Test Ampler Curt: „Unsichtbare“ E-Bikes bietet Hersteller Ampler aus Estland an. Wer flott durch die City kommen will, ist mit einem E-Bike wie dem Ampler Curt gut beraten, zumal die Bikes außer der dezenten Optik auch andere Stärken haben.
Mehr Funktionen, mehr Reichweite, mehr Gewicht – diesen Weg gehen viele E-Bike-Anbieter. Damit richten sie sich an die Garagenbesitzer unter den Radfahrern, die ihr Tourenbike nur bequem die Einfahrt hinab schieben müssen, um zur gemütlichen Runde aufzubrechen – natürlich mit hoher Motorunterstützung, um mit angenehm geringer Eigenleistung fahren zu können.
Das artgerechte Habitat des Ampler Curt ist die Metropole
Mit dem Alltag im der Stadt hat dieses Pedelec-Idealbild wenig zu tun. Wer im Mietshaus wohnt und beschließt, weder mit dem Auto noch mit dem ÖPNV zum Job zu fahren, stößt mit einem 27-Kilo-Elektrorad schnell an die Grenzen des „Händelbaren“. Ein leichtes, wendiges E-Bike muss her; eins, das dauerhaft flottes Tempo ermöglicht, wenn der Gegenwind durch die Häuserschluchten pfeift.
In den Sortimenten der großen Anbieter sucht man so etwas vergeblich; fündig wird man etwa bei Ampler. Das kleine Unternehmen aus Tallinn in Estland hat sich sozusagen auf Minimalismus spezialisiert – auf E-Bikes wie das Ampler Curt, dessen elektronische Komponenten nahezu unsichtbar sind. Kleiner Nabenmotor hinten, nur vom Fachmann demontierbarer Akku im schlanken Unterrohr, keinerlei Bedienelemente am Lenker: Auf den ersten Blick merkt nicht mal ein Kenner, dass das Modell Curt ein Elektrorad ist; sichtbar ist einzig der Einschaltknopf nebst magnetischem Ladeport am Sitzrohr, der verrät das Pedelec. Das ist erst einmal ungewohnt, schließlich sind große Displays und umfangreiche Bedienelemente am E-Bike inzwischen Standard. Fahrdaten lassen sich nur mit der zum Antriebssystem gehörigen Smartphone-App ablesen; der Schalter am Sitzrohr dient zusätzlich zum Wechsel zwischen den zwei Modi „Normal“ und „Boost“ mit 100 bzw. 150 % Unterstützung. Mit der App kann man weitere Motorparameter beeinflussen.
Hart am Limit: das Ampler Curt beschleunigt auch über 25 km/h
In der Standard-Einstellung ist der kleine Nabenmotor des Ampler Curt nicht sehr drehmomentstark. Wer gewohnt ist, an der Ampel kräftig anzutreten, lässt sich davon nicht irritieren, zumal die Zehngang-Kettenschaltung am Testrad Starthilfe leistet. Außerdem zeigt der Nabenmotor schnell seine Stärken: Auch deutlich oberhalb von 25 km/h unterstützt er, was eine vergleichsweise hohe Dauergeschwindigkeit zulässt. Damit nutzt das Ampler Curt die vom Gesetzgeber erlaubte Toleranz voll aus, was für sportliche Radler angenehm ist, die auf normalen E-Bikes permanent im Bereich der Motorabschaltung unterwegs sind.
Und wer sich auf dem Ampler Curt durch den Stadtverkehr bewegt, kann sich über noch mehr als nur das flotte Tempo freuen: Das Rad ist sportlich und wendig und lässt sich aufgrund des extrem geringen Gewichts um 16 Kilo genauso bewegen wie ein konventionelles Urban-Bike. Die sportliche Sitzhaltung mit deutlichem Höhenunterschied zwischen Sattel und Lenker ist für ambitionierte Fahrer angenehm; dank Nabenmotor und Unterrohrakku ist der Schwerpunkt des Ampler Curt ziemlich tief angesiedelt, was dem Handling weiter entgegenkommt. Der Stromspeicher ist übrigens nominell mit 336 Wattstunden verhältnismäßig klein. Doch gerade das geringe Drehmoment sorgt dafür, dass der Strom für weite Strecken reicht; bei mittelschneller Fahrt sollten 80 bis 90 km drin sein, wie die Prüfstandtests nahelegen, die Velomotion mit dem Modell Ampler Stout für den großen Focus E-Bike-Test bei Velotech im Prüflabor durchgeführt hat. Für den Alltag ist das Ampler Curt damit gut gerüstet. Wer dauerhaft im Boost-Modus unterwegs ist, kommt natürlich weniger weit.
Mit Schutzblechen und Lichtanlage ist unser Testrad vom Start weg alltagstauglich ausgestattet; sehr elegant sind die in der Sattelstütze integrierten Leuchtpunkte. Optisch stellen die am Unterrohr geführten Leitungen das einzige Manko dar, doch im Unterrohr ist nun mal kein Platz dafür. Mit wetterfestem Brooks-Sattel und leicht laufenden, robusten Conti-Sportreifen sind hochwertige Teile an Bord, wobei alle Extras ihren Preis haben – auch die Schaltung. Richtig gelesen: Das Basis-Modell des Ampler Curt ist ein Singlespeed-Rad, und der geringe Unterstützungsfaktor macht sich ohne Schaltung natürlich stärker bemerkbar als mit zehn Gängen. Wer nur in der Ebene fährt und auf maximal schlichte Optik Wert legt, kommt mit dem Eingangrad freilich auch zurecht.
3.110 Euro kostet das hier gezeigte Ampler Curt; die Basisversion liegt bei knapp 2.500 Euro. Zum Schnäppchepreis bieten das Unternehmen aus Estland seine E-Bikes nicht an – warum auch, ist ihr Produkt doch hoch individuell und nahezu konkurrenzlos. Mit dem Ampler Stout und dem Ampler Stellar gibt’s übrigens zwei weitere lässige Modelle der Esten (zum Velomotion-Artikel). Wer die Ampler E-Bikes ausprobieren will, hat über Listnride in mehreren deutschen Städten Gelegenheit dazu; dass es sich lohnt, kann Velomotion nur bestätigen.