Hausbesuch: Puky steht fast schon synonym für Kinderräder in hoher Qualität, doch wer weiß schon Genaueres über das Traditionsunternehmen? Velomotion war vor Ort und lernte bei einem Hausbesuch viele interessante Seiten des Unternehmens kennen.
Eine Fahrrad- bzw. Fahrzeugmarke, die jeder kennt? Wenn es um Kinderräder geht, ist die Sache klar: Gemeint sein kann nur Puky. Das Traditionsunternehmen aus Wülfrath, östlich von Düsseldorf im Bergischen Land gelegen, stattet seit Jahrzehnten Kinder mit Fahrrädern, Rollern und anderen Fortbewegungsmitteln aus – und da die Firma so alt ist wie die Bundesrepublik selbst, dürfte in manchen Familien schon die dritte Generation auf Puky unterwegs sein. Man glaube jedoch nicht, dass sich das Unternehmen auf diesen Lorbeeren ausruht. Gerade in den letzten paar Jahren ist bei Puky viel passiert, und in vielem spiegelt der Spezialist für kindliche Mobilität die Entwicklungen wider, die die ganze Fahrradbranche prägen. Und damit ist die Vergangenheit von Puky ebenso interessant, wie es die Zukunft der Firma zu werden verspricht.
Nach Kriegsende sind die Produktionsstätten von NSU in Neckarsulm zerstört; da man im Ruhrgebiet recht früh wieder Stahl kaufen kann, fertigt der Hersteller in Düsseldorf Fahrräder, bis das Werk in Baden-Württemberg wiederaufgebaut ist. Im der nun ungenutzten Fabrik am Rhein mit Rohrverarbeitung und Lackiererei bauen der frühere NSU-Vertreter Hermann Schlessmann und der Stahlkaufmann Heinz Kuchenbecker die Fertigung von Kinderrollern auf, denn während die Konkurrenz auf dem Fahrradmarkt groß ist, werden Kinderfahrzeuge allenfalls von regionalen Herstellern angeboten.
Spielzeug und Fahrrad
Dabei präsentiert sich Puck, wie die Marke bis 1956 heißt (die Umbenennung erfolgt aufgrund der Namensähnlichkeit mit der österreichischen Puch AG), von Anfang an auf unterschiedlichen Plattformen. Schon auf der ersten Deutschen Spielwarenfachmesse 1950 in Nürnberg kann man die luftbereiften Roller, Fahrräder und Dreiräder bestaunen, die ebenso Fahrzeug wie Spielzeug sind. Die Konzentration auf zwei unterschiedliche Märkte ist bis heute ein Merkmal von Puky: Spielfahrzeuge werden vorzugsweise über den Spielwarenhandel an den Mann bzw. die Frau gebracht, Fahrräder über den Fahrradhandel. Und auf beiden Märkten hat sich in den letzten Jahren viel getan.
Ein Kinderfahrrad für 300 Euro? Vor zehn Jahren wäre so etwas nur schwer verkäuflich gewesen. Noch 2010 lag der Durchschnittspreis eines Fahrrades bei 460 Euro; entsprechend wenig wurde für Kinderfahrräder ausgegeben. Doch dann kam der E-Bike-Boom. 2017 wurden im Schnitt rund 700 Euro für ein neues Fahrrad bzw. Pedelec ausgegeben, 2020 war dieser Wert laut Statista auf knapp 1.300 Euro gestiegen. Diese rasante Entwicklung spiegelt natürlich die stark steigenden Verkaufszahlen (und die hohen Preise) von Elektrorädern wider, doch wie Puky-Geschäftsführer Mathias Heller erklärt, ging damit im Bewusstsein der Verbraucher eine gestiegene Wertigkeit von Fahrrädern allgemein einher.
Für Puky hatte das gleich mehrere Konsequenzen: Zum einen wurden die Fahrräder der Marke nicht mehr als besonders teuer wahrgenommen, was auch bedeutete, dass Puky an Modellen arbeiten konnte, die vorher nur wenig Chancen am Markt gehabt hätten. Zum anderen wurde der Wettbewerb größer. Etablierte Radhersteller, die das Thema Kinderfahrrad bislang vernachlässigt hatten, wurden aktiv, dazu gründeten sich zahlreiche kleine Unternehmen, die sich auf hochpreisige Kinderbikes konzentrieren.
