Test: Der spanische Anbieter Rotor präsentiert nach mehrjähriger Entwicklungsarbeit mit der Rotor Uno die weltweit erste hydraulische Rennradschaltung. Velomotion hat herausgefunden, ob das neue System mit den aktuellen mechanischen und elektronischen Schaltungen mithalten kann.
Rotor Uno: Kann man die Fahrradschaltung neu erfinden?
An Mountainbike und Cityrad deuten rahmenfeste Getriebe und sogar eine stufenlose Nabenschaltung an, dass durchaus noch Raum für innovative Entwicklungen ist. Beim Rennrad stellt sich die Sache jedoch anders dar: Bislang scheint es so, als würde die Kettenschaltung auch langfristig alternativlos bleiben. Wer am Markt mitmischen will, muss die bewährte Technik also auf individuelle Weise abwandeln, ohne sich allzu weit vom bestehenden Standard zu entfernen.
Doch genau hier liegt das Problem: Mit jeder neuen Entwicklung sind die Spielräume vor allem patentrechtlich kleiner geworden. Und eine komplett neue Schaltmechanik zu entwickeln, die dennoch den funktionellen und ergonomischen Anforderungen des Rennradfahrens gerecht wird, ist kaum möglich.
Rotor Uno: fünf verschiedene Schaltgruppen auf dem Rennrad-Markt
Und das ist einer der Gründe dafür, warum sich Hersteller Rotor gar nicht lange mit mechanischen Lösungen aufgehalten hat, sondern mit der Rotor Uno eine hydraulische Schaltung anstrebte, die nun am Markt erhältlich ist. Zur Erinnerung: Rotor legte los mit Q-Rings, den asymmetrischen Kettenblättern, fügte seinem Sortiment leichte Alu-Kurbeln hinzu und brachte dann mit InPower ein eigenes Powermeter auf den Markt, dazu Accessoires wie den häufig verbauten Kettenfänger. Nun also eine Schaltung, womit die Spanier nach Shimano, Campagnolo, SRAM und FSA Komplettgruppen-Anbieter Nummer fünf wären – doch ihr System ist ziemlich einzigartig.
Der Schaltgriff wirkt im Prinzip wie eine hydraulische Pumpe, die Druck aufs System gibt und damit das Schaltwerk nach innen schiebt. Wird der Druck wieder reduziert, zieht eine Feder das Schaltwerk zurück nach außen. Für die notwendige Rasterung sorgt eine Mechanik, die im Schaltwerk bzw. im Umwerfer integriert ist. Im Falle des Schaltwerks ist die Rasterung sogar sichtbar: Es ist eine feine Zahnstange unterhalb der Trommel hinten am Schaltwerk.
Um das Schaltwerk zu justieren, dreht man eine kleine Inbusschraube, die die Position der Zahnstange verändert. Dadurch wandert das Schaltwerk beim Gangwechsel weiter nach innen oder nach außen. Auf die Hydraulik hat diese Justage keinen Einfluss. Sie ist quasi eine Endlosschleife; dass sich die Schaltung verstellt, ist daher im Grunde unmöglich. Dadurch, dass Hebel und Schaltwerk nicht mechanisch verbunden sind, kann man das Schaltwerk mit der Hand auf ein beliebiges Ritzel nach innen drücken, wo es dann stehen bleibt.
Von dort aus kann man dann ganz normal in beide Richtungen weiterschalten. Ein Hebel an der Hydraulik-Trommel entkoppelt das Schaltwerk von der Zahnstange, so dass es nach außen aufs kleinste Ritzel wandert. Das ist sehr praktisch beim Laufradwechsel – man muss nicht langwierig auf das Abschlussritzel schalten und sobald das neue Laufrad drin ist, kann man das Schaltwerk wie beschrieben auf den zum Anfahren optimalen Gang drücken (wobei man natürlich die Kurbeln drehen muss).
Eine Anschlagsbegrenzung nach innen und außen fehlt bei der Uno; über den von der Rasterung vorgegebenen Bereich kann man nämlich ohnehin nicht schalten. Dafür lässt sich einstellen, wie viele Schaltschritte sich en bloc von „schwer“ nach „leicht“ vollführen lassen sollen – mindestens einer, maximal vier.
Rotor Uno: hydraulische Felgenbremsen von Magura
Auch optisch weicht die Rotor Uno stark vom Gewohnten ab. Das filigrane Schaltwerk wirkt mit den Rundungen der Schwinge fast etwas klassisch; die von Magura beigesteuerten hydraulischen Felgenbremsen haben einen technischen Industrial-Look. Ein Hingucker ist die schwarz-rote KMC-Kette. Die Hydraulik-Trommel am Umwerfer fällt im Zeitalter elektronischer Schaltungen kaum auf – sie ist in etwa so groß wie Di2-Stellmotor oder eTap-Akku.
Auffällig schlank sind die Hydraulikleitungen der Schaltung – deutlich dünner als eine typische Bremsleitung. Sie lassen sich in enge Radien biegen; für aerodynamisch optimierte Verlegung dürften sie damit wie geschaffen sein. Recht groß und etwas grob wirken wiederum die Griffe, die in zwei Größen erhältlich sind, zumal ihr Innenleben eigentlich ziemlich reduziert sein sollte. Insgesamt liegen sie aber gut in der Hand; der lange Bremshebel kommt dem Lenkerbogen angenehm nah und ist vom Unterlenker aus gut erreichbar.
