Test: Der aerodynamische Alu-Carbon-Radsatz macht mit seinem relativ günstigen Preis auf sich aufmerksam. Lohnt sich die Ersparnis gegenüber einem Vollcarbon-Radsatz?
„Strong, light, cheap – pick two“ lautet der berühmte Ausspruch, der dem Laufradexperten Keith Bontrager zugeschrieben wird. Ausreichend „stark“ sind heute die allermeisten Laufräder, also wandeln wir den Satz etwas ab (und deutschen ihn dabei gleich ein): Aerodynamisch, leicht, preiswert – wähle zwei.
Vor dieser Entscheidung steht heute so ziemlich jeder Laufrad-Käufer: Will er einen aerodynamisch optimierten, leichten Radsatz sein eigen nennen, muss er definitiv eine vierstellige Summe investieren, darunter sind Vollcarbon-Felgen nun mal nicht zu haben. Allerdings kann man sich fragen, wie leicht eigentlich „leicht genug“ ist. Wer – wie etwa im Triathlon – längere Strecken mit gleichbleibend hoher Geschwindigkeit absolvieren möchte, muss nicht auf jedes Gramm achten und könnte auch mit Verbundfelgen glücklich werden – die locken nämlich mit deutlich geringeren Preisen. Bontrager, die Komponenten-Marke von Trek, macht’s mit dem Aeolus Comp 5 TLR vor: Gerundet 900 Euro ruft der Anbieter für diesen 50-mm-Radsatz auf, und die Gewichtsangabe von 1.860 Gramm klingt angesichts dieses Preises durchaus akzeptabel – das lohnt einen näheren Blick.
Eine Besonderheit von Verbundfelgen dieser Art ist, dass der Carbon-Anteil lediglich eine Verkleidung darstellt, welche die aerodynamischen Eigenschaften optimieren soll. Zum Gewicht des tragenden Bauteils, also der Alu-Felge, kommt also das der Carbon-Verkleidung, sodass die Verbundfelge immer einen Gewichtsnachteil hat. Beim vorliegenden Radsatz hält sich dieser freilich in Grenzen, denn der Aeolus Comp 5 TLR dürfte auf einen Radsatz wie dem bewährten Bontrager Race TLR basieren, worauf das Innenmaß der Felgen von 17,5 mm hinweist. Der stabile, günstige Alu-Radsatz, bei Velomotion jahrelang am Querfeldeinrad bewährt, wiegt an die 1.750 Gramm – angesichts der echten 1.940 Gramm des Aeolus (VR 810/HR 1.130 g zzgl. Felgenband usw.) kann man also von 100 Gramm pro Laufrad sprechen, die in die bessere Aerodynamik investiert werden. Wobei die Verkleidung nicht alles ist: Zusätzlich ist der Radsatz natürlich mit Flachspeichen aufgebaut, wogegen der Race TLR (wie sein Nachfolger Paradigm TLR) mit konventionellen Rundspeichen versehen ist. An dieser Stelle kann der Radsatz einen Vorzug gegenüber Carbon-Laufrädern ausspielen, denn konstruktionsbedingt sitzen die Speichennippel unsichtbar tief drinnen in der Alu-Felge. Das sieht schön aus; was es aerodynamisch bringt, lässt sich jedoch schwer beurteilen, nicht zuletzt wegen der Bohrungen am inneren Felgenrand. Außerdem muss zum Zentrieren der Reifen demontiert und ein langer Steckschlüssel bemüht werden. Die 18 Speichen im Vorderrad sind radial verlegt, hinten werden 24 Speichen zweifach gekreuzt. Angesichts der eher schlicht gestalteten Naben kommen klassisch gekröpfte Speichen zum Einsatz, was funktionell jedoch kein Nachteil ist.
Extrem sauber ausgeführt ist die Verbindung zwischen Alu-Felge und Carbon-Verkleidung. Der Übergang ist kaum spürbar, der Spalt zwischen den zwei Materialien extrem schmal, überhaupt machen die Felgen einen sehr hochwertigen Eindruck. Die nach heutigen Maßstäben eher geringe Maulweite (17,5 mm) ist angesichts des Einsatzzwecks kein Nachteil: Wer auf optimale Aerodynamik achtet, wird maximal 25 mm breite Reifen aufziehen.
