Test SRAM Force AXS XPLR: In ihrer neuen Version glänzt die mittlere der drei elektronischen SRAM-Gruppen mit neuer, kompakterer Hebelform, elegantem Look und bewährter Funktionalität. Wer gerne Trail-orientiert gravelt, dürfte außerdem an der elektronischen Dropper Post Gefallen finden, die über die Schalthebel bedient wird – ein weiteres Alleinstellungsmerkmal der kabellosen Komponentengruppe.
SRAM steht heute für ein ganzes Ökosystem an Bauteilen, das weit über die reinen Komponentengruppen hinausgeht. Der Konzern hat in den vergangenen Jahren relevante Marken aufgekauft, und so braucht man heute eigentlich nur noch einen Rahmen und einen Sattel – alles andere können die Amerikaner beisteuern, bis hin zur RockShox-Federgabel und Gravel-Reifen von Zipp.
SRAM Force XPLR AXS: Neue Griffe, bewährte Funktionalität
Im Mittelpunkt stehen aber immer noch die Komponentengruppen, und hier hat SRAM unlängst mit der neuen Force AXS und der 1×12-Variante SRAM Force XPLR AXS nachgelegt. In der mittleren der drei elektronischen Schaltgruppen der Marke finden sich Elemente der günstigen Rival AXS wie der superteuren Red AXS: Von ersterer hat die neue Force die Formgebung der Griffe, von letzterer den mit Quarq-Powermeter ausgestatteten Kurbelsatz mit Direct-mount-Kettenblatt. Dabei ist die Force der Top-Gruppe Red freilich näher als der Rival, denn wie erstere wird sie weitgehend aus Carbon gefertigt, was gegenüber der günstigen Gruppe einen deutlichen Gewichtsvorteil ergibt.
Velomotion hat die neue Force XPLR AXS an den „Juniper“-Gravelrahmen der jungen Hamburger Herstellers Sciu (hier geht’s zumTest) montiert und das so entstandene Komplettrad einem Fahrer übergeben, der bisher nur wenig Kontakt mit den Komponenten der US-Firma hatte – und sich erst einmal mit dem ungewohnten Schaltprinzip vertraut machen musste. Wie also bedient man die SRAM-Gruppe? Vom „DoubleTap“-Prinzip der mechanischen Hebel, deren Schaltpaddel ebenso zum Hoch- wie zum Runterschalten dient, hat sich SRAM mit Einführung der ersten elektronischen Gruppe verabschiedet. „eTap“ funktioniert anders: Bei der AXS dient das Paddel des rechten Hebels zum Hochschalten (= schwerere Gänge), das des linken Hebels zum Runterschalten (= leichtere Gänge). Wird die Gruppe mit Doppelkettenblatt gefahren, betätigt man den Umwerfer, indem man auf beide Paddel drückt.
Übersichtliche Bedienung, gut erreichbare Tasten
Hat man sich einmal an das Schaltprinzip gewöhnt, kommt man sehr gut damit klar, zumal es einige Vorteile hat. So muss man sich weder darauf konzentrieren, die richtige von zwei dicht beieinanderliegenden Tasten zu erwischen (Shimano), noch muss man zwei recht weit auseinander liegende Schalter bedienen (Campagnolo). Das bei der neuen SRAM Force noch etwas größere Schaltpaddel lässt sich Bremsgriff- wie in Unterlenkerhaltung gut erreichen, sodass man sich beim Gangwechsel nicht die Hände verrenkt. Wer auch vom Oberlenker aus schalten will, kann unterm Lenkerband zusätzliche Tasten („Blips“) verlegen, die wie alle anderen Komponenten per Funk miteinander kommunizieren. Dass SRAM komplett auf elektrische Leitungen verzichtet, bedeutet auch, dass die Montage der Gruppe ziemlich einfach ist. So muss keine zentrale Batterie in den Rahmen integriert werden, und über die Kabelführung braucht man sich auch keine Gedanken machen. Schaltwerk wie Umwerfer werden durch den jeweils eigenen Akku allerdings ziemlich groß.
Ein Umwerfer ist jedoch an den wenigsten mit SRAM ausgestatteten Gravelbikes dran – der Hersteller favorisiert in diesem Marktsegment den „One-by“-Antrieb, dessen zwölf Gänge am Testrad einen großen Übersetzungsumfang bieten. 40er Kettenrad und 10-44er Kassette stellen ebenso einen langen Schnellgang zur Verfügung wie eine „Untersetzung“ für steile Anstiege. Für das anspruchsvolle Auf und Ab des Bayerischen Waldes ist man mit einem solchen Getriebe bestens gewappnet.
Von der Präzision und Schnelligkeit der Gangwechsel zeigt sich auch ein überzeugter Anhänger konkurrierender Systeme beeindruckt. Die „Flattop“-Kette läuft hörbar, aber geschmeidig von einem Ritzel aufs andere, wobei auch die großen Sprünge bei den Berggängen mit 32–38–44 Zähnen kein Problem darstellen. Die Bremsanlage der SRAM Force überzeugt mit viel Biss und hat auch mit einem hohen Gesamtgewicht leichtes Spiel; in Sachen Dosierbarkeit muss sie sich nicht vor der Konkurrenz verstecken.
