Test: Das spanische Unternehmen Rotor präsentiert ein Powermeter, das zum attraktiven Preis diverse schlaue Features liefert, relativ einfach zu installieren ist und am Rad formschön und unauffällig wirkt.
Powermeter sind längst nicht mehr nur etwas für Radprofis oder ambitionierte Amateure. Ein SRM am Rad mag nach wie vor das Statussymbol des Jungamateurs sein, doch neben dem teuren Pionier sind diverse Hersteller hochgekommen, die seriöse Leistungsmessung zu erschwinglichen Preisen ermöglichen. Einer davon ist Rotor, das spanische Unternehmen, das vor Jahren mit einem praktischen Kettenfänger antrat und auf der Eurobike erstmals eine komplette hydraulische Schaltgruppe präsentierte. Bekannt sind die Spanier natürlich für ihre leichten Alu-Kurbelsätze, die es auch mit integrierter Leistungsmessung gibt.
Los ging’s mit dem Modell Power, das eine getrennte Messung für jedes Bein lieferte; darauf folgte die Power LT mit nur linksseitiger Messung zu einem günstigeren Preis. Nun ist mit der InPower ein drittes Modell auf den Markt gekommen, das angesichts seines günstigen Preises zum Kassenschlager werden könnte: Ab 649 Euro ist das System zu haben, wobei sich dieses Angebot an Radsportler richtet, die bereits einen Rotor-Kurbelsatz am Rad haben. Denn in der Basisversion gibt es nur die linke Kurbel mit daran befestigter Welle, auf die man eine vorhandene rechte Rotor-Kurbel montieren kann.
Wir haben zum Test einen kompletten Kurbelsatz erhalten – die sehr leichte Ausführung 3D+ mit einem Gewicht von 530 Gramm für Welle und beide Kurbeln ohne Kettenblätter und Innenlager, die mit 899 Euro zu Buche schlägt. Klappt man den Karton auf, indem die formschönen Alu-Kurbeln liegen, muss man erst einmal genau hinschauen, um einen Hinweis auf die Messelektronik zu finden, die in Zusammenarbeit mit dem spanischen Technologiekonzern Indra entwickelt wurde: Aha, am linken Kurbelarm befindet sich ein kleiner Fortsatz aus Kunststoff, außerdem kann man durch die 30-mm-Welle nicht wie üblich durchsehen – links sitzt eine Klappe, die zum Öffnen gedreht wird, rechts hinter dem Gewinde für die Kurbelschraube ein kleiner Deckel. Dies legt die Lösung des Rätsels nahe: Die Sensorik befindet sich in der Tretlagerwelle, deren Torsion gemessen wird; per ANT+ werden die ermittelten Daten an den Radcomputer gesendet. Und da das System auch einen Beschleunigungssensor umfasst, kann auf Magneten zur Erfassung der Tretfrequenz verzichtet werden – mehr als die etwas anders geformte linke Kurbel ist als nicht zu sehen.
Kompatibel mit allen Tretlagerstandards
Beim Anblick der 30-mm-Welle kommt kurz Unsicherheit auf: Hmm, was für einen Tretlagerstandard muss denn der Rahmen aufweisen, damit das Ding hineinpasst? Völlig egal – Rotor hat Innenlager für jeden Rahmen, auch für solche, die noch geschraubte Lagerschalen (BSA/ITA-Gewinde) benötigen. Also bestellen wir aus dem UBB-Sortiment ein BSA-Innenlager, das fix im Rahmen montiert ist. Nun wird die Kurbel eingeschoben (der Klemmring eliminiert etwaiges axiales Spiel), die rechte Kurbel wird, mit unseren Kettenblättern versehen, aufgeschraubt – fertig.
Um aus dem Kurbelsatz ein Powermeter zu machen, fehlt jedoch noch etwas – eine Stromquelle. Hier kommt die bereits erwähnte Klappe ins Spiel: Dahinter verbirgt sich ein Schacht, die den eine herkömmliche AA-Batterie eingeschoben wird. Das ist extrem praktisch, denn so spart man sich teure, fummelig einzulegende Knopfzellen, die man überdies nicht überall bekommt. AA-Batterien hat dagegen jede Tankstelle auf Lager. Die Klappe ist per O-Ring gedichtet und gefettet und schließt sehr eng ab, dürfte also dauerhaft wasserdicht sein.
Schnelle und einfache Kalibrierung
Zur Anzeige der Messdaten verwenden wir einen Garmin Edge 1000, der mit seinem hochwertigen Bildschirm, der klaren Menuführung und der individuell konfigurierbaren Anzeige eine gute Wahl für die Nutzer eines Powermeters ist. Das Rotor-System wird vom Garmin sofort erkannt, nachdem es durch ein paar Kurbelumdrehungen aktiviert worden ist. Auch die Kalibrierung ist einfach: Dazu muss der linke Kurbelarm senkrecht nach unten zeigen; dann berührt man die Schaltfläche „Kalibrieren“ auf dem Touchscreen. Sobald der Wert 1000 angezeigt wird, dreht man die Kurbeln ein paar Mal nach hinten, stellt das linke Pedal wiederum senkrecht nach unten und wiederholt die Prozedur. Wenn nun ein Wert zwischen plus und minus 200 angezeigt wird, hat es geklappt und das System ist startklar. Nicht vergessen darf man, die Kurbellänge einzugeben, die zur Berechnung des Drehmoments nötig ist.
