Radsport: Bei jedem Radrennen gibt es mindestens einen Gewinner und oftmals sehr viele Verlierer. Natürlich war dies auch auf der 12. Etappe von Montpellier hinauf zum Mont Ventoux der Fall. Nairo Quintana (Movistar) verlor erneut Zeit auf Chris Froome (Sky) und auch Fabio Aru (Astana) erging es nicht besser. Dennoch waren diese beiden Fahrer nicht die großen Verlierer des Tages. Diese waren die Tour de France und der Radsport einmal mehr selbst.
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Der Jury-Eingriff rettet die Situation noch einigermaßen
Als die meisten Fahrer schon im Zielbereich angekommen waren, wussten die Zuschauer noch immer nicht, wer am morgigen Tage das Gelbe Trikot tragen wird. Etwas über eine Stunde nach der Zielankunft wurde dann verkündet, dass Chris Froome und Richie Porte die gleiche Zeit erhalten werden wie Bauke Mollema. Darüber freuen sich natürlich die beiden betroffenen Teams Sky und BMC, doch Unmut gibt es vor allem beim Team Movistar, denn Nairo Quintana hat durch diese Jury-Entscheidung heute erneut wertvolle Zeit verloren. Auch Orica-BikeExchange dürfte enttäuscht sein, denn Jungprofi Adam Yates wird nun doch weiterhin das Weiße Trikot statt dem Gelben Trikot tragen. Dennoch ist die Entscheidung der Tour-Organisation verständlich, denn die Unfälle von Chris Froome und Richie Porte waren völlig unverschuldet zustande gekommen. Durch die Kürzung der Etappe haben sich nicht nur mehr Fans auf weniger Kilometer verteilt, sondern es fehlten ebenso die nötigen Absperrungen.
Das provisorische Ergebnis hätte die Kräfteverhältnisse völlig ad absurdum geführt und der Wettbewerb hätte mit Sport nicht mehr viel zu tun gehabt. Außerdem war es ein wichtiges Signal an die Öffentlichkeit: Wer in das Radrennen eingreift und Fahrer zu Fall bringt, erreicht damit eher das Gegenteil von dem erwünschten Effekt. So oder so: Die Jury konnte beim Treffen ihrer Entscheidung nur konsequent bleiben, denn egal wie diese ausgefallen wäre, hätte es danach Beschwerden von Teams, Fahrern und Fans gegeben. Wenigstens wurde mit dem Eingreifen der Jury nun das Ergebnis hergestellt, welches der Realität am nächsten gekommen wäre. Dennoch hat sich der Radsport einmal mehr lächerlich gemacht. Besonders peinlich: Mit dem offiziellen Twitter-Account machte sich die Tour-Organisation selbst noch darüber lustig. Sie feierten dieses unglückliche Ereignis, obwohl genau solche Vorkommnisse dieser Sportart nicht gut tun.
Immer wieder selbstgemachte Probleme im Radsport
Es ist nicht lange her, da war der Radsport in Deutschland neben dem Fußball und dem Tennis die beliebteste Sportart des Landes. Die Zuschauer saßen in Massen vor den Fernsehgeräten und hätte es damals schon das Public Viewing gegeben – die Deutschen wären zumindest an den Wochenenden zu Tausenden mit dabei gewesen. Diese Zeiten sind leider längst vorbei, obwohl es mit Tony Martin (Etixx-Quick Step), Marcel Kittel (Etixx-Quick Step) und André Greipel (Lotto Soudal) schon seit Jahren wieder viele deutsche Siegfahrer gibt. Natürlich sind die Dopingfälle mit Schuld daran, dass die Zuschauer dem Radsport immer mehr den Rücken gekehrt haben, doch auch in anderen Sportarten ist das Doping allgegenwärtig und dennoch bleiben die Fans dabei. Kuriose Ereignisse, wie der unter dem Zielbogen stecken gebliebene Teambus von Orica-GreenEDGE oder der zusammenbrechende Luftbogen mit der flamme rouge sind zwar die Highlights eines Saisonrückblicks, doch Werbung für den Sport sieht anders aus. Besonders bei den vielen Unfällen mit den Begleitfahrzeugen vergeht dem Zuschauer dann endgültig das Lachen. Diese ganzen Probleme haben jedoch eine Gemeinsamkeit: Sie sind alle selbstgemacht.
Der Radsport und die Medien müssen wieder zusammenrücken
Natürlich ist die Organisation eines Radsport-Events mit einem wesentlich größeren Aufwand verbunden als die eines Fußball- oder Tennisspiels. Dennoch wirkt die Umsetzung im Radsport oftmals amateurhaft und wenig durchdacht. So bringt sich die Sportart selbst in immer noch größere Probleme. Als wäre es nicht Grund genug, sich für die Zuschauer und den eigenen Ruf zusammenzureißen, so spielt dies auch für die Sponsoren eine große Rolle. Nicht ohne Grund wenden sich immer mehr Sponsoren von dieser Sportart ab, so dass Radrennen um ihre Existenz und Fahrer um ihre Verträge bangen müssen. Vergleichen wir den Radsport beispielsweise mit dem Fußball, so stellen wir fest, dass es in den vergangenen Jahren in beiden Sportarten Skandale gegeben hat. Zum Fußball strömen jedoch immer mehr Menschen, als wäre nie ewas gewesen. Dies geschieht durch einen völlig anderen Umgag mit Problemen. Der Radsport begiebt sich selbst immer wieder in eine hoffnungslose Opferrolle, so dass die Skandale fest mit der Sportart verbunden bleiben, während sich die Sportart Fußball von den Skandalen löst und diese abkoppelt. Ein Amateur-Fußballer wird in der Öffentlichkeit nicht mit den Skandalen der Profis konfrontiert, aber ein Amateur-Radprofi sehr wohl.
Dem Radsport endlich eine zweite Chance geben
Die Radsport-Organisationen und -Verbände müssen sich hierbei an die eigene Nase fassen, genauso wie die darüber berichtenden Medien. Die aktuelle Radsport-Generation ständig auf die Dopingfälle der Vergangenheit anzusprechen, ist dem Sport nicht dienlich. Die Nachwuchsfahrer bei der diesjährigen Tour de France standen beim Fuentes-Skandal 2006 gerade einmal am Anfang ihrer Pubertät. Damit wir einen sauberen und fairen Radsport bekommen können, müssen auch die Medien mithelfen. Im Fuentes-Skandal waren neben den Radsportlern auch Profi-Fußballer und Tennisspieler verwickelt. Bis heute wurden keine Namen genannt und kaum ein Fan dieser Sportarten weiß überhaupt davon. Der Radsport ist ein Sündenbock, zu dem er sich selbst wiederholt macht. Beim Giro d’Italia in diesem Jahr konnten die deutschen Fahrer insgesamt sechs Siege einfahren. Darüber wurde in den Nachrichten kaum berichtet. Wenn Chris Froome aber den Mont Ventoux hinauf joggt, fehlt diese brandheiße News in keiner Tagesschau. Dann wird der Radsport wieder verbunden mit Lächerlichkeit und mit Skandalen. Um diese Abwärtsspirale zu durchbrechen, müssen sich die Sportler, die Organisationen und die Medien endlich die Hand reichen. Dann kommen auch die Sponsoren und vor allem die Zuschauer zurück.