Sportlicheres Sortiment
Auch wenn der Kuchen nicht größer geworden ist, wie es Mathias Heller ausdrückt – profitiert hat Puky trotzdem von dieser Entwicklung. Nicht zuletzt deshalb, weil der Fahrradmarkt ohnehin in Bewegung ist: Junge Eltern fahren heute andere Fahrräder als ihre eigenen Eltern und wollen auch für ihre Kinder anderes Material. Und so ist Puky in Teilen deutlich sportlicher geworden, erst mit der vor einigen Jahren gelaunchten Zweitmarke Eightshot, dann mit den unter Puky vertriebenen Leichtbaurädern der LS-Pro Linie. Geholfen hat hier auch die technische Entwicklung: Felgenbremsen waren lange Zeit nicht normgerecht, sodass der Rücktritt am Kinderrad alternativlos war. Erst die Entwicklung spezieller Bremshebel erlaubte die kindgerechte Bedienung der ansonsten zu scharfen V-Brakes. Und eine Kettenschaltung findet sich nur an größeren Modellen ab 20 Zoll, die nicht mehr den speziellen Normen für Kinderfahrräder unterliegen (und bei Puky deshalb auch „Fahrräder“ heißen) – alle Kinderfahrräder sind mit einem geschlossenen Kettenkasten ausgestattet bzw. mit einem Kettenschutz, der Verletzungen durch Einklemmen verhindert.
Neben den neuen, leichten Sportmodellen behauptet sich auch das klassische Kinderfahrrad sehr gut. Die modernen Alltagsräder mit kindgerechter Ausstattung und gewichtsoptimiertem Rahmen sind für viele Familien der logische nächste Schritt nach dem Puky-Spielfahrzeug à la Wutsch, Laufrad, Dreirad und Scooter und für die Kinder oft der erste Schritt in einen Fahrradladen, die Spielfahrzeuge werden meist noch im Spielwarenhandel gekauft. Das heißt heute jedoch in mehr als 50 % der Fälle: Sie werden online bestellt, denn der stationäre Spielwarenfachhandel ist auf dem Rückzug. Und nicht nur der Kauf, sondern auch die Informationsbeschaffung hat sich ins Internet verlagert, sodass auch ein Hersteller heute sehr aktiv in den sozialen Medien sein muss, um die Verbraucher zu erreichen. Mathias Heller spricht von einem „umgedrehten Konsumentenverhalten“, das sich auch auf die Modellpalette auswirkt: „Die Eltern entscheiden beim Online-Kauf nach ihrem Geschmack“, erklärt der Geschäftsführer, und deshalb sind die kleineren Fahrzeuge – Rutscher und Laufräder – inzwischen auch in dezenten Pastelltönen verfügbar, die perfekt zur geschmackvollen modernen Wohnung passen. „Kinder würden das quietschbunte Modell kaufen“, schmunzelt der Puky-Chef.
Mit technischen Spezifikationen würde man die Kinder nicht erreichen, erklärt er – und die Eltern auch nicht unbedingt. Mund-zu-Mund-Propaganda spiele bei der Kaufentscheidung eine große Rolle, führt Heller aus, und in der Branche gilt Puky nach wie vor als „Mama-Marke“, was die Kaufentscheidung angeht. Zum guten Ruf von Puky trägt auch die Fertigung in Deutschland bei, und damit kommen wir zu einem der interessantesten Aspekte der Firma. Die Fertigung von Rahmen und Komponenten gehörte seit je her zu den Kernkompetenzen des Unternehmens.
Einblicke beim Werksbesuch
Wer das Werk heute besucht, kann also nicht nur ein Hochregallager, Vertriebsbüros und ein hauseigenes Prüflabor bestaunen (zu letzterem gleich mehr), sondern auch live dabei sein, wie aus blanken Rohren ein Spielfahrzeug- oder Fahrradrahmen wird. Sämtliche Stahlrahmen werden in Wülfrath gefertigt, wobei viele Bearbeitungsschritte heute maschinell erfolgen; in der Lackiererei bekommen allerdings auch die zugelieferten Aluminiumrahmen ihre hochwertige Pulverbeschichtung. Gerade die Herstellung mancher Kinderfahrzeuge ist sehenswert: So besteht der Rahmen eines Rollers im Prinzip aus einem einzigen Rohr, das CNC-gesteuert mehrfach gebogen und an den Enden zwecks Aufnahme des Hinterrades flachgepresst wird; dann werden Verstrebungen und das Steuerrohr angeschweißt, und los geht’s zum Pulvern. Mit dem Produktangebot „My own Puky“ sind dank der hauseigenen Pulveranlage sogar für den Konsumenten individuelle Farbgestaltungen von einzelnen Fahrzeugen möglich.
Während für das Schweißen heute moderne Roboter zuständig sind, werden alle Montagearbeiten komplett per Hand durchgeführt. Und zwar von externen Kräften, denn Puky arbeitet seit Jahrzehnten eng mit Werkstätten für Menschen mit Behinderung zusammen. Was in den 1970er Jahren mit einfachen Verpackungsarbeiten anfing, hat sich zu einer veritablen Erfolgsgeschichte entwickelt: Insgesamt rund 500 Männer und Frauen montieren in mehreren Werkstätten die hochwertigen Puky-Fahrzeuge. Zwar hat die Zusammenarbeit mit den Werkstätten auch eine wirtschaftliche Komponente für die Firma, es geht hier aber auch um die Integration und um Teilhabe durch Arbeit bei einem Unternehmen, das vergleichsweise abwechslungsreiche Tätigkeiten bietet und mit dem sich die Mitarbeiter der Werkstätten identifizieren können. Gearbeitet wird hier ohne zeitlichen Druck oder feste Vorgaben, allerdings macht das die Einbindung in den gesamten Fertigungsprozess recht aufwendig.
