Produktnews: Mit der Sram Force AXS 2023 stellen die US-Amerikaner eine deutlich weiterentwickelte Mittelklasse-Komponentengruppe für Rennrad und Gravelbike vor. Die neue Komponentengruppe kombiniert die Highlights der edlen Sram Red und der preiswerten, noch jungen Sram Rival, bleibt dabei im Preis gleich und wird etwas leichter.
Als Sram 2019 die neue Red AXS vorstellte, gab es eine Menge zu sehen – Zwölffach-Kassetten mit 10er Abschlussritzel etwa, ein Schaltwerk mit Flüssigkeitsdämpfer anstatt der Feder für die Schaltschwinge sowie einen futuristischen Kurbelsatz mit Kettenblättern im One-piece-Design. Als dann 2021 die erste elektronische Variante der Sram Rival auf den Markt kam, konnte man sich abgesehen vom attraktiven Preis der Einsteiger-Gruppe über neu gestaltete eTap-Bremsschalthebel freuen, die deutlich kompakter ausfielen als jene von Red und Force AXS.
Sram Force AXS 2023: Deutlich näher an der Top-Gruppe Red
Eine Force AXS wurde ebenfalls 2019 präsentiert. Die Gruppe ist aktuell nur knapp halb so teuer wie die Profigruppe Red, mit der sie sich diverse technische Merkmale teilt (etwa den erwähnten Flüsigkeitsdämpfer). Außerdem ist die Force nur gut 500 Euro teurer als die jüngere Rival, dabei merklich leichter; insgesamt ist die mittlere Gruppe also in Sachen Preis-Leistung führend. Es ist diese Gruppe, die Sram nun einer gründlichen Überarbeitung unterzogen und noch einmal attraktiver gemacht hat.
Die neue Sram Force ist optisch wie technisch näher an die Topgruppe Red herangerückt und hat gleichzeitig das interessanteste Merkmal der Rival übernommen – deren neu geformte Hebel nämlich. Der Preis der Gruppe ist währenddessen praktisch konstant geblieben: In der 2×12-Version ohne Leistungsmessung kostet die Force 2023 genau 1.980 Euro (Sram Red ca. 4.000 €; Rival ca. 1.390 €). Was man dafür bekommt, wollen wir im Folgenden beschreiben.
Sram Force 2023: Neuer Look mit Metallic-Lack
Erst einmal zur Optik: Während die Force bisher einfach nur grau war, setzt Sram nun auf glänzende, fast schwarze Oberflächen mit Metallic-Effekt, die je nach Lichteinfall edel schimmern. Auch der schmale Streifen an den Bauteilen, der wie poliertes Aluminium aussieht, glänzt von Fall zu Fall in den Farben des Regenbogens. Dazu passt eine „Oil slick“-Variante von Kassette und Kette, wie man sie bereits von den Mountainbike-Komponenten des Herstellers kennt. Bereits dadurch hebt sich die neue Gruppe deutlich von ihrer Vorgängerin und ihren Geschwistern ab.
Die Formensprache der Komponenten ist freilich vertraut: Schaltwerk, Bremssättel und eTap-Hebel unterscheiden sich in ihren Konturen nicht sonderlich von jenen der Sram Rival AXS. Letztere verfügen als Teil der Sram Force nun natürlich über Carbon-Bremsgriffe; ihr Innenleben entspricht aber komplett der Rival. Das bedeutet auch, dass keine kabelgebundenen „Blips“ mehr verwendet werden können; kompatibel sind nun die im letzten Jahr vorgestellten Funk-Zusatzschalter. Insgesamt drei Paar Wireless Blips lassen sich koppeln – beispielsweise am Oberlenker, in den Lenkerbögen oder zusätzlich an einem Lenkeraufsatz.
Sram Force AXS mit Hebelform der Rival
Die neue Hebelform ist sicher ein Fortschritt für Fahrer/innen mit kleineren Händen, ansonsten aber eher ein optischer Gewinn – ergonomisch können auch die bisherigen Hebel überzeugen. Damit die eTaps kompakter werden konnten, wurde wie bei der Rival auf die Einstellmöglichkeit des „Contact Point“ verzichtet, der beim alten Griff für den großen Höcker oben sorgte – laut Sram eine Funktion, die 90 % der Nutzer nicht brauchen. Zur Erinnerung: Einstellen lässt sich bei Force und Red 2019 der Leerweg des Hebels, wenn dieser bei beiden Griffen unterschiedlich groß ist. Da sich aber der Leerweg nur vergrößern und nicht verkleinern lässt, ist die Einstellmöglichkeit ziemlich sinnlos und dürfte nicht vermisst werden. Zum Befüllen der Bremsanlage dient wie bei der alten Force die komfortablere „Bleeding Edge“-Technologie, während die Hebel der Rival mit Standard-Anschlüssen ausgestattet sind. Die Griffweite lässt sich wie gewohnt mit einem 2,5er Inbus einstellen.
Rennrad-Schaltwerk mit einer Käfiglänge
Das Schaltwerk verfügt wie bei der 2019er Force (und anders als die Rival) über den Orbit-Flüssigkeitsdämpfer, der die Bewegungen der Schaltschwinge kontrolliert und Kettenschlagen verhindern soll – im Vergleich zur Rival schaltet sind die Force dadurch geschmeidiger. Die Schwinge selbst ist nur noch in einer Länge verfügbar, mit der alle Kassetten von 10-28 bis 10-36 geschaltet werden können (die Variante 10-26 ist weggefallen). Für One-by-Antriebe gibt es das XPLR-Schaltwerk mit längerem Käfig, welches für 10-36 und 10-44 vorgesehen ist. Für enger gestufte Kränze eignet sich dieses Schaltwerk nicht, da seine Geometrie an eine steilere Ritzelböschung angepasst ist.