Dropper Post statt Umwerfer
Nochmal zurück zur Schaltung – der Verzicht auf den Umwerfer bei der SRAM AXS bietet einen unschlagbaren Vorteil: Die eigentlich für ihn reservierte Tastenkombination kann für eine elektronische Dropper Post genutzt werden, wie sie SRAM im markenübergreifenden XPLR-Kosmos anbietet. Die RockShox Reverb AXS Explore ist am Testrad mit 75 mm Verstellweg montiert (es gibt auch eine 50-mm-Variante) und bewährt sich bei Steilabfahrten, wo sich das Rad aufgrund der Sattelüberhöhung etwas kopflastig anfühlen könnte. Der Druck auf beide Schaltpaddel gibt die Stütze frei: Geht man aus dem Sattel, fährt sie aus; bleibt man sitzen, drückt man sie nach unten. Etwas gewöhnungsbedürftig ist die Eigenschaft einer Dropper Post, sich bei jedem Pedaltritt minimal zu verdrehen, was einem irgendwann aber nicht mehr auffällt.
Die Stütze ist mit demselben Akku ausgestattet wie das Schaltwerk, scheint aber mehr Strom zu verbrauchen als dieses – gut, dass man per App den jeweiligen Ladestand checken kann. Die Position des Stromspeichers scheint etwas ungünstig, wenn man eine Satteltasche montieren will.
Schaltgriffe: Kompakter, aber breiter
Im Vergleich zur alten SRAM Force sind die Griffe der neuen Gruppe etwas kompakter geworden; den großen Händen unseres Testfahrers passen sie aber vorzüglich, zumal die Auflagefläche oben breiter geworden ist. Allerdings bemängelt der Tester den Übergang vom Griffgummi zum Lenkerband: Ersteres stülpt sich über letzteres, anstatt so schön glatt abzuschließen, wie er es von seinen Shimano-Griffen gewohnt ist. Der Lenker selbst kommt von Zipp und trägt ebenfalls das XPLR-Logo; Gravel-spezifisch wird er durch die spezielle Form: Die Lenkerbögen sind leicht um 5° nach außen abgewinkelt („Flare“), dazu sind die Lenkerenden ebenfalls abgewinkelt, und zwar um deutliche 11°, stehen also nicht parallel zueinander. Außerdem ist der sogenannte „Drop“, also der vertikale Abstand vom Oberlenker zu den Lenkerenden, mit 115 mm sehr gering. All das sorgt dafür, dass man bequem in Unterlenkerhaltung fahren kann, wobei Hände und Arme entspannt ihre Position finden. Der Lenker ist unten insgesamt 6 cm breiter als oben, was bedeutet, dass man sich in Bremsgriffhaltung aerodynamisch günstig positionieren kann, während man in Unterlenkerhaltung durch den größeren Hebel Stabilität gewinnt – etwa bei schnellen Abfahrten auf schwierigem Untergrund.
Zipp ist in erster Linie ein Laufradproduzent, und ohne einen Radsatz der Marke ist kein XPLR-Gravelbike komplett. Mit den bekannten Aero-Laufrädern mit ihren golfballähnlichen „Dimples“ haben die Zipp 101 XPLR freilich wenig gemeinsam. Die Gravel-Felgen verzichten auf eine Hohlkammer und erinnern damit eher an klassische Westwood-Stahlfelgen; mit 27 mm Maulweite sind sie sehr breit, außerdem mit Hookless-Seitenwand ausgestattet.
„Tiefbettfelge“ mit höherem Komfort
Die ungewöhnliche Form soll zu etwas führen, was Zipp „Ankle compliance“ nennt: Am Reifenaufstandspunkt soll sich die Felge seitlich verdrehen können, wobei die Speichenbohrung sozusagen das Gelenk darstellt. Zipp verspricht sich davon besseren Reifenhalt auf dem Untergrund sowie eine Entlastung der Reifenflanken, und auch dem „Burping“ – also Luftverlust bei scharfer Kurvenfahrt, weil der Reifen nach innen gedrückt wird –, dürfte es vorbeugen. In jedem Fall fühlt sich der Radsatz durchaus komfortabel an, was natürlich auch an den 45 mm breiten Schwalbe G-One Allround liegt. Schmaler sollte es angesichts der großen Maulweite nicht unbedingt werden. Der mit rund 1.650 Gramm noch recht leichte Radsatz gefällt auch mit einfacher Montage der Tubeless-Reifen; 66 Rasterpunkte im Freilauf sorgen für minimalen Leerweg, wenn man rollen lässt und dann wieder antritt.
Am großen Rahmen – das Steuerrohr ist satte 205 mm lang, der Radstand misst 105 cm – sorgen die breiten Reifen für eine ausgewogene Optik; in Sachen Komfort und Fahrsicherheit sind sie sowieso ein Plus. Ein breiter Reifen am Vorderrad kommt durch die kürzere Aufstandsfläche außerdem der Handlichkeit zugute, von der das Sciu Juniper ohnehin genug hat. Das Rad ist steif beim Antritt und agil auf schmalen Trails durch den Wald, mit einem Gesamtgewicht von 9,48 Kilo (mit schweren Pedalen, Flaschenhalter und Radcomputer) dabei überraschend leicht. Immerhin wiegt die Dropper Post knapp 350 Gramm mehr als eine Carbonstütze, und auch Bauteile wie die breiten Reifen machen sich bemerkbar.
Etwa 7.000 Euro dürfte das Komplettrad mit der SRAM Force AXS XPLR kosten; mit günstigeren Laufrädern und ohne versenkbare Stütze kann man die perfekte Funktion der Gravel-Gruppe freilich schon um 5.500 Euro genießen. Und auch als Upgrade machen die SRAM-Teile Sinn – ohne Powermeter und Innenlager kostet die 1×12-Gruppe wie am Testrad rund 1.940 Euro. Mir ihren schimmernden Oberflächen ist das Set eine Zierde für jedes Gravelbike, und dank der kabellosen Schaltung lässt sich die SRAM Force leichter montieren als die Schaltgruppen aller anderen Hersteller. Ausprobieren lohnt sich…