Radsport: Es brodelte in den vergangenen Jahren immer wieder zwischen dem Radsport-Weltverband UCI und der ASO, die unter anderem die Tour de France austrägt. Nun scheint der Machtkampf eskaliert zu sein. Auf Grund der angekündigten WorldTour-Reformen vermeldete die ASO, sie würde 2017 alle ihre Rennen, darunter auch die Tour und die Vuelta, aus der WorldTour zurückziehen.
Der seit vielen Jahren schwelende Machtkampf zwischen der UCI und den französischen Sportorganisatoren der ASO ist nun an diesem Wochenende eskaliert. Am Freitag gab die ASO bekannt, dass sie sämtliche ihrer Rennen 2017 aus der WorldTour zurückziehen wird. Dies betrifft natürlich die Tour de France, aber ebenso die Vuelta a Espana, Paris-Nizza, Critérium du Dauphiné, La Flèche Wallonne, Liège-Bastogne-Liège und Paris-Roubaix. Diese Rennen werden also in der übernächsten Saison in der HC-Kategorie ausgetragen, die den Veranstaltern einen wesentlich größeren Spielraum einräumt. Doch wie kam es überhaupt zu diesem Streit, worum geht es und was bedeutet die Entscheidung der ASO?
Um die Ursachen für den Konflikt UCI vs. ASO zu finden, muss man einige Jahre zurückgehen – genauer gesagt in das Jahr 2008. Damals gab es nämlich eine ganz ähnliche Auseinandersetzung zwischen den beiden Radsport-Großmächten – es ging um den WorldTour-Vorgänger: Die Protour. Diese war nämlich ganz im Gegensatz zur momentanen WorldTour ein ‚geschlossenes System‘ – Teams und Fahrer waren langfristig gebunden und bekamen demzufolge auch über mehrere Jahre eine Startgarantie für die wichtigsten Rennen. Das ist entscheidend für Sponsorenverträge und Zukunftsplanung.
Der ASO war dies ein Dorn im Auge, denn natürlich bedeutet es auch, dass die Veranstalter ein Stück weit in ihren Rechten eingeschränkt werden, wenn es um die Startplätze bei ihren Rennen geht. Der Streit damals ging so weit, dass die UCI die Teams aufforderte, Paris-Nizza – ein ASO-Rennen – zu boykottieren und bei Weigerung mit einem Ausschluss drohte. Bereits damals beschrieb Patrick Lefevre, damaliger Sportlicher Leiter bei QuickStep, das Dilemma für Teams und Fahrer: „Wir müssen uns zwischen dem Schießkommando und der Guillotine entscheiden. Wenn wir am Rennen teilnehmen, werden wir von der UCI sanktioniert. Halten wir uns an die Anweisungen der UCI, bekommen wir wahrscheinlich keinen Startplatz bei der Tour.“
Die Situation damals beruhige sich wieder und spätestens mit der Einführung der WorldTour und dem damit verbundenen, wesentlich offeneren System, mit mehr Freiheiten für Organisatoren wie ASO, beruhigte sich die Lage. Für 2017 kündigte die UCI umfassende Reformen für die WorldTour an, die unter anderem Dreijahresverträge für die Teams miteinschließen und damit wieder einen Schritt zurück zu einem geschlosseneren System gehen. Man wolle damit den Teams helfen und ihnen langfristige finanzielle Planungssicherheit gewährleisten, begründete UCI-Präsident Brian Cookson die Reformen.
Dies rief natürlich die ASO wieder auf den Plan, die bis zuletzt versuchte, die geplanten Änderungen abzuwenden und mehrmals damit drohte, ihre Rennen aus der WorldTour zurückzuziehen – doch die UCI blieb hart. Somit wird weder die Tour, noch die Vuelta, noch Paris-Roubaix ein Teil der WorldTour 2017 sein. All diese Rennen werden dann als HC Rennen der UCI Europe Tour geführt – die UCI Regeln gelten also nach wie vor, jedoch befreit sich ASO von den Restriktionen der WorldTour. Die Crux an der Sache: Bei HC Rennen dürfen höchstens 70% der teilnehmenden Mannschaften WT-Teams sein. Für die Tour würde dies (bei 22 startenden Teams) bedeuten, dass lediglich 15 von 18 WT-Rennställen am Grand Boucle 2017 an den Start gehen dürften. Die Macht darüber, wer die begehrten Startplätze erhält hat dann allein die ASO.
Wieder werden die Teams, die Profis und auch wir Fans zwischen den Stühlen sitzen. Das Machtgerangel zwischen ASO und UCI findet auf dem Rücken des Sports statt – der Vorstoß der ASO nützt keinem der Beteiligten außer der ASO selbst. Die Diskussionen werden sicherlich andauern, und bis 2017 ist es auch noch eine Weile hin – doch die Fronten sind momentan so verhärtet, dass leider nicht mit einer Einigung zu rechnen ist.