bei denen einige Fahrer in der Vergangenheit je nach Rennen und Saisonphase auch auf 11-32 Kassetten aus der Ultegra Reihe zurückgriffen. Das machte jedoch angesichts des zu kurzen Käfigs beim Dura Ace Schaltwerk ebenso den Einsatz eines Ultegra Schaltwerks nötig. Man sah bei Shimano also zwei Möglichkeiten, um diesem Problem entgegenzutreten: Entweder Kassetten auf Dura Ace Niveau bis zu einer maximalen Ritzelgröße von 32 Zähnen und zwei verschiedenen Schaltwerkslängen oder ein leicht modifiziertes Schaltwerk und eine 11-30 Kassette. Unisono entschieden sich die Teams für letztere Option. Die neue Kassette kommt in der Abstufung 11-12-13-14-15-17-19-21-24-27-30 und bringt 211g auf die Waage. Die fünf größten Ritzel bestehen wie bei den übrigen Varianten aus Titan.
Shimano Dura Ace 2017: Bluetooth, Synchro-Shift und E-Tube App
Konsequente Weiterentwicklung ist auch bei Shimanos Di2 Technologie angesagt. Hierbei ‚erbt‘ die neue Dura Ace einige der Features die im Zuge der MTB Di2 Gruppen XTR und XT in den letzten Jahren eingeführt und bereits ausführlich getestet wurden. Hierzu zählen beispielsweise die beiden optionalen Synchro-Shift Modi:
Shimano Dura Ace Semi Synchro Shift: Beim Wechsel des Kettenblatts übernimmt das Schaltwerk automatisch das Gegenschalten auf der Kassette, um den Gangsprung harmonisch zu gestalten.
Shimano Dura Ace Synchro Shift: An einem vordefinierten Punkt übernimmt Di2 beim Schalten automatisch den Wechsel des Kettenblatts.
Der Synchro Shift Modus dürfte insbesondere für Triathleten und Zeitfahrspezialisten interessant sein: So ist es beispielsweise möglich, dass man mit zwei Zusatzbuttons am Aufbau alle verfügbaren Gänge durchzuschalten, ohne für den Wechsel des Kettenblatts die Aeroposition verlassen zu müssen. Beide Modi lassen sich mit der neuen E-Tube App für Smartphones und Tablets auf die eigenen Vorlieben anpassen. Die Software wurde mit der Markteinführung der XT Di2 im letzten Jahr vorgestellt und wurde bei ihrem Funktionsumfang stetig erweitert. Nach dem Verbinden mit dem Antrieb muss einmalig die Verwendete Übersetzung (Kettenblätter und Kassette) angegeben werden. Daraus berechnet die App die verfügbaren effektiven Gänge, den entsprechenden Kettenschräglauf und Gangkombinationen.
In dieser Tabelle lassen sich dann beispielsweise der Moment für den Kettenblattwechsel im Synchro Modus oder das Gegenschalten im Semi Synchro Mode definieren. Insgesamt fünf vordefinierte Schaltprofile lassen sich in der E-Tube App für jede Schaltung hinterlegen. Zwei davon lassen sich hinterlegen und können neben dem komplett manuellen Modus direkt am Rad aktiviert und gewechselt werden. Zudem lassen sich in der E-Tube App sämtliche Knöpfe und Zusatztaster frei belegen – dazu zählen auch die Buttons unter den Hoods. Mit diesen lassen sich so beispielsweise die Anzeigen im Garmin durchwechseln.
Möglich wird all das durch das Zusammenspiel aus neuem Akku und neuer Verteilerbox. Bei letzterer hat man auf die Wünsche der Kunden gehört und das optisch wenig ansprechende Kästchen auf der Unterseite des Vorbaus ist ab 2017 Geschichte: Die neue Verteilerbox ersetzt eines der beiden Barends und fügt sich optisch fast unsichtbar in das Gesamtsystem ein. Neben einem Ladeport sitzen hier zwei LEDs und ein kleiner Taster. Über diesen lassen sich nun durch zweimaliges Drücken auch die drei Schaltmodi (Synchro, Semi-Synchro und Manuell) durchwechseln, was die LEDs mit einem entsprechenden Blinken quittieren.
