Test aerycs Endurance 50: Der norddeutsche Hersteller bietet mit seiner Baureihe Endurance Radsätze an, welche die Brücke vom Rennrad zum Gravelbike schlagen und damit ausgesprochen vielseitig sind. Kompromisse irgendwelcher Art muss man dabei weder bei der Nutzung aktueller Rennreifen wie mit mittelbreiten Gravel-Pneus machen.
Was ist eigentlich „Endurance“? Gemeinhin wird darunter ein Rennrad verstanden, das mit größerer Reifenfreiheit auch abseits glatten Asphalts genutzt werden kann. Bikes wie das Cannondale Synapse oder das Specialized Roubaix können mit Pneus bis zu 35 bzw. sogar 40 mm Breite gefahren werden, womit gerade das Specialized schon deutlich in Richtung Gravelbike geht. Da passt es auch, dass beide Modelle eine etwas entspanntere Sitzgeometrie aufweisen – das soll auf langen Strecken angenehmer sein, woher die Bezeichnung „Endurance“ kommt. Und diesen Namen trägt auch so manche Komponente – etwa ein Radsatz aus dem Hause aerycs bei Hamburg. Was es wohl mit dem aerycs Endurance 50 auf sich hat?
Rennrad – Endurance – Gravel, so sortiert aerycs seine Dropbar-Radsätze. Dabei geht es, wen wundert’s, von schmal nach breit: Der Aero WT fürs Rennrad kommt mit 21 mm Innenweite und 28 mm maximaler Felgenbreite; der Endurance misst 22/29 mm und der GCX Terra fürs Gravelbike ist mit 24 mm Maulweite bei 31 mm maximaler Felgenbreite auf breitere Reifen zugeschnitten. Unter der Bezeichnung „Explore“ gibt es dazu noch einen Gravel-Radsatz mit Hookless-Felgen.
Unterschiedliche Felgentiefen von superleicht bis aero-optimiert
All diese Laufräder sind mit unterschiedlich tiefen Felgen verfügbar: der Aero WT in 30, 40, 50, 60 und 80 mm (letzterer eher für Triathleten), Endurance, Terra und Explore in 30–40–50 mm. Je flacher, desto leichter, je tiefer, desto aerodynamischer – so kann man je nach persönlichen Einsatzbedingungen ziemlich kompromisslos ein gut geeignetes Modell auswählen. Wer sollte sich aber nun für den „Endurance“ entscheiden?
Mit dem aerycs Endurance 50 erhielt die Redaktion einen Radsatz mit der aerodynamischen 50-mm-Felge, für den ich, wie es der Zufall will, genau das richtige Rennrad habe: ein Canondale Synapse, das mit einem Radstand von unter einem Meter ausgesprochen handlich ist, dabei aber bis zu 35 mm breite Reifen aufnehmen kann. Wobei ich in der Regel 28er fahre, was ja inzwischen bis hin zur WorldTour Standard ist. Und für einen Reifen dieser Breite ist eine Maulweite von 22 mm genau richtig.
Einfache Tubeless-Montage
Die Montage der Schwalbe Pro One TLE ist einfach und erfordert nicht mal einen Kompressor; das ist schon mal ein Pluspunkt für den aerycs Endurance 50. Beim Kontrollieren des Reifensitzes in der Felge fällt auf, dass beide Bauteile praktisch gleich breit sind – die Felge wie gesagt 29 mm, der Reifen 29,5 mm. In aerodynamischer Hinsicht ist das ideal, denn so bilden sich im Übergang vom Reifen zur Felge weniger starke Luftverwirbelungen. Die leichte Einschnürung des Reifens ist unvermeidlich – um den Übergang noch glatter zu gestalten, müsste man eine hakenlose Felge bemühen.
