MTB-News / Interview: Bulls-Teamfahrer Simon Stiebjahn hat eine bewegte Saison mit vielen Höhen und Tiefen hinter sich. Das Gesamtfazit fällt jedoch mit dem vierten Bundesliga-Titel in Folge und zwei Medaillen bei der deutschen Meisterschaft äußerst positiv aus. Im Interview spricht er auch über den Umgang mit Rückschlägen, seinen Werdegang und seine Trainingsgruppe mit Jasha Sütterlin, Johannes Fröhlinger und Simon Geschke.
V: Zu Beginn, ganz spontan: Was war dein großes Highlight in dieser Saison?
S: Das war ganz klar das deutsche Meisterschaftswochenende in Bad Salzdetfurth. Am Freitag Gold beim Eliminator Sprint und dann natürlich am Sonntag die Silbermedaille im Cross Country, wo ich bisher noch nie eine Medaille gewonnen hatte. Das Wochenende insgesamt war für mich schon das absolute Highlight dieses Jahr.
V: Aber nicht der einzige Erfolg – für dich lief es in diesem Jahr ja wirklich richtig gut.
S: Das kann man so sagen. Der vierte Bundesliga Titel in Folge hat mich natürlich auch sehr gefreut, gerade auch weil man sich hier den Erfolg über die gesamte Saison hinweg erarbeitet. Aber auch Siege wie beim Bike Festival in Willingen im Schlamm und Dreck sind eine tolle Sache.
V: Wo es Höhen gibt, gibt‘s immer auch Tiefen – was war denn die große Enttäuschung 2017?
S: Das war gleich am Anfang der Saison das Cape Epic. Da waren Verlauf und Ergebnis einfach nicht zufriedenstellend und hat ganz ehrlich auch ziemlich am Selbstbewusstsein genagt. Hätte ich damals gewusst, dass am Ende dann so eine super Saison dasteht, hätte ich es vielleicht etwas besser verdaut. Aber man muss nicht drum herum reden, es war schon sehr enttäuschend, auch für das ganze Team. Wir konnten einfach nicht das zeigen, was wir uns vorgenommen hatten und was wir auch zu leisten im Stande sind. Man hadert dann natürlich auch ein wenig, weil in unserem Fall auch Pannen- und Sturzpech zur absoluten Unzeit dazukamen.
V: Klar, die Enttäuschung ist bei dem Verlauf riesig, auch weil ihr euch ja viel ausgerechnet hattet. Nimmst du denn trotzdem was Positives aus dem Rennen mit?
S: Wir sind als Team noch enger zusammengerückt als ohnehin schon. Auch bei der Analyse im Nachhinein die Frage zu stellen: ‚Warum lief‘s nicht?‘ Da bringt dann jeder seine persönliche Sichtweise ein und man muss die richtigen Schlüsse ziehen. Ich glaube, dass mir das schon auch dabei geholfen hat, danach so eine super Saison hinzulegen.
V: Nicht nur für dich persönlich lief es nach dem Dämpfer zu Beginn sehr gut – auch das Team hatte eine tolle Saison.
S: Stimmt! Karl hat bei der Marathon EM Bronze geholt und Urs hat beispielsweise das unfassbar harte MB Race gewonnen. Außerdem konnten wir uns beim Bike Festival in Willingen über einen Doppelsieg freuen. Bei der Bike Transalp konnten sich beide unserer Teams in den Top 10 platzieren und Niklas Schehl fuhr in seiner ersten U23 Saison in der Bundesliga direkt auf den dritten Platz. Insgesamt eine wirklich gute Saison.
V: Das klingt jetzt irgendwie fast zu einfach. Ab und zu packt dich doch der Frust bestimmt auch. Was ist da dein Patentrezept dagegen?
S: Klar! Wenn ich nach so einem Erlebnis richtig Wut im Bauch hab, setze ich mich entweder aus Trotz auf‘s Rad und geb so richtig Gas oder ich lass‘ das Bike in der Ecke stehen und mache anderes Training. Joggen, Schwimmen, im Winter auch sehr gerne Langlaufen. Die anderen Sportarten helfen mir außerdem, auch etwas Abwechslung in meinen Trainingsalltag zu bringen.
V: Auch auf dem Rad bist du ja ein extrem vielseitiger Fahrer. Marathon, XC, Sprint, und das alles erfolgreich. Denkst du darüber nach, dich auf eine Disziplin zu spezialisieren um dann vielleicht noch weiter vorne zu landen?