Mit der neuen Platzierung der Verteilerbox geht auch eine seitens Shimano optimierte Kabelführung einher. Hierfür gibt es zukünftig ein Y-Kabel, das sämtliche Steuerelemente am Cockpit mitsamt Verteilerbox mit Schaltwerk, Umwerfer und ggf. dem Akku verbindet. So lassen sich zukünftig Lenker und Vorbau wesentlich schneller vom Gesamtsystem trennen und wieder verbinden, zum Beispiel wenn das Rad für Reisen demontiert werden muss.
Wer seine bestehende Di2 Schaltung mit E-Tube Kompatibel machen möchte, der benötigt dafür nur den neuen Akku und die neue D-Fly Einheit, in der auch die dafür notwendige Bluetooth-Antenne sitzt. Kostenpunkt für beide Bauteile: Zwischen 200€ (externer Akku) und 250€ (interner Akku).
Shimano Dura Ace 2017: Die Leistungsmesskurbel – pragmatisch, schlicht und funktional
Für einiges Aufsehen sorgte Shimanos Ankündigung im Sommer, dass es in der 9100er Dura Ace Gruppe auch erstmals einen Powermeter geben wird. Damit schürte man natürlich hohe Erwartungen und betritt auch ein hart umkämpftes Gebiet, in dem sich Platzhirsch SRM mit einigen anderen Anwärtern wie Power2Max und Rotor um einen verhältnismäßig kleinen potentiellen Kundenkreis streitet.
Rein optisch ist die Leistungsmess-Variante der neuen Dura Ace Kurbel kaum von der Standardversion zu unterscheiden. Lediglich ein kleines Kästchen am Spider weist auf die inneren Werte hin. Neben zwei LEDs befindet sich dort ein Button über den sich der Powermeter kalibrieren lässt und eine Ladebuchse. Letztere besitzt einen magnetischen Anschluss der 100%ig wasserdicht ist – wovon wir uns während unserer Testfahrt auch ausgiebigst überzeugen konnten. Die übrige Technik versteckt sich komplett im Inneren: Der Akku sitzt in der Kurbelachse und im Inneren der Kurbelarme befinden sich die Dehnmessstreifen, über die dann die Leistung errechnet wird. Der linke Kurbelarm ist mit einer einfachen Steckverbindung mit dem restlichen System verbunden und lässt sich problemlos abnehmen.
Über ANT+ sendet der Leistungsmesser schließlich die entsprechenden Daten, die an einem entsprechenden Endgerät ausgelesen werden können. Shimano verspricht bei der Genauigkeit mit Branchenprimus SRM mithalten zu können. Prototypentests während der letzten Saison an den Trainingsrädern einiger FDJ Profis unterstrichen außerdem einen großen Vorteil des Shimano Leistungsmesser: Er ist extrem energieeffizient. Selbst beim Trainingspensum der Profis hielt eine Ladung zwischen drei und vier Monaten durch. Wer sich bezüglich des etwaigen Mehrgewichts Sorgen macht: Die Leistungsmesskurbel soll nur ca. 50g schwerer sein als das Pendant ohne Powermeter.
Shimano Dura Ace 2017: C60 Aero Laufräder als Clincher, Tubular und Disc
Auch bei den Laufrädern wird sich mit der neuen Shimano Dura Ace Generation einiges tun: Bei der Felgenhöhe schwimmt man etwas gegen den Strom und setzt zukünftig auf 40mm und 60mm statt dem zuvor eingeschlagenen Mittelweg mit 50mm. Das ist vor allem deshalb spannend, da der Trend in den letzten zwei, drei Jahren eher hin zur Allroundgröße zwischen 40 und 50mm ging und viele Hersteller sich sogar ganz von den hohen Aerofelgen verabschiedeten.
