Radsport: Nachdem es in den vergangenen Wochen nach dem Motordoping-Zwischenfall bei der U23 Cyclocross WM im Februar wieder etwas ruhiger rund um das Thema geworden war, sorgt heute ein Bericht der italienischen Tageszeitung Corriere della Sera in Zusammenarbeit mit der französischen TV-Sendung Stade 2 für einen Paukenschlag. Demnach hätte man per Wärmebildkamera eindeutig nachgewiesen, dass sowohl bei der Strade Bianche, wie auch beim Etappenrennen Coppi e Bartali Fahrräder mit versteckten Motoren im Einsatz waren.
Steht dem Radsport sein nächster großer Skandal bevor? In einem mehrseitigen Bericht der italienischen Tageszeitung Corriere della Sera wird behauptet, dass es sowohl bei der Strade Bianche wie auch bei der Coppi e Bartali Fälle von Motordoping gab – trotz der neuerlich von der UCI eingeführten Kontrollen. Die beiden Sportjournalisten Thierry Vildary und Marco Bonarrigo hatten sich für beide Rennen eine hochmoderne Wärmebildkamera besorgt und vom Streckenrand die vorbeifahrenden Fahrer gefilmt. Die Analyse der Bilder zeigte bei insgesamt sieben Rädern thermische Auffälligkeiten.
Der Einsatz einer Wärmebildkamera zum Aufspüren von versteckten Motoren war bereits in der Vergangenheit mehrmals im Gespräch gewesen. Diese Art der Kontrolle bietet den großen Vorteil gegenüber den momentan genutzten Methoden, dass ein versteckter Antrieb während des Rennens aufgespürt und der entsprechende Fahrer damit „in flagranti“ erwischt werden könnten. Die Theorie dahinter ist simpel: Jeder versteckte Antrieb – welcher Art auch immer – produziert während des Betriebs eine beträchtliche Abwärme, die den gesamten umliegenden Bereich erwärmt, der dann wiederum durch die Wärmebildkamera erkennbar wird. Wie die Technik funktioniert erläutern die Produzenten der französischen TV-Sendung, die Teil der Untersuchungen war, im folgenden Video:
https://www.youtube.com/watch?v=oM_4I-jYk_c
Doch nun zurück zu den konkreten Vorfällen: Die Corriere della Sera spricht von insgesamt sieben Rädern bei Strade Bianche und Coppi e Bartali, bei denen die Bilder der Wärmebildkamera ungewöhnlich warme Stellen am Rahmen entdeckte. In dem am Abend ausgestrahlten TV-Bericht sind nur insgesamt drei dieser Fälle zu sehen – doch weder die italienische Tageszeitung, noch Stade 2 nennen konkrete Namen. Unabhängige Experten bestätigten jedoch gegenüber den beiden Journalisten, dass der Grund für die ungewöhnliche Erwärmung mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit versteckte Motoren sind. Uns lassen die Videobilder im Bericht jedoch ein wenig zweifeln: Die leichten Erwärmungen im Bereich des Tretlagers und der Hinterradnabe (in den Berichten wird daraus ein Motor in der Nabe geschlussfolgert) könnten ihren Grund auch in schlecht gewarteten Lagern und der daraus folgenden Reibungswärme haben – auch wenn Motoren natürlich nicht auszuschließen sind.
Auch UCI-Präsident Brian Cookson wird im Rahmen der Sendung mit den Bildern konfrontiert und macht dabei keine sonderlich glückliche Figur. Nachdem ihm versichert wurde, dass mehrere Experten nach Studie der Bilder den Einsatz von Motoren für sehr wahrscheinlich hielten, kommt dem Präsidenten des Weltverbands lediglich ein kurzes, zögerliches „Interessant“ über die Lippen. Andererseits ist die Vorsicht von Cookson angesichts der „Enthüllung“ durchaus verständlich: Die im Beitrag verwendeten Bilder sind bei weitem nicht so eindeutig wie im Beispiel aus obigem Video und dienen so sicherlich nicht als stichhaltige Beweise. Um jedoch dem Thema weiter auf den Grund zu gehen, entschieden sich Vildary und Bonarrigo, den ungarischen Ingenieur Istvan Varjas zu besuchen, der vor einiger Zeit bereits mit der Behauptung Schlagzeilen machte, Profis würden mit Hilfe elektromagnetischer Felgen „Motordoping“ betreiben.
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Varjas zeigte den Journalisten einige seiner jüngsten Entwicklungen, darunter ein winziger, lediglich fünf Zentimeter langer Motor mit einem fast ebenso kleinen Akku. Dieser Antrieb soll über einen kurzen Zeitraum bis zu 250W Unterstützung leisten können. Darüber hinaus hatte Varjas auch eine Carbonfelge zur Veranschaulichung, in die mehrere Löcher gefräst wurden, um das von ihm erwähnte elektromagnetische Antriebssystem zu verstauen. Angeblich nur zu Testzwecken – weitere Details mochte der Ingenieur jedenfalls nicht preisgeben.
Was ist nun also von dem Bericht zu halten? Auch wenn die Bilder der Wärmekamera nicht ganz eindeutig sind und man sich bezüglich konkreter Namen ausschweigt, sollten sie dennoch Anlass für weitere Überlegungen sein – insbesondere seitens der UCI. Eine zusätzliche Kontrolle durch eine Wärmebildkamera würde sich ohne großen Aufwand bewerkstelligen lassen und könnte für eine größere Transparenz sorgen. Ob die Bilder am Ende allerdings zweifelsfrei einen versteckten Motor offenlegen? Darüber müssen Experten entscheiden. Sicher ist jedenfalls, dass das Thema Motordoping mit den heutigen Ereignissen neue Nahrung und die Diskussion neuen Schwung bekommen wird.