Gravelbikes: Modetrend oder sinnvolle Neuentdeckung? Bei der Frage nach der Zahl der Kettenblätter scheiden sich die Geister. Wir sind der Frage nachgegangen, was Vor- und Nachteile von Einfach-Antrieben sind und für wen sich die reduzierte Übersetzung eignet.
Ist beim Gravel-Bike weniger mehr? Beim Blick auf die Schaltungen vieler Modelle kann man sich das zu Recht fragen, etliche Bikes sind nämlich heute mit nur einem Kettenblatt ausgestattet. Neu ist das nicht; schon vor Jahrzehnten waren viele Querfeldeinfahrer mit solch einem reduzierten Getriebe unterwegs – damals freilich noch mit sieben oder acht Ritzeln am Hinterrad. Im Zeitalter der Elf- oder gar Zwölffach-Kassette hat das Thema wieder Aktualität gewonnen. Der Schaltaufwand ist geringer, eine potenzielle Defektquelle fällt weg und auch die Verschmutzungsproblematik bei Crossrennen ist ein wichtiger Aspekt. Fragt sich nur: Für welche Einsatzzwecke eignen sich 1x-Antriebe eigentlich, und auf was für Kompromisse muss man sich gefasst machen?
Grober oder kleiner
Wer auf eines von zwei Kettenblättern verzichtet, muss sich entscheiden: Entweder wird die Abstufung grober oder der Gesamtumfang der Übersetzung kleiner. Wobei nur rechnerisch die Hälfte der Gänge wegfällt; unter den üblichen 22 Schaltstufen befinden sich nämlich mehrere Überschneidungen, auf die man leicht verzichten kann. Dafür gewinnt man nämlich etwas: die Möglichkeit, klick-klick-klick vom größten auf den kleinsten Gang durchzuschalten, ohne dass ein Kettenblattwechsel mit dazugehörigen Ausgleichs-Schaltschritten hinten nötig wird. Das Schalten an sich wird mit dem Umstieg auf 1×11 oder 1×12 also in jedem Fall vereinfacht.
Damit zur Frage, worauf man bei Einfach-Übersetzungen verzichten muss: einen größeren Gesamtumfang oder eine feinere Abstufung? Vergleichen wir ein Rennrad mit Kompakt-Kurbel (50/34) und 11-28er Kassette, die vom 11er bis zum 17er Einerschritte bietet, mit einem Gravel-Bike mit 44er Kettenblatt und 11-34er Kassette von Shimano, stellen wir fest: Beim Einfach-Antrieb sind alle Gangsprünge mindestens zwei Zähne groß (11-13-15-17-19-21-23-25-27-30-34); der Gesamtumfang ist an beiden Enden des Spektrums etwas reduziert. Anders sieht es mit einer 11-36er Kassette von SRAM aus (11-12-13-15-17-19-22-25-28-32-36): Zum einen verfügt diese bei den Schnellgängen über Einersprünge, zum anderen entspricht ihr kleinster Berggang nahezu dem der Rennrad-Übersetzung 34-28. Nur im schnellen Bereich fehlt ein Gang.
Steile Berge – kleine Gänge
Natürlich ist dies keine wirklich geländetaugliche Übersetzung; wer mit dem Gravel-Bike vorzugsweise auf der Straße und auf „Waldautobahnen“ unterwegs ist, kommt mit dieser eher eng übersetzten Spielart von 1×11 jedoch gut klar. Auf schweres Gelände und steile Anstiege hin entwickelte Bikes sind aber anders übersetzt, Modelle mit 2×11 Gängen ebenso wie solche mit Einfach-Antrieb. Noch recht neu von Shimano ist die GRX-Gruppe, die auch mit 46/30er Kettenradgarnitur erhältlich ist; zusammen mit der passenden 11-36er Kassette ergibt sich eine gerade im Kletterbereich extrem breit aufgestellte Übersetzung. Um das mit nur einem Kettenblatt zu schaffen, muss man große Sprünge machen – etwa mit der 10-50er Zwölffach-Kassette von SRAM.
