Test Canyon Grizl 8 1by Ekar: Aus hochwertigem Alu-Rahmen und Highend-Komponentengruppe komponiert Canyon ein Gravelbike, das angesichts des Gebotenen sehr preiswert ist. und trotz der Adventure-Ausrichtung ist es auch sportlicher Gangart nicht abgeneigt.
Der italienische Komponentenhersteller Campagnolo ist seit langem eine feste Größe im Programm von Canyon. Das liegt nicht zuletzt daran, dass das von Canyon ausgestattete Team Movistar lange Zeit die Komponenten aus Italien nutzte. Aber letztlich wollen die Koblenzer ihrer Kundschaft einfach nur viel Auswahl bieten. Mit Rennmaschinen der „Canyon x Campagnolo“-Reihe, welche mit der neuen Super Record WRL ausgestattet sind, unterstreicht Canyon schließlich seine Verbundenheit mit der Traditionsmarke.
Canyon Grizl 8 1by Ekar: Preiswert mit italienischen Komponenten
Und die dehnt sich auch auf die inzwischen zahlreichen Gravelbikes von Canyon aus – von denen sind nämlich einige mit Campagnolo Ekar ausgestattet. Die Anfang Herbst 2020 vorgestellte 1×13-Gruppe fasziniert nach wie vor mit ihrer Mischung aus innovativer Technik und klassischer Mechanik. Doch ihr recht hoher Preis (UVP ca. 1.600 Euro) hat sie bisher recht exklusiv gemacht, und Gravelbikes, die mit ihr aufgebaut werden, sind meist ziemlich teuer. Nun aber landet Canyon mit dem Grizl 8 1by Ekar einen echten Knaller: Gerade mal 2.499 Euro soll das Alu-Modell kosten – und zieht man davon den Preis für die Gruppe ab, ist man überrascht, wie viel Gravelbike man hier für einen überschaubaren Betrag bekommt.
Bikepacking-Graveller mit sportlichen Anlagen
Im Gravel-Kosmos von Canyon steht das Grizl für die Kategorie „Abenteuer“. Die Carbon- und Alu-Modelle sind für Bikepacking-Touren mit Gepäck wie für Fahrten auf anspruchsvollem Terrain gemacht und bringen dafür zahlreiche Anbau-Optionen und viel Reifendurchlauf mit. Das lange Oberrohr und damit verbunden der große Reach deutet auf eine moderne „Trail-Geometrie“ hin, allerdings ist der Lenkwinkel am Testrad in Größe L mit 72° ziemlich steil und der Vorbau mit 90 mm nicht übermäßig kurz. Bei 184 cm Körpergröße ergibt sich eine recht kommode Sitzhaltung – nicht sehr kurz, aber inklusive der Spacer unterm Vorbau so aufrecht, dass man bequem am Unterlenker fahren kann. Fun-fact am Rande: Letztlich sitzt man auf dem Grizl sportlicher als auf dem Allroad-Renner Endurace.
Die Rahmengeometrie führt dazu, dass sich das Alu-Grizl deutlich weniger behäbig fährt, als es vielleicht den Anschein hat. Beim Antreten stiefelt es willig los, wobei der fahrfertig knapp 4,3 Kilo schwere Radsatz den Vortrieb etwas hemmt. Sobald es freilich auf etwas anspruchsvolleren Untergrund geht, freut man sich an den 45 mm breiten Reifen, die sich über Stock und Stein als deutlich schluckfreudiger erweisen als 40er Pneus. Mit ihrem feinen Profil rollen die Pirelli Cinturato Gravel H leicht auf festeren Strecken; die kräftig ausgeprägten Schulterstollen sind bei der Kurvenfahrt und auf weichen Böden zur Stelle.
Diät-Empfehlung: ein leichterer Radsatz
Mit einem anderen Laufradsatz 500 bis 800 Gramm zu sparen, ist auch ohne allzu große Investitionen kein Problem und dürfte sich mit merklich dynamischerem Fahrverhalten bezahlt machen. Das Handling des Grizl ist derweil sehr lebendig – es lässt sich willig einlenken und mit leichter Hand steuern. Neben den breiten Reifen sorgt auch die Canyon-Carbonsattelstütze für Komfort.