Faszinierende One-piece-Kettenblätter
Neben den Hebeln ist der Kurbelsatz die größte Neuheit der SRAM Force 2023. Seine Technologie verdankt er der Red, die bereits seit 2019 die einteiligen Kettenblätter besitzt. Die Direct-mount-Kettenblätter sollen steifer und leichter sein – etwa 100 Gramm spart der neue Kurbelsatz ein. Dazu sieht er natürlich spektakulärer aus als das klassische Tretlager mit Kurbelstern. Zusammen mit einer Überarbeitung des Umwerfers lassen sich die neuen Kettenblätter SRAM zufolge merklich besser schalten.
SRAM bietet den neuen Kurbelsatz mit den Kettenblatt-Kombinationen 50/37, 48/35 und 46/33 an – nach wie vor beträgt der Sprung in jedem Fall 13 Zähne. Außerdem gibt es noch den „Wide“-Kurbelsatz mit 5 mm längerer Kurbelwelle und der superkompakten Übersetzung 43/30; bei diesem bleibt es allerdings bei der alten Technik mit geschraubten Kettenblättern. Von der optischen Überarbeitung profitiert aber auch der Wide-Kurbelsatz.
Leistungsmessung mit zwei Optionen
Wie SRAM Red und Rival ist auch die Force nun mit Leistungsmessung verfügbar. Die One-piece-Kettenblätter sind mit integriertem Powermeter verfügbar, das beidseitige Leistungsmessung bietet – hier übernimmt die neue Force die Technik der Top-Gruppe Red. Wer die Wide-Variante der Gruppe mit klassischem Kurbelstern wählt, kann sich für eine kurbelwellenbasierte einseitige Leistungsmessung entscheiden, wie es sie bereits (mit Alu-Kurbel) bei der SRAM Rival gab. Die beidseitige Messung ist natürlich exakter; für viele Nutzer dürfte es jedoch ausreichen, wenn die Power des linken Beins hochgerechnet wird – solange es keine extreme muskuläre Dysbalance gibt. Das einseitige Powermeter, bestehend aus der Tretlagerwelle und der damit fest verbundenen linken Kurbel, kann auch als Upgrade einer Zweifachkurbel verwendet werden.
Spätestens hier muss man auf das oft angeführte Argument gegen One-piece-Kettenblätter zu sprechen kommen: Man kann sie nur zusammen wechseln, was dann natürlich mehr kostet, als nur ein Kettenblatt auszutauschen. Allerdings führt Sram als Gegenargument die große Widerstandsfähigkeit des Materials an – wer in regelmäßigen Abständen die Kette erneuert (bei 0,8 % Längung), soll die Kettenblätter laut Hersteller sehr lange nutzen können.
Sram Force Powermeter: Preislich attraktive Nachrüst-Option
Mit 265 Euro ist das Doppelkettenblatt aber ohnehin nicht übermäßig teuer; für 443 Euro bekommt man das Set sogar mit integrierter Leistungsmessung. Zum Vergleich: Wer die aktuelle Sram Red entsprechend umrüsten will, zahlt offiziell 894 Euro für das Doppelkettenblatt mit Powermeter. Da die Kettenblätter der neuen Force auch an Red-Kurbeln passen, bekommen deren Nutzer jetzt eine preislich sehr attraktive Option dazu.
Die One-by-Kurbel der Sram Force war bisher in zwei Varianten verfügbar: als „Wide“ mit 5 mm längerer Welle für breite Hinterbauten wie am Gravelbike und mit Direct-mount-Kettenblättern, außerdem als Version mit separatem Kurbelstern und geschraubtem Kettenblatt. An diesem Set-up scheint sich nichts zu ändern, neu ist einzig das Dekor der Kurbel. Auch die verkleideten Aero-Kettenblätter für Triathlon- und Zeitfahrräder dürften weitergeführt werden.
Was sich ebenfalls nicht geändert hat, sind viele gute Eigenschaften der elektronischen Sram-Gruppen. Die neue Force ist mit allen bisherigen Bauteilen kompatibel; so kann man etwa bei einer vorhandenen Gruppe nur die Hebel austauschen. Auch die Akkus an Schaltwerk und Umwerfer sind gleich geblieben; für sie gibt es nun freilich ein Ladegerät mit vier Steckplätzen, sodass mehrere Batterien geladen werden können. Werden nur ein oder zwei Akkus geladen, geht es mit dem neuen Gerät deutlich schneller.
Kommt bald auch eine neue SRAM Red?
Muss man traurig sein, wenn man sich in letzter Zeit ein Rennrad oder Gravelbike mit der 2019er Force oder eine Gruppe zum Selbstaufbau gekauft hat? Nicht unbedingt, zumal die neue Sram Force in Sachen Funktionalität nicht allzu viel Mehrwert bietet; außerdem lassen sich ja einzelne Komponenten wie beispielsweise der neue Kurbelsatz oder die Griffe in ein bestehendes System integrieren. Dass die neue Gruppe überaus attraktiv ist, versteht sich jedenfalls von selbst, zumal sie wie gesagt nicht teurer als ihre Vorgängerin sein wird und noch einmal näher an die Topgruppe Red heranrückt. Die spannende Frage ist nun: Hat Sram auch eine neue Red in Vorbereitung, die den Abstand wieder vergrößert und wohlmöglich ganz neue Technologien bietet?
Test-Gruppen für Rennrad wie für Gravelbike sind bereits auf dem Weg zu Velomotion; Praxistests der Sram Force AXS 2023 werden also demnächst nachgeliefert. Dann werden auch genauere Informationen zu Preisen und Gewichten der einzelnen Komponenten vorliegen.