Die neuen Laufräder werden sowohl für Felgen- als auch für Scheibenbremsen erhältlich sein und kommen ebenso sowohl für Schlauchreifen wie auch für Clincher – letztere sind allesamt auch für Tubeless kompatibel. Während die Tubular- und Scheibenbremsvarianten auf Vollcarbonfelgen setzen, hält man bei der Clincherfelge für Felgenbremsen an dem bereits zuvor verwendeten Kern aus Aluminium fest – man möchte das Bremsverhalten nicht für einige Gramm Gewichtsersparnis opfern und geht hier lieber den sicheren Weg. Interessant außerdem: Die Disc-Laufräder kommen ausschließlich mit 12mm Steckachse – wer hier auf einen Schnellspanner angewiesen ist, schaut in die Röhre.
Bei den Felgen handelt es sich um Neuentwicklungen und man verbrachte viele Stunden mit Simulationen und im Windkanal um hier ein möglichst günstiges Fahrverhalten bei gleichzeitig guter Aerodynamik zu erreichen. Zumindest die präsentierten Daten lassen den Schluss zu, dass man dieses Ziel erreichen konnte. Erwähnenswert ist auch die im Trend liegende großzügige Felgenbreite: Bei den Clinchern 20,8mm, bei Tubular 28mm.
Shimano Dura Ace 2017: First Ride mit Felgen- und Scheibenbremse
Kommen wir nach so viel Theorie nun aber endlich zu den ersten Fahreindrücken mit der neuen Shiman Dura Ace Di2. Ich hatte während unseres Pressecamps in Calpe Gelegenheit, sowohl die Variante mit klassischen Felgenbremsen als auch die neue Scheibenbremse zu testen. Die R9150 war an einem Trek Emonda SLR montiert, für die Scheibenbremse durfte ich auf einem wunderschönen S-Works Venge mit glitzernder Regenbogenlackierung von Peter Sagan Platz nehmen.
Die Bedingungen während unseres Aufenthalts an der spanischen Ostküste waren wie eingangs erwähnt eher ungemütlich. Um die Performance der Schaltgruppe, der Bremsen und auch der Laufräder zu testen war es jedoch eine perfekte Spielwiese. Ein kleiner Makel begegnete mir jedoch noch bevor ich zum ersten Mal richtig in die Pedale trat: Der winzige Taster an der neuen Di2 Verteilerbox lässt sich nur sehr schwer drücken und das Umschalten zwischen den verschiedenen Schaltmodi gerät somit ein wenig zum Geduldsspiel. Angesichts der Tatsache, dass man den gewünschten Schaltmodus jedoch wohl kaum jeden Tag ändert, ist dies in der Praxis eher zu vernachlässigen.
Shimano Dura Ace Di2 Test: Schaltmodi und Performance
Der Vergleichbarkeit halber startete ich Anfangs mit dem gewohnten, manuellen Schaltmodus. Bei der nackten Performance gibt es Dura Ace-typisch rein gar nichts auszusetzen: Die Schaltvorgänge sind schnell und präzise, Kettenblattwechsel erfolgen auch in hektischen Situationen schnell genug und das meist sogar beinahe geräuschlos. Selbst exotische Schaltmanöver unter Last führt Shimanos Topgruppe wie gewohnt ohne Murren oder Zicken aus.
Die STIs taten sich positiv hervor: Einen richtig guten Job haben die Entwickler vor allem an der Hydraulikvariante der R9170er Serie gemacht: Diese ist wirklich kaum von dem Modell für mechanische Bremsen zu unterscheiden und bei der Ergonomie konnten wir keinerlei Unterschiede feststellen. Angesichts der kalten Temperaturen die uns in dicke Langfingerhandschuhe zwangen waren wir auch von den neuen Tastern der Schalthebel angetan, die einen Druck mit einem deutlich klareren und besser fühlbaren Klick quittieren als ihre Vorgänger.
Natürlich verbrachte ich auch einige Kilometer in den neuen automatisierten Schaltmodi. Den für viele Fahrer sicherlich interessanten Semi Synchro Shift Modus probierte ich zuerst: Eigentlich bleibt hier alles beim Alten, doch das manuelle Gegenschalten auf der Kassette beim Wechsel des Kettenblatts fällt weg. Das benötigt ein wenig Umgewöhnungszeit, da das manuelle Gegenschalten für viele wahrscheinlich schon dazugehört. Überlässt man dieses jedoch der Elektronik, funktioniert es echt gut und zuverlässig; einzig die relativ lange Pause zwischen Kettenblattwechsel und dem Gegenschalten am Schaltwerk empfand ich als nicht ganz optimal.