Bikepacking-tauglich ist aber nicht nur das robuste Auftreten des Grizl, dessen breit bauende Gabel ebenso wie der Hinterbau 50 mm breite Reifen durchlässt. In Sachen Anbau-Optionen ist das Rad vorbildlich mit drei Flaschenhaltern, Schutzblechen, Heckträger, Gabelhalterungen und kleiner Oberrohrtasche.
Campagnolo Ekar: Edle Gruppe mit sehr guter Funktion
Wer vor dem Canyon steht, wird jedoch erst einmal über die Campagnolo Ekar staunen – eine Gruppe, die man nach wie vor recht selten sieht und die daher überall Interesse weckt. Die Gruppe zeichnet sich natürlich vor allem durch ihr 1×13-Getriebe aus – etwas völlig Neues im Bereich mechanischer Schaltungen und in Kombination mit der intelligenten Gangabstufung eine sehr interessante Option. Canyon verbaut die 10-44er Kassette, kombiniert mit einem 40er Kettenblatt vorne – das steht für einen lang übersetzten Schnellgang sowie eine superleichte Untersetzung für steile Anstiege. Gleichzeitig ist der Kranz, bei dem die neun größten Ritzel aus einem einzigen Stahlblock herausgefräst werden, überraschend eng abgestuft: Die ersten sechs Gänge weisen Einersprünge auf (10-15 Zähne), dann geht es in immer größeren Schritten bis hin zu den Berggängen. Bei hohen Geschwindigkeiten kann man damit feinfühlig schalten, und am Berg bei langsamem Tempo macht es nichts, dass die Gangsprünge bis zu sechs Zähne betragen.
Zum Schalten weist der Ergopower-Hebel der Italiener zwei getrennte Tasten auf: Mit dem Schaltpaddel hinterm Bremshebel bewegt man das Schaltwerk nach innen auf die größeren Ritzel (wobei man bis zu vier Gänge auf einmal schalten kann), und mit der Taste innen am Griff wechselt man in Einerschritten auf die schwereren Gänge. Das funktioniert exakt und verlässlich, wenn auch nicht ganz so geschmeidig, wie von der Konkurrenz gewohnt. Da die Daumentaste hakenförmig verlängert worden ist, lässt sich die Schaltung auch vom Unterlenker aus gut bedienen.
Beim Zug an den geschwungenen Bremshebeln ist eine gewisse Elastizität spürbar, die sich im Fahrbetrieb jedoch eher als Vorteil erweist. Die Campa-Stopper lassen sich nämlich feinfühlig dosieren und sind sehr berechenbar, packen aber bei Bedarf kräftig zu.
Unser Testfahrer trägt die Gravel-Shorts Virginie und das Gravel-Radtrikot Barbara von Café du Cycliste, dazu den Helm Omne Air Mips von POC.
Schön und typisch Campagnolo ist der flächige Carbon-Kurbelsatz der Ekar, praktisch die Entspannungsfunktion des Schaltwerks, mit der dieses beim Laufradwechsel arretiert wird. Auch mit diesen Details kann die exotische Gravel-Gruppe im vergleich zur arrivierten Konkurrenz punkten, und mit dem Grizl 8 macht es Canyon Wechselwilligen leicht: Kein Ekar-Bike ist so günstig; unter 4.000 Euro ist bei der Konkurrenz praktisch nichts zu finden. Klar, mit 10,3 Kilo (inkl. Flaschenhalter, zzgl. Pedalen) ist das Alu-Grizl kein Leichtgewicht. Doch so, wie es ist, kann es neben seiner großen Vielseitigkeit bereits viel Fahrspaß bieten, und wer bei Gelegenheit einen leichteren Radsatz nachrüstet, wird dem Rad noch einmal deutlich auf die Sprünge helfen.