Für alle, die 28 mm breite Reifen bevorzugen, ist der Endurance-Radsatz damit die bessere Wahl im Sortiment von aerycs. Der schmalere Aero WT macht eigentlich nur dann Sinn, wenn 25er Reifen gefahren werden; Vorteile gegenüber dem Endurance hat er nicht. Auch beim Gewicht spielen beide in der gleichen Liga: Auf der Redaktionswaage steht das Endurance-Hinterrad mit 797 Gramm, das Vorderrad mit 695 Gramm (mit Tubeless-Felgenband, ohne Ventile). Knapp 1.500 Gramm also, was sich angesichts der tiefen Felgen sehen lassen kann. Bemerkenswert ist, dass der Endurance 50 damit fast 150 Gramm leichter ausfällt als der vor zwei Jahren von Velomotion getestete 2022er Gravel-Radsatz GCX Terra – ebenfalls mit den Maßen 22/29 mm, allerdings mit nur 40 mm tiefen Felgen. Der alte GCX Terra war dabei auch noch 30 Euro teurer. Inzwischen ist der GCX Terra 2 mm breiter und damit mithin „Gravel only“ geworden.
Laufruhig auch an windigen Tagen
Geht man mit der Felgentiefe runter, sinken beim Endurance Preis und Gewicht: Der 40er Radsatz, der aerodynamisch kaum schlechter ausfallen sollte, wird mit knapp 1.430 Gramm angegeben, der 30er sogar mit unter 1.400 Gramm. Damit ist dieser die richtige Wahl für alle, die es leicht mögen und eines auf keinen Fall wollen, nämlich Seitenwindeinflüsse, wie sie bei tiefen Felgen unvermeidlich sind. Wobei die Front meines Cannondale mit den aerycs Endurance 50 auch an windigen Tagen völlig ruhig bleibt; plötzlicher Winddruck bei Richtungswechseln oder ein unangenehmes Zerren an der Lenkung bleiben aus. Auf der anderen Seite fühlen sich die aerycs ziemlich schnell an, wenn es in den Wind geht – ein paar Watt dürfte die günstige Felgen-Reifen-Kombination schon einsparen, nicht zuletzt deshalb, weil die etwas breiteren, tubeless montierten Reifen günstig in Sachen Rollwiderstand sind.
Nicht zuletzt gefallen die Endurance 50 mit neutralem Handling, was gerade an steilen Anstiegen im Wiegetritt angenehm ist. Hier macht sich das geringe Gewicht der Felgen – aerycs gibt 425 Gramm an – bezahlt. Und bei kräftigen Antritten „steht“ der Radsatz, der mit den 350er Naben von DT Swiss und je 24 Straightpull-Speichen vorne und hinten aufgebaut wird. Der gute Ruf der DT-Naben verleiht aerycs gegenüber anderen Herstellern, die eigene Naben verbauen, einen gewissen Wettbewerbsvorteil – auch wenn deren Naben nicht schlecht sein müssen. Der DT-Zahnscheibenfreilauf erfreut mit sonorem Klang; ein großer Vorteil ist, dass man den Freilaufkörper per Hand abziehen kann, was den Wechsel von HG auf XDR einfach macht.
Optimale Kompatibilität mit der derzeit „angesagtesten“ Reifenbreite am Rennrad, geringes Gewicht, neutrales Handling und hohe Steifigkeit: Mit diesen Eigenschaften ist der aerycs Endurance ein Radsatz, bei dem alles passt. Die Option, ihn mit breiteren Reifen am Gravelbike zu fahren, macht ihn zusätzlich interessant, ebenso die Varianten mit weniger tiefen, dabei leichteren Felgen – und der hochwertige Nabensatz ist ein zusätzliches Plus. Dabei lässt sich der Hersteller diese Vielseitigkeit nicht allzu teuer bezahlen: Mit 50er Felge kostet der Endurance 1.029 Euro, die zwei flacheren Varianten bleiben sogar unter 1.000 Euro. Inbegriffen ist jeweils ein teures Tubeless-Set von Milkit, das Ventile, Dichtmilch und eine Einfüllspritze enthält. In der Summe seiner Eigenschaften ist dies damit einer der wohl interessantesten Radsätze am Markt für alle, die am Dropbar-Rad Reifen zwischen 28 und 40 mm fahren wollen.