Tour de France Geschichte: 30 Jahre ist es her, dass die Tour de France ihre knappste Entscheidung in der Geschichte erlebte. Greg LeMond knöpfte Laurent Fignon auf den Champs-Élysées das Gelbe Trikot doch noch ab – und das um nur acht Sekunden.
Greg LeMond hatte einen schweren Jagdunfall
Die Tour de France 1989 begann mit einem kuriosen Vorfall. Topfavorit und Titelverteidiger Pedro Delgado verpasste beim Prolog in Luxemburg seinen Start. Dadurch verlor er mehr als zweieinhalb Minuten. Nach drei Wochen lag er trotzdem auf dem dritten Gesamtrang. Doch die Geschichte dieser Frankreich-Rundfahrt schrieb vor allem Greg LeMond. Der US-Amerikaner gewann die Tour bereits 1986. Nach einem Jagdunfall im April 1987 war er jedoch dem Tod näher als einem weiteren Gesamtsieg. Er bekam einen Schuss seines Schwagers ab, so dass Dutzende von Schrotkugeln seinen Körper durchsäten. Noch immer sollen sich Bleikugeln in seinem Herz und seiner Leber befinden. Dies hielt ihn jedoch nicht davon ab, nach einer zweijährigen Genesungsphase wieder zur besagten Tour de France 1989 zurückzukehren. Auch Laurent Fignon hatte eine zumindest beruflich schwierige Zeit hinter sich. Nach seinen Triumphen 1983 und 1984 fuhr er seiner Topform hinterher, bis er 1989 den Giro d’Italia gewann.
Laurent Fignon liegt um 50 Sekunden vorn
Am 23. Juli 1989 waren alle bereit für den großen Showdown. Zum letzten Mal in der Geschichte der Tour de France sollte die Rundfahrt nicht mit einer gemütlichen Sprintetappe enden, sondern mit einem 24,5 Kilometer langen Zeitfahren von Versailles zur Avenue des Champs-Élysées. Nachdem Bernard Hinault 1985 als letzter Franzose – im Übrigen bis heute – erfolgreich war, hofften die einheimischen Fans in Paris nun auf Laurent Fignon. Der 28-Jährige lag vor dem abschließenden Zeitfahren 50 Sekunden vor dem gleichaltrigen US-Amerikaner Greg LeMond. Die beiden lieferten sich die gesamte Tour de France über ein wahres Kopf-an-Kopf-Duell. Seit der fünften Etappe trugen nur die beiden mehrmals wechselnd das Gelbe Trikot. Der Abstand zwischen Fignon und LeMond betrug bei der 76. Tour de France über 3.285 Kilometer zu keiner Zeit mehr als 53 Sekunden.
Die Ausrüstung entscheidet die beste Tour de France aller Zeiten
Wie bei Zeitfahren üblich, ging Laurent Fignon im Gelben Trikot als letzter Starter ins Rennen. Obwohl ihn Greg LeMond bei den bisherigen Zeitfahren schlagen konnte, rechnete kaum noch jemand mit einer dramatischen Wende. Schließlich war auch Fignon ein fähiger Zeitfahrer. Doch die Zuschauer wurden Zeuge der engsten Entscheidung in der Tour de France Geschichte. LeMond fuhr als erster Profi überhaupt mit einem damals neuartigen aerodynamischen Helm und Lenker. Seinen Tropfenhelm und Triathlonlenker testete er zuvor im Windkanal. Experten wissen heute, dass diese Ausrüstung ausschlaggebend war. Denn Fignon hingegen fuhr komplett ohne Helm – dafür aber mit gewohnt langen Haaren. Mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 54,545 km/h pulverisierte LeMond die Bestzeit. Dies war der bis dato schnellste gefahrene Schnitt bei einer Tour. Dem konnte Fignon nichts mehr entgegensetzen. Er verlor 58 Sekunden – und damit um 8 Sekunden die Tour de France. Nach 3.257 Kilometern entspricht dies in Strecke umgerechnet 82,2 Metern.
Der Mann, der die Tour de France um 8 Sekunden verlor
Greg LeMond schrieb in mehrfacher Hinsicht Radsport-Geschichte. Der US-Amerikaner wurde bereits im Jahr 1986 zum ersten nicht-europäischen Sieger der Tour de France. Bis heute ist er – in Anbetracht der Disqualifikation von Lance Armstrong und Floyd Landis – der einzige Gesamtsieger aus den USA. 1989 wurde er nach seinem Sieg in Frankreich auch noch zum Weltmeister gekürt. Im Jahr darauf wiederholte er seinen Gesamtsieg bei der Tour de France. Ganz anders verlief die Karriere von Laurent Fignon. Der Franzose erholte sich nie wieder von dieser bitteren Niederlage. Obwohl er die Frankreich-Rundfahrt zuvor bereits zweimal gewinnen konnte, ist er heute über die Landesgrenzen hinaus vor allem bekannt als „der Mann, der die Tour de France um acht Sekunden verlor.“ Angeblich hat Fignon – der in Paris lebte – die Avenue des Champs-Élysées nie wieder betreten. Am 31. August 2010 verstarb er in seiner Heimatstadt an metastasiertem Bauchspeicheldrüsenkrebs.