Auch dem Synchro Shift Modus gab ich eine Chance: Über die knapp zweistündige Ausfahrt über einige größere und kleinere Hügel der Region musste ich nicht ein einziges Mal den linken Shifter betätigen, da dies die Di2 Schaltung automatisch übernahm. Ein komisches Gefühl und sicherlich auch nicht jedermanns Sache – immerhin bleiben die Tasten am linken Hebel jedoch aktiv, man kann also jederzeit auch manuell eingreifen und das Kettenblatt selbst wechseln.
Shimano Dura Ace Di2 Test: Die Bremsen
Am ersten Tag saß ich auf dem felgengebremsten Emonda und die neuen Dura Ace Bremsen machten zusammen mit den C60 Laufrädern eine gewohnt gute Figur. Die wechselhaften Bedingungen ohne Regen, jedoch mit nasser Straße und vielen Pfützen machten eine angepasste Fahrweise nötig, da ich nie so recht wusste, wie nass oder trocken meine Bremsflanken sind. Denn bei aller Weiterentwicklung kann man auch in Japan nicht zaubern und die Bremskraft auf den nassen Carbonflanken lässt zu wünschen übrig. Sobald jedoch das Wasser runter ist, gibt es kaum etwas auszusetzen. Unterschiede zur vorherigen Generation konnte ich kaum erfühlen, insofern macht der neue Brake Booster einen guten Job und kompensiert die etwas ungünstigeren Hebelkräfte mit Erfolg.
Am nächsten Tag wechselte ich auf ein Specialized S-Works Venge mit den neuen Scheibenbremsen und war angesichts der – um es vorsichtig auszudrücken – feuchten Bedingungen wirklich froh darüber. Gleich nach unserem Start fanden wir uns in Calpe auf einer überfluteten Straße wieder und standen teilweise bis zum Tretlager im Wasser. Wer also Bedenken hat, Powermeter oder Di2 wären nicht wasserdicht: Das dürften wir mit diesem ungeplanten Extremtest erfolgreich widerlegt haben.
Auch die restliche Fahrt war im strömenden Regen genau das richtige Terrain, um den neuen Bremsen ordentlich auf den Zahn zu fühlen. Bremsvorgänge beantworten die hydraulischen Stopper akustisch anfangs mit einem kurzen Quietschen, doch Bremskraft und -gefühl sind gleich wie in trockenen Bedingungen. Apropos Bremskraft: Ich hatte das Gefühl, dass die Dura Ace Bremsen insgesamt ein wenig schwächer zupacken wie die Ultegra Bremse. Versteht mich nicht falsch: Die Power ist insgesamt vollkommen ausreichend, ein beherzter Griff am linken Hebel führt auch hier dazu, dass sich das Hinterrad vom Asphalt löst. Der Bereich vom Einsetzen der Bremskraft bis zum endgültigen Blockieren des Laufrads ist jedoch ein wenig größer als an den bisherigen hydraulischen Shimano Stoppern.
Gerade in den sehr nassen Bedingungen vermittelte mir die Scheibenbremse sehr viel Sicherheit, gerade angesichts der Tatsache, dass ich auch das Rad und die Strecke nicht so gut kannte wie das im heimischen Terrain der Fall ist. Auch ängstliches Schleifbremsen während längerer Abfahrten auf nassem Asphalt brachten die neuen Scheiben überdies nicht in Hitzeprobleme und etwaiges Fading konnte ich zu keiner Zeit feststellen. An meinem Testrad war am Vorderrad eine 160mm Scheibe verbaut, die ich aus diesem Grund auch jedem Fahrer über 75kg empfehlen würde – die wenigen Gramm Mehrgewicht ist die deutlich bessere Fadingresistenz allemal wert.
