Test: DT Swiss baut aus den hauseigenen Naben, Felgen und Speichen attraktive Laufradsätze aus Aluminium. Velomotion hat sich das leichteste und das preiswerteste Alu-Modell angeschaut – zwei Radsätze, die sich nicht nur beim Preis wie beim Gewicht deutlich unterscheiden: Den DT Swiss PR 1400 Dicut und den DT Swiss P 1800 Spline.
Geht es nach dem, was man auf der Straße sieht, haben Alu-Radsätze nach wie vor viele Freunde. Nicht jeder kann und will einen vierstelligen Betrag für „rollendes Material“ ausgeben, dessen aerodynamische Vorzüge erst bei Geschwindigkeiten deutlich oberhalb von 35 km/h wirklich zum Tragen kommen. Zumal Aero-Radsätze auch gewisse Nachteile haben: Meist sind sie seitenwindanfällig, dazu nur dann leicht, wenn sie wirklich teuer sind.
Überhaupt, das Gewicht. Radsätze unterhalb von 1.500 Gramm (ohne Spannachsen etc.) dürfen als relativ leicht gelten; was mehr als 1.700 Gramm wiegt, ist eher schwer. Für Aluminium gilt das ebenso wie für Carbon, und damit kommen wir zum Thema: Was außer dem Gewicht unterscheidet eigentlich einen Radsatz mit 1.450 Gramm von einem, der 200 Gramm mehr wiegt? Erst einmal natürlich der Preis, und der fällt bei unseren zwei Kandidaten sehr unterschiedlich aus: DT Swiss bietet das leichteste Alu-Modell DT Swiss PR 1400 Dicut für 828 Euro an; der auf den ersten Blick identisch aufgebaute DT Swiss P 1800 Spline kostet 388 Euro. Die Redaktionswaage zeigt für den teuren Satz exakt 1.450 Gramm an, für den günstigeren genau 1.650 Gramm – jeweils mit Tubeless-Felgeband, was zehn Gramm pro Laufrad entspricht. Damit werden erst einmal die Gewichtsangaben des Herstellers ziemlich genau eingehalten; außerdem kommt die Frage auf: Wie kommt die Gewichtsdifferenz zustande, und was unterscheidet die zwei Radsätze noch alles?
Fangen wir mit den Spannachsen an: Die klassischen Exzenter-Hebel verwendet DT Swiss nicht mehr; an beiden Radsätzen kommen die RWS-Spannachsen zum Einsatz, bei denen die Achsen einfach festgeschraubt werden. Am DT Swiss PR 1400 Dicut verfügen die Achsen über einen formschönen Alu-Hebel; der DT Swiss P 1800 Spline kommt mit Kunststoffhebeln aus dem MTB-Segment, die deutlich größer sind. Beide Spannertypen sind mit einem Ratschensystem ausgestattet, sodass der Hebel nach dem Festziehen ausgerichtet werden kann; bei rund 100 Gramm pro Satz sind sie in Sachen Gewicht identisch, und auch die Stahlachse ist gleich. In erster Linie ein optischer Unterschied also – gilt das auch für die Naben?
„Dicut“ steht hier für ein Diamentprofil an den Flanschen, „Spline“ für eine insgesamt schlankere Form. Und während die teureren Naben matt beschichtet und mit gelaserten Logos versehen sind, tragen die einfacheren Varianten eine geklebte Banderole am glänzend lackierten Nabenkörper.
Unterschiedlich aufgebaut sind die Naben jedoch auch. Das betrifft erst einmal die Freiläufe: Beim Dicut ist der DT-Zahnscheibenfreilauf montiert, und zwar in der Top-Version mit 36 Rasterstufen. Er überzeugt durch satten Sound, geringen Leerweg und eben auf 36 Schultern verteilte Kraftübertragung, wogegen der Spline-Freilauf mit drei Sperrklinken arbeitet und 24-mal pro Umdrehung rastet. In der Praxis ist der spürbare Unterschied aber gering; was die Stabilität angeht, kann man auch dem Sperrklinkenfreilauf vertrauen. Allerdings lässt sich der Zahnscheibenfreilauf leichter warten.