Und damit kommen wir zum wesentlichen Punkt der Rotor Uno – ihrer Funktionalität. Das Schaltprinzip gleicht dem von SRAMs DoubleTap-Hebeln: Ein kurzer Druck lässt das Schaltwerk nach außen fallen, drückt man den Hebel weiter nach innen, wechselt die Kette auf die größeren Ritzel. Das Schaltgefühl weicht aber deutlich vom Gewohnten ab, bedingt durch die ganz andere Funktion. Beim mechanischen Hebel betätigt man ja direkt den Ratschenmechanismus im Hebel, die Schaltung hängt sozusagen hinten dran. Bei der Rotor Uno hingegen ist es umgekehrt: Man gibt Druck auf ein hydraulisches System, dessen Bewegung erst hinten/unten zum Einrasten der Schaltmechanik führt. Aus diesem Grund sind die Schaltschritte beim hydraulischen System weniger stark definiert; die Rotor Uno rastet nicht so deutlich ein wie etwas das SRAM-System mit gleicher Bedienlogik. Insgesamt fühlt sich die spanische Schaltung weicher an, woran man sich allerdings recht schnell gewöhnt hat.
Rotor Uno: etwas größere Bedienkräfte nötig
Im direkten Vergleich mit einem aktuellen mechanischen System, der SRAM Force 1, wird allerdings deutlich, dass die Hydraulikschaltung mit merklich längeren Hebelwegen arbeitet. Das fällt besonders auf, wenn man auf die größeren Ritzel schaltet. In diesem Zusammenhang kommt noch einmal die bereits angesprochene Schaltschritt-Begrenzung ins Spiel. Dass man aus Versehen zwei Gänge auf einmal in Richtung „leicht“ schaltet, ist aufgrund des dazu nötigen großen Hebelschwenks eigentlich ausgeschlossen; diese Sonderfunktion kann man also vernachlässigen und die Schraube auf „maximale Schaltschritt-Anzahl“ stellen.
Auffällig am Schaltverhalten ist ebenfalls, dass die Rotor Uno etwas größere Bedienkräfte erfordert. Was die Handhabung angeht, fällt das hydraulische System damit hinter aktuelle mechanische Schaltungen zurück, von elektronischen Systemen gar nicht zu reden: Deren Vorzug liegt ja gerade darin, den Schaltvorgang durch Tastendruck statt Hebelei zu vereinfachen. Der Schaltvorgang selbst funktioniert dabei zufriedenstellend: Die Kette gleitet sauber aufs kleinere Ritzel der superleichten Kassette und fädelt sich geschmeidig aufs größere.
Auch bei der Betätigung des Umwerfers fällt der große Hebelweg auf. Zwei Trimmstufen werden geboten, die man auch braucht, denn wenn hinten mehrere Ritzel geschaltet werden, muss man vorne nachjustieren, um Schleifgeräusche zu vermeiden. Die deutlich asymmetrischen Kettenblätter sind dem Schaltvorgang nicht unbedingt förderlich, fühlen sich aber äußerst angenehm an – eine Umgewöhnung erscheint nicht nötig, der Tritt wirkt mit ihnen deutlich leichtfüßiger.
Rotor Uno: Scheiben- und Felgenbremse sind kompatibel
Am Testrad ist die Hydraulikschaltung mit ebenfalls hydraulischen Magura-Felgenbremsen kombiniert, die bei guter Dosierbarkeit hohe Bremskräfte aufbauen. Die DT-Swiss-Carbonfelgen brachen in Verbindung mit schnell verschleißenden Swissstop-Belägen jedoch keine Rekorde. Durch Drehen des Zylinders vorne an der Bremse lässt sich diese zum Laufradwechsel öffnen. Interessant ist, dass die Uno-Hebel sowohl mit den Felgenbremsen als auch mit Scheibenbremsen harmonieren. Die Gruppe lässt sich also bei einem Wechsel auf Discbrake-Rahmen weiterverwenden.
Rotor montierte die Uno für unseren Test an ein aerodynamisch optimiertes Cervélo S5 mit Aero-Laufrädern und edlen Enve-Bauteilen – ein Rad, das sich vom ersten Meter an schnell anfühlt, durch hohe Steifigkeit mit rasanter Beschleunigung glänzt und dabei nicht einmal unkomfortabel ist, trotz Aero-Gabel und -Stütze. Mit Rotor-Powermeter ist es rennfertig ausgestattet, dabei zuzüglich Pedalen sieben Kilo leicht – kein Wunder angesichts der superleichten Gruppe. Allerdings kostet das Rad so an die 10.000 Euro. Die Uno-Gruppe trägt knapp 2.500 Euro dazu bei; für diese Summe bekommt man Schaltung, Bremsen, Kassette und Kette, aber keinen Kurbelsatz – für den muss man bei Rotor inklusive Kettenblättern noch einmal mindestens 350 Euro hinblättern. Preislich liegt die Rotor Uno damit oberhalb der neuen Dura-Ace Di2 mit Felgenbremsen.
Rotor Uno: Handmade in Spain
Das hat natürlich auch damit zu tun, dass die Gruppe in Spanien hergestellt wird, nicht in Taiwan oder Malaysia, dennoch trübt der hohe Preis die Freude über dieses sehr innovative Produkt. Denn am Ende kann die Rotor Uno nur damit punkten, in Sachen Kettenschaltung einen dritten Weg aufzuzeigen; bei der Funktion hat sie das Nachsehen. Freunde dürfte sie dennoch finden – exklusiver als das hydraulische Schaltsystem kann es kaum nämlich noch werden.