Shimano Dura Ace Di2 Test: C60 Aero Laufräder
Doch nicht nur für das Bremssystem waren die Bedingungen des Pressecamps harte Bedigungen, auch die Dura Ace C60 Laufräder wurden auf einen harten Prüfstand gestellt. Immer wieder fegten starke Böen aus wechselnden Richtungen über den Asphalt. Klar, das ist keine Paradedisziplin für 60mm hohe Felgen, denn gerade am Vorderrad erfordert es hier viel Ruhe und Konzentration um nicht „vom Winde verweht“ zu werden. So waren die Böen natürlich auch mit den neuen Dura Ace Laufrädern deutlich spürbar, blieben aber dennoch berechenbar. Die wenigen eher kurzen Fahrten bleiben bezüglich der Laufräder jedoch aber eher ein Muster mit bedingtem Wert – wir werden aber sicherlich im Laufe der Saison nochmals Gelegenheit haben, die neuen Laufräder ausführlich und in passenden Bedingungen testen zu können.
Shimano Dura Ace Di2 Test: Fazit
Zugegeben: Ein ganz klein wenig enttäuscht waren wir bei der Neuigkeitenpräsentation der neuen Dura Ace schon. Keine bahnbrechenden Neuerungen, stattdessen eine sorgfältige Weiterentwicklung, Evolution statt Revolution sozusagen. Nach den ersten echten Kilometern mit den neuen Gruppen ist die anfängliche Enttäuschung jedoch fast vergessen. Die Gruppe funktioniert einfach nach wie vor hervorragend, mit den optisch wie technisch gelungenen Scheibenbremsen, der App-Funktionalität und nicht zuletzt der Leistungsmesskurbel gibt es zudem einige nützliche Neuerungen.
Keine Überraschungen also, keine bahnbrechenden neuen Entwicklungen, dafür aber Performance auf einem gewohnt exzellent hohem Niveau mit zukunftssicheren Detailverbesserungen. Auch 2017 dürfte Dura Ace für viele Fahrer nach wie vor der Benchmark in Sachen Rennrad sein.
Shimano Dura Ace 2017: Preise, Gewichte und Verfügbarkeit
Abschließend noch einige Worte zu den beiden brennenden Fragen: Wann und wie viel?
Beide Fragen können wir für den deutschen Markt momentan noch nicht mit 100%iger Gewissheit beantworten. Die mechanische Gruppe mit Felgenbremsen ist bereits zum Preis von ca. 1.700€ im Handel erhältlich. Die Di2 Variante dürfte bereits in naher Zukunft folgen, dabei jedoch eher im Preisbereich um 2.500€ liegen. Noch ein wenig Geduld müssen wohl Freunde der Scheibenbremse aufbringen: Die Dura Ace R9170 und R9120 werden voraussichtlich im Laufe des Frühjahrs bei uns erhältlich sein und preislich etwas über den Versionen mit Felgenbremsen liegen.
Noch mehr Geduld brauchen diejenigen, die auf die Leistungsmesskurbel warten: Hier wird es wohl bis Juni dauern, bis diese hierzulande erhältlich sein wird.
Nachfolgend findet ihr die einzelnen Komponentenpreise für den deutschen Markt. Wie bei Shimano üblich handelt es sich dabei (von Kette und Kassette abgesehen) um keine empfohlenen Verkaufspreise, sondern lediglich um Zirka-Verkaufspreise.