Große Unterschiede zeigen sich bei den Nabenkörpern – und zwar nicht nur äußerlich: Besonders vorne fällt der deutlich größere Flanschdurchmesser beim DT Swiss PR 1400 Dicut auf, der für einen flacheren Speichenwinkel und damit in der Theorie für ein steiferes Laufrad sorgt. Der Flanschabstand ist bei beiden Vorderrädern gleich. Hinten sind beim teureren Laufrad Flanschabstand wie -durchmesser größer; beim DT Swiss P 1800 Spline sind die Tangentialspeichen außerdem in zwei Ebenen eingelegt.
Die unterschiedliche Bauweise wirkt sich auch auf die Lagerung aus: Beim Dicut-Radsatz kommen deutlich größer dimensionierte Kugellager zum Einsatz, in denen Endkappen für die 5-mm-Spannachse stecken. Zumindest in der Theorie dürften diese Lager Vorteile in Sachen Reibung und Verschleiß bieten.
Mit jeweils 20 radial angeordneten Speichen vorne und 24 Tangentialspeichen hinten ist die Speichenzahl beider Radsätze identisch, nicht aber das Speichenmuster: Das Dicut-Hinterrad wird beidseitig einfach gekreuzt aufgebaut, das Spline-Hinterrad ist zweifach gekreuzt.
Auch die Stahlstäbchen selbst unterscheiden sich. Beim Dicut-Radsatz kommen dünne Aerolite-Speichen mit 2,3 mm Breite zum Einsatz, während die „Aero Comp“-Speichen am Spline mit 2,8 mm sichtbar flächiger ausfallen und dazu etwas dicker sind. Vertraut man den Katalogangaben von DT, sind die Speichen für eine Gewichtsdifferenz von gut 70 Gramm verantwortlich (und für einen Euro mehr für jede Aerolite-Speiche); ob sich sich auch aerodynamisch unterscheiden, ist kaum seriös zu sagen.
Ähnliches gilt für die Felgen der zwei Radsätze. Auffälligstes Unterscheidungsmerkmal ist der mattere Glanz am edlen Dicut; darüber hinaus muss man schon genau hinschauen, um zu entdecken, dass die Spline-Felgen 23 mm hoch sind, die des DT Swiss PR 1400 Dicut dagegen nur 21 mm. Am teureren Radsatz kommt außerdem hinten eine asymmetrische Felge zum Einsatz, was wiederum für einen flacheren Speichenwinkel sorgt. Beim Bremsen fällt auf, was sich mit der Schieblehre belegen lässt: An der Bremsfläche sind die Spline-Felgen mit 23,4 zu 21,9 mm ein gutes Stück breiter, was auch die Tiefe der Verschleißmarkierung andeutet. Damit dürften die Felgen des günstigeren Radsatzes langlebiger sein, aber auch minimal schwerer. Die Dicut-Felgen haben in Sachen Verarbeitungsqualität die Nase vorn: Anders als ihre einfacheren Verwandten weisen sie keinen sicht- oder fühlbaren Felgenstoß auf.
Auffällig ist, dass sich die Montage von Tubeless-Reifen am günstigeren Radsatz deutlich einfacher gestaltet. Um auf die DT Swiss PR 1400 Dicut-Laufräder einen Satz neuer 28er Schwalbe Pro One zu montieren, musste in beiden Felgen eine zusätzliche Schicht Felgenband geklebt werden. Beim DT Swiss P 1800 Spline ließ sich der identische Reifensatz, nun sogar etwas vorgedehnt, ohne Probleme anbringen. Andererseits machte sich der Felgenstoß am Spline-Vorderrad bei der Montage eines schmalen Hutchinson-Schlauchlosreifens bemerkbar: Bevor Dichtmilch eingefüllt wurde, entwich an dieser Stelle Luft.
