Test: Saffron Frameworks – Ein Brite mit südafrikanischen Wurzeln fertigt mitten in London, an der Themse, außergewöhnliche Rennrahmen, deren Individualismus stark von dem abhängt, was der Kunde wünscht. Velomotion.de konnte das persönliche Rad des Meisters Matthew Sowter Probe fahren.
Dass das maßgeschneiderte Rennrad meist aus Stahl gefertigt ist, hat gleich mehrere Gründe. Zum einen ist das Material natürlich einfach cool – „Steel is real“ und so. Zum anderen eignet sich Stahl besonders gut für die Einzelfertigung – einen Carbonrahmen zu bauen, ist deutlich aufwendiger und letztlich auch wenig sinnvoll, zumal die industriell hergestellten Modelle in der Regel technisch überlegen sind. Ein dritter Grund liegt aber im Kunden selbst. Wer für einen hohen vierstelligen Betrag einen Rahmen erwirbt, ist meist kein junger Hüpfer mehr, sondern sitzt schon seit langer Zeit auf dem Rennrad. Solche Fahrer haben ihre eigene Karriere auf einem Stahlrahmen begonnen, und so gesehen ist der Maßrahmen auch eine Rückkehr zur ersten Liebe und knüpft emotional vielleicht an jenes Rad an, das man als junger Fahrer begehrte, aber nie bekommen konnte.
Ein Saffron entsteht immer in Einklang mit dem Kunden
Wenn ein solcher Fahrer auf Matthew Sowter stößt, kann er sich glücklich schätzen. Der Brite mit südafrikanischen Wurzeln, der seit 2011 im Süden von London Stahlrahmen fertigt, ist kein Mann der vorgefertigten Konzepte, sondern versteht seine Arbeit als Interaktion mit dem Kunden, den er gerne bei sich in der Werkstatt begrüßt. Und das führt dazu, dass die Rahmen seiner Firma Saffron Frameworks allesamt hoch individuelle Einzelstücke sind, die vielleicht mehr über den jeweiligen Kunden aussagen als über den Rahmenbauer, der sie geschaffen hat. Auf Wunsch baut er ebenso schlanke Klassiker mit polierten Niro-Oberflächen wie die Spezialkonstruktion mit ultrakurzem Hinterbau, die ein Kunde namens Daniel in Auftrag gab.
Sowter stellte Velomotion ein Rad zur Verfügung, das er für sich selbst gebaut hat – und das zwar einerseits sehr elegant ist, gleichzeitig aber auch so No-nonsense, wie es sich für die Maschine eines Ex-Rennfahrers gehört. Der Rahmen besteht aus dem „Spirit HSS“-Rohrsatz von Columbus, dessen Oversized-Dimensionen fast an aktuelle Carbonrahmen erinnern, während Wandstärken bis herunter zu 0,38 mm für ein zeitgemäßes Gewicht sorgen. Damit die Deda-EDG-Gabel optisch und technisch perfekt passt, verwendet Sowter ein konisches Steuerrohr mit anderthalbzölligem Lager am unteren Ende.
Sehr funktionell sind auch Details wie das auswechselbare Ausfallende, das am Stahlrahmen nicht unbedingt Usus ist, aber im Sturzfall hilfreich ist, eine klassische Schaltzugführung außen am Rohr sowie geschraubte BSA-Lagerschalen, bei denen Praxistauglichkeit über Ästhetik geht. Ein optisches Highlight ist die Sattelklemme mit integriertem Bolzen statt des heute üblichen Kragens – den man auf Wunsch bei Saffron freilich auch bekommt.
Ein Saffron auf der Straße
Wie fährt sich solch eine edle Schönheit? Was die Lenkeigenschaften angeht, eher konventionell – mit 73 Grad Lenkwinkel und 44 mm Gabelvorbiegung gibt sich das Rad sehr ausgewogen, zieht bei hohem Tempo unbeirrt seine Bahn und erlaubt dennoch flotte Richtungswechsel. Neben dem soliden Rohrsatz sorgen verstärkte Ausfallenden für eine hohe Steifigkeit; für die viel gerühmten Komfort-Eigenschaften von Stahl bleibt da wenig Spielraum. Ohnehin kann man vom Dreiecksverbund des Diamantrahmens kaum vertikale Nachgiebigkeit erwarten; mit 31,6-mm-Sattelstütze ist auch an dieser Stelle wenig Flex zu holen. Der Deda-Lenker mit 35 mm Klemmdurchmesser ist eher auf Steifigkeit als auf Komfort abgestimmt. Wobei sich der voluminöse Lenker vor allem oben sehr angenehm und ergonomisch packen lässt.
Zwei Dinge machen dieses in vielen Details eher technisch-nüchtern anmutende Rad dann doch sehr emotional. Zum einen ist es die Lackierung, bei der sich Sowter (der die Lackierungsarbeiten nicht selbst durchführt) vom Berliner Tattoo-Künstler Chaim Machlev inspirieren ließ, zum anderen sind es die Highend-Komponenten von Campagnolo (Super Record und Bora-Ultra-Laufräder), deren fließende Formen den harten Schwarz-Weiß-Kontrast abmildern.
Günstig gibt’s bei Saffron nicht
Ohne Pedale wiegt Matthew Sowters Rennmaschine 7,4 Kilo, ein Gewicht, das sich auch mit weniger edlen und teuren Komponenten erreichen ließe. Doch wie immer man ihn komplettieren lässt: Ein Rahmen von Saffron Frameworks ist eine kostspielige Angelegenheit; unter 1.320 Pfund für ein Modell aus einfacheren Reynolds- oder Columbus-Rohren ist nichts zu machen – zuzüglich Gabel, zuzüglich Lackierung und zuzüglich Extras wie innenliegenden Zügen, der schönen Sattelklemmung am Testrad und ähnlichem. Zudem muss sich der Kunde früh festlegen und einen langen Atem haben, denn nach einer Anzahlung von 40 % des Komplettpreises (die nicht zurückgezahlt werden kann) dauert es derzeit sechs Monate, bis man in der Warteschlange ganz nach vorne gerückt ist – kein Wunder bei einer Jahresproduktion von 40 Rädern. Ein Saffron-Rahmen ist nichts für Kurzentschlossene und Wankelmütige; erfahrene Sportler jedoch, die gelernt haben, geduldig auf ihr Ziel hinzusteuern, werden für ihr Warten belohnt werden.
Weitere Informationen unter www.saffronframeworks.com