Bauteil | Ausführung | Teilenummer | Preis |
---|---|---|---|
Di2 |
|||
Schalt-/Bremshebel Di2/Scheibenbremse | links | I-STR9170L | 479,95€ |
Schalt-/Bremshebel Di2/Scheibenbremse | rechts | I-STR9170R | 479,95€ |
Schalt-/Bremshebel Di2/Felgenbremse | Paar | I-STR9150PA | 799,95€ |
Umwerfer Di2 | I-FDR9150F | 479,95€ | |
Umwerfer-Adapter fr Di2-Umwerfer | Schelle 34,9 | I-SMAD91L | 11,95€ |
Umwerfer-Adapter fr Di2-Umwerfer | Schelle 31,8 mit Adapter 28,6 | I-SMAD91MS | 12,95€ |
Schaltwerk Di2 | SS | I-RDR9150SS | 769,95€ |
Y-Kabel | I-EWJC130MM | 72,95€ | |
Akku | Intern | I-BT-DN1101 | 179,95€ |
Verteiler | Extern | I-EWRS911 | 122,95€ |
D-Fly | Bluetooth/ANT+ | I-EWWU111 | 98,95€ |
Mechanisch |
|||
Schalt-/Bremshebel mechanisch/Scheibenbremse | links | I-STR9120LI | 399,95€ |
Schalt-/Bremshebel mechanisch/Scheibenbremse | rechts | I-STR9120RI | 399,95€ |
Schalt-/Bremshebel mechanisch/Felgenbremse | Paar | I-STR9100PA | 639,95€ |
Umwerfer mechanisch | Anlt | I-FDR9100F | 139,95€ |
Umwerfer mechanisch | Schelle 34,9 | I-FDR9100BL | 149,95€ |
Umwerfer mechanisch | Schelle 31,8 m. Adapter 28,6 | I-FDR9100BSM | 149,95€ |
Schaltwerk mechanisch | SS | I-RDR9100SS | 267,95€ |
Allgemein |
|||
Kurbelgarnitur | 2-fach: 50/34, 52/36, 53/39 | I-FCR9100 | 699,95€ |
Kurbelgarnitur | 2-fach: 54/42, 55/42 | I-FCR9100 | 729,95€ |
Kurbelgarnitur | 2-fach mit Powermeter | I-FCR9100-P | 1.799,95€ |
Scheibenbremse Di2 | ST-R9170/BR-R9170, VR | I-R9170DLF4SA10A | 699,95€ |
Scheibenbremse Di2 | ST-R9170/BR-R9170, HR | I-R9170DRRDSA17A | 699,95€ |
Scheibenbremse mechanisch | ST-R9120/BR-R9170, VR | I-R9120DLF4SA10A | 619,95€ |
Scheibenbermse mechanisch | ST-R9120/BR-R9170, HR | I-R9120DRRDSA17A | 624,95€ |
Scheibenbremssattel | Flat-Mount, Vorderrad | I-BRR9170F1RF | 179,95€ |
Scheibenbremssattel | Flat-Mount, Hinterrad | I-BRR9170R1RF | 174,95€ |
Bremszange mechanisch | Vorderrad | I-BRR9100AF82X | 224,95€ |
Bremszange mechanisch | Hinterrad | I-BRR9100AR82A | 219,95€ |
Bremszange mechanisch Direct Mount | Vorderrad | I-BRR9110F82 | 234,95€ |
Bremszange mechanisch Direct Mount | Hinterrad, Montage Kettenstrebe | I-BRR9110R82 | 229,95€ |
Bremszange mechanisch Direct Mount | Hinterrad, Montage Sattelstrebe | I-BRR9110RS82 | 234,95€ |
Bremsscheibe SM-RT900 | 140 mm | I-SMRT900SS | 84,95€ |
Bremsscheibe SM-RT900 | 160 mm | I-SMRT900S | 84,95€ |
Kette | I-CNHG901 | 54,95€ | |
Kassette | I-CSR9100 | 299,95€ |
Informationen zu den einzelnen Gewichten sind noch spärlich. Was wir jedoch bereits in Erfahrung bringen konnten, findet ihr nachfolgend.
Bauteil | Gewicht |
---|---|
Schaltwerk Di2 | 204g |
Schaltwerk mechanisch | 158g |
Umwerfer Di2 | 104g |
Umwerfer mechanisch | 69g |
STI Disc / Di2 | 360g |
STI Disc / mechanisch | 365g |
STI Felge / Di2 | 230g |
STI Felge / mechanisch | 252g |
Bremssattel Disc V/H | 515g |
Felgenbremse DM | 326g |
Felgenbremse Standard | 307g |
Kurbel | 621g (170mm / 53-39) |
Leistungsmesskurbel | ca. 680g |
LRS 24mm Clincher | 1412g |
LRS 40mm Clincher | 1527g |
LRS 60mm Clincher | 1770g |
LRS 40mm Tubular | 1343g |
LRS 60mm Tubular | 1471g |
LRS 40mm Clincher Disc | 1557g |
LRS 60mm Clincher Disc | 1644g |
LRS 40mm Tubular Disc | 1389g |
LRS 60mm Tubular Disc | 1492g |