S: Ich war schon immer vielseitig unterwegs. Dieses Jahr war mit den unterschiedlichen Medaillen natürlich die Krönung. Das lustige dabei ist, dass ich mich eigentlich voll auf Marathon fokussiert hatte in der Vorbereitung. Dass es dann beispielsweise auch im Sprint so gut lief, obwohl ich im Training quasi keine Intervalle fahre, hat mich selbst umgehauen. Vielleicht ist es die Gelassenheit, weil ich mir auch selbst keinen Druck mache. Ich geh einfach total unbefangen in den Wettkampf und schaue was rauskommt. Aber die Erfahrung hilft mir schon.
V: Du sprichst es selbst an. Zwar bist du erst 27, aber man könnte dich inzwischen schon fast zu den alten Hasen zählen… wie sähe deine bisherige Karriere im Zeitraffer aus?
S: Angefangen hat alles 1999. Da hab ich mit Straßenradsport angefangen. 2003 bin ich dann zum Mountainbike gewechselt und hab mich stetig entwickelt. Als ich von der Straße kam, war ich technisch natürlich einer der schwächsten Fahrer und ich hatte immer den Anreiz, zu den Besten aufzuschließen. Dieser Anspruch zieht sich seitdem wie ein roter Faden durch meine Karriere. Ich will immer versuchen, mit den Besten mithalten zu können.
V: Dann kam der Wechsel zum Team Bulls 2009 für dich ja wie gerufen?
S: Das kann man so sagen. Mit Karl (Platt) und Stefan (Sahm) gab es da zwei Leute im Team, zu denen ich aufschauen konnte. Thomas (Dietsch) und Tim (Böhme) kamen ja dann 2009 auch dazu. Ich hatte immer jemanden im Team, der mir wertvolle Tipps und Ratschläge geben konnte.
2010 und 2011 waren zwei schwere Jahre. Da lief es für mich überhaupt nicht. Da stand ich am Scheideweg meiner Karriere.
V: Wie hast du die Kurve gekriegt?
S: Ich hab meine Einstellung zum Sport komplett geändert. Es gab ein Schlüsselerlebnis beim Weltcup in Nove Mesto, als ich mit dem damaligen Trainer Frank Brückner zusammensaß. Da wurde es ziemlich laut und er hat mir klar gemacht, dass ich mit meiner Einstellung im Profisport keine Zukunft hätte.
Ich bin dann in mich gegangen und hab vieles hinterfragt. Ich war sogar eine Woche in Frankreich im Kloster, um die nötige Ruhe zu finden. In kurzer Zeit habe ich dann 7kg abgenommen – das Gewicht war nämlich eines meiner Probleme gewesen – und auf einmal lief‘s.
V: Das war also die so oft zitierte Weichenstellung in deiner Karriere?
S: Genau. 2012 war dann ein super Jahr und ich wurde U23 Europameister im Marathon. 2013 kam die erste Medaille im Marathon dazu, 2014 ein Podiumsplatz beim Cape Epic. Ich bin dem Team auch unglaublich dankbar, dass ich diesen Lernprozess durchmachen durfte und man mir die Zeit dafür gegeben hat. Auch für die deutlichen Worte meines Trainers bin ich ihm bis heute dankbar. Genau das habe ich gebraucht zu dem damaligen Zeitpunkt.
V: In der Gegenwart – wie sieht so ein typischer Trainingstag für dich aus?
S: Einen typischen Trainingstag gibt es bei mir eigentlich nicht. Ich mache neben dem Profisport noch einige Dinge nebenbei, die meine Aufmerksamkeit und meine Zeit in Anspruch nehmen. Ich organisiere mit einem Freund, Markus Bauer, das MTB Bundesligarennen in Neustadt, seit diesem Jahr arbeite ich ab und an auch bei der Sauser Event GmbH, die unter anderem den Rothaus Riderman organisiert, und ein Studium mache ich auch noch nebenbei. Ich habe also zwar einen strukturierten Tagesablauf, aber ich muss einfach flexibel bleiben, um alles unter einen Hut zu bekommen.
V: Ist das nicht anstrengend, auf so vielen Hochzeiten zu tanzen?
S: Im Gegenteil! Ich war beispielsweise 2011 bei der Bundeswehr und da stand von der ersten bis zur letzten Minute des Tages nur Sport auf dem Programm. Ich hatte Sport im Kopf als ich aufgewacht bin und bin damit am Abend wieder eingeschlafen. Das Jahr hat mir auch klar gezeigt, dass das auf Dauer für mich nichts wäre. Ich mag die Abwechslung. Deshalb habe ich dann 2012 auch mein Studium in Internationalem Management aufgenommen.
V: Aber du studierst doch nicht nur, weil du etwas mehr Abwechslung im Alltag brauchst, oder?