Vom Gesamtumfang her können Einfach-Antriebe also ganz gut mithalten – wie ist es aber nun mit den größeren Sprüngen zwischen den einzelnen Ritzeln? Wer beispielsweise auf der Straße (oder auf einer Schotterpiste) bei hoher Intensität auf eine möglichst gleichmäßige Tretfrequenz angewiesen ist, braucht im Bereich der schnellen Gänge Einersprünge. Das mit nur einem Kettenblatt zu realisieren, erfordert Einbußen beim Gesamtumfang und sollte genau überlegt werden. Mountainbiker und Cyclocrosser dagegen wissen, dass dort, wo starke Steigungsunterschiede lauern bzw. immer wieder kraftvoll beschleunigt werden muss, größere Sprünge durchaus nützlich sind – so sind weniger Schaltvorgänge nötig, und aus diesem Grund haben sich Einfach-Antriebe in beiden Disziplinen in den vergangenen Jahren (re-) etabliert. Und auch Radsportler, die nicht am Limit fahren, können einen Zweier- oder Dreiersprung gut wegstecken, auch wenn dadurch die Tretfrequenz erst einmal etwas stärker abfällt oder ansteigt.
Leichter ab als dran
Wer unentschlossen ist, sollte folgendes bedenken: Während sich ein Zweifach-Antrieb mit überschaubarem Aufwand auf 1×11 umbauen lässt (nach innen gekröpftes Einfach-Kettenblatt montieren, Werfer und Zug entfernen, evtl. neuer linker Bremshebel, evtl. Kassette anpassen), geht es umgekehrt nicht so einfach oder gar nicht. Ein Gravel-Bike mit Monokettenblatt sollte man also nur dann kaufen, wenn man sich seiner Sache sicher ist oder schon Erfahrungen mit dieser Variante gesammelt hat.
Daneben gibt es natürlich auch die Möglichkeit, je nach Einsatzzweck die Übersetzung zu wechseln. Eine Kassette wie die schon erwähnte 11-36, die einen guten Kompromiss zwischen Umfang und Abstufung darstellt, wird mit einem 38er Kettenblatt angenehm bergtauglich, mit einem 44er ziemlich schnell. Der Umbau vorne ist dabei deutlich schneller erledigt als das Wechseln der Kassette.
Übersetzungs-Zahlenspiele
Unterschiedliche Abstufungen und Kombinationen lassen sich anhand der Übersetzungszahlen vergleichen: Einfach „Kettenblatt geteilt durch Ritzel“ rechnen; ein größeres Ergebnis entspricht einem schwereren, ein kleineres einem leichteren Gang. So entsprechen die Kombinationen 44×11 und 40×10 derselben Übersetzung; 40×50 und 30×36 liegen nur minimal auseinander. Vergessen darf man nicht, dass sich der Reifenumfang auf diese Übersetzungsverhältnisse auswirkt, was man Entfaltung nennt: Je größer der Reifenumfang, desto länger sind alle Gänge übersetzt. Dies ist mit ein Grund für die Verwendung von 650B-Reifen – sie vereinen die Vorteile voluminöser Pneus mit dem Abrollumfang schmalerer Rennbereifung. Aber das ist ein anderes Gravel-Thema und soll an anderer Stelle besprochen werden…
Hier findet ihr alle derzeit im Velomotion Gravelmonat Februar veröffentlichten Artikel und Tests:
- Storck Grix Platinum Ultegra Di2 Gravelbike im Test: Race-Tourer für Schotter und Gelände
- GT Grade Carbon Pro im Gravelbike Test: Komfortables Dreieck für viel Fahrspaß?!
- Orbea Terra M30-D im Gravelbike Test: Spritziges Bike für Training und Graveltouren
- NS Bikes Rag+ 2 im Gravelbike Test: Überzeugender Alu-Allrounder
- Rondo Ruut CF 2 im Gravelbike Test: Flottes Gravelbike mit markanter Optik
- Cannondale Topstone Carbon Ultegra RX im Gravelbike Test: Komfortable Spaßmaschine mit Touren-Potential
- Bombtrack Hook 2 Gravelbike im Test: Vielseitiger Stahl-Graveler für Schnäppchenjäger
- Salsa Warbird Carbon Gravelbike im Test: Ein Bike für die großen Abenteuer
- Breezer Inversion Pro Gravelbike im Test: Preisgünstiger Stahl-Graveler für Tour und Alltag
- Marin Headlands 1 Gravelbike im Test: Toller Bikepacker (nicht nur) für Schnäppchenjäger
- MTB Cycletech Traverse GRX Gravelbike im Test: Verspielter Bikepacking-Begleiter
- Canyon Grail CF SL 8.0 Di2 im Test: Der etwas andere Gravel-Tourer ?