Integration durch Arbeit
In der Montagehalle herrscht eine konzentrierte, aber muntere Stimmung; beim Besuch zusammen mit Marketingmann Guido Meitler wird dieser gleich von mehreren Seiten begrüßt und auf die neuen Puky-T-Shirts angesprochen. Puky-Geschäftsführer Mathias Heller verweist auf die hohe Motivation und Arbeitsqualität der Menschen mit Behinderung, für die der vielseitige Job bei Puky durchaus etwas Erfüllendes hat – vor allem, weil sie das Ergebnis ihrer Arbeit immer wieder auf der Straße sehen können. Das Arbeitsverhältnis in den Werkstätten bedeutet für die dort Beschäftigten darüber hinaus ein extrem hohes Maß an sozialer Sicherheit. Begleitet werden die Monteurinnen und Monteure in den Werkstätten und bei Puky jederzeit vom Personal ihres eigentlichen Arbeitgebers, der Werkstatt.
Viel los ist auch am Arbeitsplatz von Meikel Haarhaus. Der Diplom-Ingenieur leitet das hausinterne Testlabor, in dem Produkte und Kompontenen auf Herz und Nieren geprüft werden. Wenn alle Prüfstände laufen, ist es so laut, dass eine Unterhaltung schwierig wird. Auf der einen Seite rattert ein Mädchenrad über den Rollenprüfstand, mit schweren Gewichten behängt; auf der anderen wird ein Rahmen rhythmisch gestaucht und auseinandergezogen. Ganz schön viel Aufwand für Kinderräder, oder?
Kleine Belastungen mit großen Ausreißern
Doch gerade bei diesen käme es auf hohe Stabilität an, wie der Testleiter erklärt; Kinder sind nämlich kleine Meister darin, ihre Fahrzeuge alles andere als bestimmungsgemäß zu verwenden. Zu zweit auf dem Fahrrad oder einfach mal eine kurze Treppe hinunterfahren – das kommt Erwachsenen in der Regel nicht in den Sinn, ist aber bei Kinderrädern Alltag. Und deshalb gilt es, auf Lastspitzen hin zu entwickeln, wie Ingenieur Haarhaus gleich mit einer kleinen Grafik veranschaulicht. Die Masse der braven Radlerinnen und Radler bringt ein Puky zwar nie an seine Grenzen – aber eben jener eine kleine Raudi, der so fährt, als sei sein Kinderrad ein Downhill-Bike. So gehört es neben den Prüfständen auch zum Entwicklungsprogramm, jungen Testpiloten mit speziellen Sensoren bestückte Fahrzeuge in die Hand zu drücken. Damit lässt sich aufzeichnen, welche Lasten im wirklichen Leben auf die Fahrräder und Roller wirken, und das ist auch für die Entwicklung praxisgerechter Labormessungen wichtig. Ein zweiter Schwerpunkt der Prüftechnik liegt auf der Begutachtung zugelieferter Bauteile, wozu auch alle Aluminiumrahmen gehören.
Das hohe Qualitätsbewusstsein von Puky ist Garant für eine lange Nutzungsdauer der Fahrzeuge. Wie Geschäftsführer Heller erklärt, werden viele Pukys von bis zu vier Kindergenerationen gefahren: Auf den Erstbesitzer und seine Geschwister folgt der Gebrauchtmarkt, auf dem die Fahrzeuge erfahrungsgemäß gute Preise erzielen; irgendwann werden Dreirad, Laufrad & Co. dann auf dem Kinderflohmarkt weiterveräußert. Angesichts der langen Nutzungsdauer bietet Puky bis zu zehn Jahre Ersatzteilgarantie als Teil des Puky-Qualitätsversprechens.
Lebensabschnitts-Gefährte
Im Lauf der Zeit hat sich Puky immer weiterentwickelt, hat neue Konzepte und Modelle auf den Markt gebracht und Bestehendes modernisiert. Eine Sache lässt sich jedoch nicht ändern: Die Fahrzeuge der Firma sind Lebensabschnitts-Gefährte; früher oder später ist man ihnen entwachsen und kann dann nur noch wehmütig zurückblicken – oder? Etwas Puky für Größere und Große gibt es zum Glück. So kann der sportliche „SpeedUs“-Scooter bis zwei Meter Körpergröße gefahren werden, dazu ist er mit bis zu 100 Kilo belastbar, und für 2022 hat Puky schon weitere, spannende neue Modelle angekündigt: Cyke, Skyride und LS-Pro werden dann auch mit 26-Zoll-Laufrädern für Fahrerinnen und Fahrer bis 1,70 Meter verfügbar sein. Die aktuelle Generation der Puky-Nutzer kann den Fahrzeugen aus Wülfrath also locker zwei Jahre länger treu bleiben.