S: (lacht) Nein, natürlich nicht. Aber es war mir schon wichtig damals, noch etwas anderes neben dem Sport zu haben, das mich begleitet. Gerade auch wenn es eben mal nicht so läuft. Aber klar, da spielen auch Gedanken an die berühmte Karriere nach der Karriere eine Rolle. Wir wollen es mal nicht hoffen, aber ein blöder Sturz und meine Profi-Karriere ist vorbei. Es ist schon eine Beruhigung, für solche Eventualitäten oder eben auch die Zeit nach der Profikarriere vorzusorgen und etwas in der Hand zu haben.
V: Apropos Karriere – hast du nie mit dem Gedanken gespielt, wieder zurück auf die Straße zu wechseln? Schließlich hat für dich da auch alles angefangen.
S: Früher hab ich da überhaupt nicht dran gedacht, in den letzten Jahren kamen dann doch immer mal wieder ein paar Überlegungen. Aber ich lande immer wieder beim gleichen Punkt: Was mich beim Mountainbikesport so reizt, ist die Verantwortung, die jeder für sich selbst trägt. Das heißt nicht, dass ich kein Teamplayer bin, aber ich kann eben auf eigene Rechnung fahren, muss aber auch die Verantwortung übernehmen, wenn es mal nicht läuft.
V: Aber du verfolgst den Straßenradsport selbst schon noch?
S: Klar! Ich war dieses Jahr auch als Zuschauer bei der Tour de France und habe auch noch viele Kontakte zu aktuellen Profis. Gerade die Freiburger Trainingsgruppe mit Simon Geschke, Johannes Fröhlinger und Jasha Sütterlin. Mit Jasha war ich zusammen bei der Bundeswehr und wir waren Stubenkollegen. Ich verfolge das Geschehen immer noch sehr sehr gerne, wenn ich Zeit dazu finde.
V: Wie siehst du denn generell die Entwicklung im XC / Marathon? Die Strecken werden kürzer und immer anspruchsvoller.
S: Es ist eine spannende und richtig interessante Zeit in der sich vieles verändert, bei den Rennformaten und den Strecken selbst. Das macht es auch für uns Athleten schon spannend. Es gibt jetzt beispielsweise deutlich mehr Etappenrennen als noch vor ein paar Jahren, was ich persönlich super finde. Die Strecken selbst haben sich auch verändert, gerade im Weltcup. Technisch anspruchsvoller und deutlich spektakulärer, aber ich denke man muss hier langsam etwas auf die Bremse treten. Zum einen mag ich naturbelassene Strecken und brauche keine fünf künstlichen Steinfelder pro Runde. Zum anderen steigt das Verletzungsrisiko auch immer weiter. Bei den Rennformaten geht der Trend zu einer kürzeren Gesamtlänge, was wir auch in unserem Bundesligarennen in Neustadt aufgegriffen haben.
V: Wie sieht das Konzept für euer Rennen dann aus?
S: Wir haben uns im Orga-Team zusammengesetzt und uns überlegt, wie wir den Sport für die Zuschauer interessanter machen könnten. Diesem Ziel haben wir dann auch vieles untergeordnet. Am Ende hatten wir dann eine sehr viel kürzere Rennzeit von unter einer Stunde. Das macht den Ausgang unberechenbarer und die Action für die Zuschauer auch kurzweiliger. Dafür haben wir dann auch auf ein höheres UCI Ranking verzichtet. Das kam wirklich gut an, bei den Zuschauern und den Sportlern gleichermaßen.
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V: Du bist ja ein echter Schwarzwälder und lebst auch immer noch dort. Das ist doch aber gerade im Winter ein hartes Los. Zieht es dich nicht ab und an in die Wärme?
S: Die Versuchung beispielsweise nach Freiburg zu gehen, liegt schon nahe. Das ist immer noch nicht allzu weit weg und es ist schon viel wärmer im Herbst und im Winter. Aber für mich war es mein ganzes Leben so: Egal wo ich war, egal wie schön das Wetter dort gewesen ist, ich hab mich immer wieder gefreut, daheim zu sein. Ich hab‘ hier alles was ich brauche, ich hab mir ein Netzwerk und ein Umfeld aufgebaut, das mich unterstützt und mir ein tolles Training ermöglicht. Ich hab‘ alles vor der Haustüre. Wenn es im Winter dann mal gar nicht geht, dann gehe ich eben langlaufen.
V: Dann drücke ich die Daumen, dass der Schwarzwälder Winter in diesem Jahr nicht allzu herb wird! Danke für deine Zeit!
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