- Fuji Jari Carbon 1.1 Gravelbike im Test: Gravel-Tourer für Abenteurer
- Verlängerung! Der Gravelmonat geht weiter: Gravelbikes für Touren und Bikepacking im Test
- BMC URS One Gravelbike im Test: Teures Gravelbike der Extraklasse
- Kona Libre DL Gravelbike im Test: Sportliches Tourenbike – nicht nur für Bikepacker
- Nukeproof Digger Comp Gravelbike im Test: GRAVelITY – Flotter Einsteiger für Trail-Fans
- Open U.P.P.E.R. Gravelbike im Test: Gravel für Speed-Junkies
- Canyon Grail AL 7.0 Gravelbike im Test: Überzeugendes Gesamtpaket für sportive Fahrer
- Rennstahl 853 Speed Gravel im Test: Liebhaber-Bike für Asphalt und leichtes Gelände
- Trek Checkpoint SL 7 Gravelbike im Test: Edelbike für sportive Schotter-Fans
- Vaast A/1 Gravelbike im Test: Flotter Magnesium-Graveler – Nachhaltig und preisgünstig
- Falkenjagd Aristos CX Gravelbike im Test: Komfortabler Titan-Graveler mit Lauf Gabel
- Bergamont Grandurance 6 Gravelbike im Test: Kiez-Graveler mit vielen Gesichtern
- Giant Revolt 1 Gravelbike im Test: Solider Allrounder für sportive Einsteiger
- Salsa Journeyman Sora 650b Gravelbike im Test: Günstiger, geländetauglicher Reisebegleiter
- Gravelbike Kaufberatung: Welches ist das richtige?
- Corratec Allroad A1 Gravelbike im Test: Gemütlicher Gravel-Allrounder
- Stevens Prestige 2020 im Test: Crosser im Gravel-Pelz
- Specialized Diverge Expert Gravelbike im Test: Komfortabel auf den Gravel-Thron?
- Bulls Grinder 3 Gravelbike im Test: Graveln mit Alltagsqualitäten
- Donnelly X’plor MSO Gravelreifen im Test: Vielseitiger Spezialist für Schotter
- Rose Backroad GRX Di2 Gravelbike im Test: Starkes Gesamtpaket mit voller GRX-Kapelle
- Drössiger Gravel Pit Goldstück Gravelbike im Test : Starker Allrounder in edler Optik
- Scott Addict Gravel 10 Gravelbike im Test: Wie viel Race verträgt ein Gravelbike?
- Bombtrack Hook 1 Gravelbike im Test: Gravel-Einsteiger mit viel Komfort
- Salsa Warroad 700c Ultegra Gravelbike im Test: Der Spezialist unter den Allroundern
- Cube Nuroad SL Gravelbike im Test: Laufruhiges Rad mit starker Ausstattung
- Gravelbikes mit oder ohne Umwerfer: Ein-facher schalten?
- Canyon Grail CF SLX 8.0 Etap Gravelbike im Test: Rundes Gesamtpaket für fast jeden Einsatz
- BH Gravel X Alu 1.0 Gravelbike im Test: Viel Gravel für wenig Geld
- Conway GRV 1200 Gravelbike im Test: Preis-/Leistungs-Knaller für sportive Gravelbiker
- Der richtige Gravelreifen: Von vielseitig bis spezialisiert
- Triban RC 520 Gravel im Test: Decathlon-Kampfansage an die Konkurrenz?
- Bergamont Grandurance Elite Gravelbike im Test: Highend zum Schnäppchenpreis?
- Gravelbike Test 2020: Einsteiger bis 2.000 Euro: 16 aktuelle Modelle bis 2.000 Euro im Test
- Cinelli Zydeco 2020 Gravelbike im Test: Tradition trifft Moderne
- Storck Grix Pro CX Extreme Gravelbike im Test: Spritziger Newcomer mit riesigem Spaßfaktor
- Gravelbikes Test 2020: Highend bis 8.000 Euro: 15 aktuelle Schotter-Racer im Test
- Velomotion Gravelmonat Februar: Frühjahr im Zeichen des Gravelbikes