1.450 zu 1.650 Gramm – und auch sonst jede Menge Unterschiede: Schaut man sich die beiden Radsätze genau an, erkennt man, dass sie sich in fast jedem Detail unterscheiden. Was in der Praxis jedoch besonders interessiert, ist das Fahrverhalten, und da muss man sagen: Wer hier einen Unterschied zu erkennen meint, hört auch die Flöhe husten und das Gras wachsen. Beide Radsätze wirken steif und agil und erfreuen mit gutem Bremsverhalten; deutlich stärker bemerkbar als die Wahl des Radsatzes macht sich, welche Reifen darauf montiert werden. Mit dem 28er Schwalbe rollten beide Radsätze weich und komfortabel ab und erfreuten mit viel Sicherheit bei Schräglage; andere Pneus veränderten den Charakter der Laufräder deutlich. Ein Hutchinson Intensive am Spline verbesserte durch seine extrem schmale Bauform (trotz 25er Nennbreite nur 23 mm) die Handlichkeit bergauf im Wiegetritt, war aber auf etwas rauerem Asphalt sehr hart; der Vittoria Corsa G+, den wir längere Zeit am Dicut fuhren, rollte extrem geschmeidig ab und klebt mit Graphene-Gummimischung und 27 mm Breite in schnellen Kurven nur so auf dem Asphalt.
Aerodynamische Nachteile sind bei beiden Radsätzen auch bei dauerhaft hohem Tempo nicht zu spüren. Aero-Tests auf der Radrennbahn haben außerdem gezeigt, dass Radsätze mit Felgenprofilen, wie sie DT Swiss hier verwendet, bei frontalem Gegenwind und einer seitlichen Anströmung bis etwa 5 ° durchaus mit vielen Hochprofilfelgen mithalten können. Bei seitlicher Anströmung sparen Aero-Laufräder zwar Vortriebskraft ein, jedoch nur bis zu dem Punkt, wo ihre Seitenwindanfälligkeit ins Spiel kommt.
Was die Performance angeht ziehen DT Swiss Dicut und Spline also gleich; feststellen muss man aber auch: Die PR 1400 umgibt der Hauch des Exklusiven, während die P 1800 doch ein wenig nach „Brot und Butter“ aussehen. Wer ein edles Rennrad sein Eigen nennt und auf die 200 Gramm Gewichtsersparnis sowie den satten Sound des Zahnscheibenfreilaufs Wert legt, der sollte in den teureren Radsatz investieren; wer in erster Linie solide Qualität und sehr gute Funktion für sein Mittelklasse-Bike sucht, ist mit der günstigeren Variante gut beraten. In beiden Fällen gilt: DT Swiss zeigt, dass auch im Zeitalter der Aero-Carbonradsätze Laufräder aus Aluminium nicht zum alten Eisen gehören.
DT Swiss PR 1400 Dicut
Preis: 828 Euro
Gewicht: 1.450 Gramm (mit Felgenband zzgl. Spannachsen)
Pro
+ Geringes Gewicht
+ Zahnscheibenfreilauf
+ Hochwertige Verarbeitung
Contra
– Hoher Preis
– Tubeless-Montage schwieriger
DT Swiss P 1800 Spline
Preis: 388 Euro
Gewicht: 1.650 Gramm (mit Felgenband zzgl. Spannachsen)
Pro
+ Nicht übermäßig schwer
+ Solide Machart
Contra
– Felgenstoß nicht ganz sauber verarbeitet
Fazit
Der Vergleich zeigt: Auch wenn sich die DT-Swiss-Laufradsätze in vielen technischen Details unterscheiden, sind sie doch in Sachen Fahrverhalten identisch. Der Zahnscheibenfreilauf spricht für den PR 1400 Dicut, die dickere Felgenflanke für den P 1800; die vielen anderen Unterschiede sind eher in der Theorie von Bedeutung. Besonders für Leichtbau-Fans wiegen 200 Gramm Gewichtsunterschied jedoch schwer. Andererseits: 440 Euro Aufpreis sind auch nicht ohne…