Bontrager gehört zu den Vorreitern der Tubeless-Technologie und stattet natürlich auch diesen Radsatz mit einem entsprechenden Felgenbett aus. Im Lieferumfang enthalten sind gut dichtende Ventileinsätze sowie die hauseigenen Tubeless-Felgenringe, die hier allerdings nicht praxistauglich sind: Sie vergrößern den Durchmesser am Felgenbett so stark, dass die Reifenmontage zum Kraftakt wird – mit der zusätzlichen Gefahr, den Reifen später nicht mehr von der Felge zu bekommen. Aufheben sollte man die weißen Ringe aber dennoch: Sie eignen sich hervorragend dazu, eine konventionelle Felge tubeless-fähig zu machen.
Mit regulärem Tubeles-Felgenband ist jedoch alles ganz einfach: Der Conti 5000 TL dichtet sofort und dauerhaft ab und lässt sich später leicht von der Felge ziehen. Der rollwiderstandsoptimierte Pneu baut eher schmal und passt damit perfekt zur Bontrager-Felge; allerdings ist auch er nicht gerade superleicht, was dazu führt, dass der fahrfertige Radsatz mit Spannachsen und Kassette knapp über drei Kilo wiegt. Das ist ernüchternd – wird es sich deutlich auf die Fahreigenschaften auswirken?
Die Bedeutung des Laufradgewichts beim Beschleunigen wird tendenziell überschätzt, was man gut feststellen kann, wenn man im Sitzen antritt. Hier zeigt sich der Aeolus Comp 5 TLR mit gefühlt hoher Steifigkeit von seiner guten Seite: Wie gewohnt geht das Rad nach vorne und bald ist eine angenehme Reisegeschwindigkeit erreicht. Am Steilstück im Wiegetritt ist das Plus an Masse – ein ganzes Pfund mehr als der normalerweise gefahrene Alu-Radsatz – dann aber schon zu spüren: Das Rad lenkt etwas träger ein und lässt sich nicht ganz so leicht unter dem Fahrer bewegen.
Bei leichtem Wind erweisen sich die Bontrager-Räder als angenehm neutral und verhalten sich unauffällig, wenn sich durch eine Straßenbiegung die relative Windrichtung ändert. Auch bei hohem Tempo bergab zerrt der Fahrtwind nicht merklich stärker an den Felgen. Ob man auf einem welligen Kurs mit den 50 mm tiefen Felgen schneller unterwegs ist, lässt sich andererseits nicht sicher sagen – Tagesform und Windverhältnisse dürften hier ebenso relevant sein wie die vermuteten Vorteile der Aero-Felgen. In jedem Fall fährt sich der Radsatz sehr angenehm und dürfte für alle, die aerodynamisch weiterkommen wollen, eine gute Wahl sein.
Es kann sich aber auch lohnen, etwas mehr zu investieren, denn schon für 1.300 Euro bietet Bontrager den Aeolus Pro 5 TLR an – ein echter Vollcarbon-Radsatz, der laut Hersteller rund 150 Gramm weniger wiegt und dazu den Vorteil einer um 2 mm größeren Maulweite bietet, also gut für breitere Reifen geeignet ist. Angesichts dieses hauseigenen Konkurrenten kann der Aeolus Comp nur noch den Vorteil der Alu-Bremsfläche ins Feld führen – wenn es einer ist: Durch die bereits erwähnten Bohrungen in der Carbon-Verkleidung, durch die die Speichen führen, kann an Regentagen Wasser eindringen, das dann nur schwer wieder rauszukriegen ist. Ein Aero-Radsatz für schlechtes Wetter ist dies also nicht, das vermutete bessere Nassbremsverhalten der Alu-Flanken kann nicht als Argument herhalten.
Und damit bleibt es eine Preis-Frage, ob man sich für den Bontrager Aeolus Pro 5 TLR entscheidet – wer das höhere Gewicht angesichts der vermutlich guten Aerodynamik in Kauf nimmt, bekommt einen funktionellen und top verarbeiteten Radsatz, der in Sachen Fahrspaß jedoch nicht ganz vorne mitspielen kann.