Dass ein Powermeter eine sinnvolle Sache ist, wird einem bereits auf den ersten paar Kilometern klar. Der Durchschnittsradsportler merkt nämlich schnell, dass er im Grunde permanent in einem völligen Durcheinander der Trainingsbereiche unterwegs ist. Der kurze, steile Anstieg nach einigen Minuten lockeren Einrollens wird bereits im Spitzenbereich absolviert; danach geht erst einmal nur im unteren GA-1-Bereich. Hat man sich wieder gefangen, stellt man fest, dass die Leistung schon bei minimalen Wellen steil nach oben geht, um dann stark abzusinken – ein regelrechter Jojo-Effekt, der entsteht, wenn man bemüht ist, ein gleichmäßiges Tempo zu fahren. Noch extremer ist es an längeren Anstiegen und Abfahrten: Erstere fährt man beinahe ausschließlich im Entwicklungs- und Spitzenbereich; letztere können nicht einmal als Training bezeichnet werden, zumal man trotz fleißigen Kurbelns kilometerlang keine 100 Watt auf die Pedale bringt.
Training mit Leistungsmessung sorgt für eine überlegtere Fahrweise
Wer genau in sich hineinhört, mag diese Erkenntnisse im Groben auch durch sein Körpergefühl erlangen. Allerdings tritt das Belastungsgefühl oft zeitversetzt zur Leistung ein und hat manchmal sogar gar nichts mit ihr zu tun. Beispiel Tretfrequenz: Von den gewohnten 90 Umdrehungen bei gleichbleibendem Tempo auf eine 100er Frequenz zu erhöhen, fühlt sich trotz gleich bleibender Leistung deutlich anstrengender an, weil die Belastung für das Herz-Kreislauf-System größer ist – und mithin auch der Trainingseffekt.
So bringt einen das Training mit dem InPower schnell zu einer überlegteren Fahrweise – was gerade für Breitensportler hilfreich ist, die vielfach zu intensiv trainieren. Wer von hier den Schritt zu wirklich systematischem Training wagt, kommt um eine Leistungsdiagnostik nicht herum. Als Vorstufe kann ein 20-minütiger Test auf der Straße dienen, bei dem man alles gibt – aber nicht zu früh, sodass man gegen Ende noch zulegen kann. Anhand der erbrachten Durchschnittsleistung (abzüglich 5 %) ermitteln diverse Online-Rechner die individuellen Trainingsbereiche; wie man aus diesem Wissen das Beste macht, erklären wiederum professionelle Trainingsinstitute, so etwa KOM*Sport in Köln, wo wir uns ausführlich zum Thema Leistungsmessung beraten ließen.
Dort überprüften wir auch auf einem wissenschaftlichen Cyclus-2-Ergometer die Genauigkeit unseres Rotor-Systems. Bei einem 10-Minuten-Test mit 200 Watt Durchschnittsleistung sowie separat gemessenen drei Minuten bei 350 Watt zeigte das InPower eine gleichbleibende Abweichung von + 5 %. Diese dürften zu etwa gleichen Teilen auf die unvermeidlichen Messtoleranzen wie auf den Wirkungsgrad des Kettenantriebs zurückzuführen sein, der je nach Wartungszustand zwei oder mehr Prozent Leistung schluckt. Mit diesen Werten liegt die InPower-Kurbel übrigens auf dem Niveau diverser anderer Powermeter.
Rotor bietet zu seinem System ein umfangreiches Softewarepaket an, das weniger zur Auswertung der Daten als zum Set-up der Messkurbel und zum Upload neuer Software dient. Da die InPower einseitig links misst, kann es bei starken muskulären Unterschieden zwischen linkem und rechtem Bein sinnvoll sein, den Faktor anzupassen, mit dem die Leistung des linken Beins multipliziert wird. Messungen mit einem Fahrer, der nach einer Knieoperation deutlich weniger Kraft im rechten Bein hatte (gut sichtbar am geringeren Oberschenkelumfang), zeigten jedoch, dass diese Rechts/links-Balance weniger wichtig ist, als allgemein angenommen wird. Bei Tests mit unterschiedlichen Leistungsmesspedalen wurde nämlich mal das linke Bein, mal das rechte stärker gewertet, und selbst dann waren die Abweichungen gering – 52 zu 48 % bzw. 47 zu 53 %. Bei Messpedalen oder Kurbeln, die die Leistung jedes Beins einzeln messen, verdoppelt sich natürlich auch das Risiko, dass Messtoleranzen die Werte beeinflussen.
Für optimale Ausrichtung von Q-Rings
Ein sehr interessantes Feature der Rotor-Software richtet sich an die Nutzer der hauseigenen asymmetrischen Kettenblätter, Q-Rings genannt. Die Elektronik der InPower misst, an welchem Punkt der Pedalumdrehung das aufgebrachte Drehmoment am größten ist, was von der Analysesoftware grafisch dargestellt wird. Anhand dieser Informationen kann man die Q-Rings optimal ausrichten, ohne lange herumexperimentieren zu müssen.
Fazit
Am Ende etlicher Fahrten und Indoor-Tests mit der Rotor InPower ist unser Fazit eindeutig: Bei der Suche nach einem geeigneten Powermeter sollte die Rotor InPower auf jeden Fall in die engere Wahl kommen. Neben dem günstigen Preis und der hohen Genauigkeit gefallen auch Merkmale wie die unauffällige Integration der Sensorik, die Stromversorgung per AA-Batterie und der Verzicht auf Speichenmagneten etc. Wer mehrere Räder mit Rotor-Kurbelsätzen besitzt, kann das Powermeter einfach zwischen ihnen hin und her wechseln – vom Trainings- zum Wettkampfrad und im Winter ans Cyclocross-Bike. Und überhaupt: Wer schneller Rad fahren will und ein paar Hundert Euro übrig hat, sollte diese ohnehin nicht in einen neuen Aero-Laufradsatz oder leichte Carbonteile stecken, sondern in ein Powermeter – vielleicht ja ins Rotor InPower.