Test: Die SRAM Red eTAP schlägt nach wie vor hohe Wellen. Wir widmen uns in einem mehrteiligen Test ausführlichst der revolutionären Schaltgruppe des US-Herstellers. Zunächst beschäftigen wir uns mit der Montage und den technischen Eigenschaften.
Die Aufregung um die SRAM Red eTAP mag sich gelegt haben, doch im Radsport-Mainstream ist die elektronische Schaltgruppe längst nicht angekommen. Bis zum Sommer war die Verfügbarkeit begrenzt, auch die Presse tat sich schwer damit, Testmuster zu bekommen. Das hat sich inzwischen geändert – wer will, kann die eTAP sofort bestellen. Die Frage ist nur, ob sich der Umstieg lohnt, sei es von einer mechanischen SRAM-Gruppe oder von einem anderen Hersteller. Um das zu klären, hat sich Velomotion bei dem US-Hersteller die Komponenten ausgeliehen, um sie einem umfangreichen Praxistest zu unterziehen. In Teil eins unseres Tests soll es vor allem um die Montage gehen.
SRAM Red eTAP: Schnäppchen statt Luxus
Wer über die Anschaffung einer eTAP nachdenkt, wird gleich zu Anfang angenehm überrascht: Der US-Hersteller bietet seine elektronische Top-Gruppe so günstig an wie kein Mitbewerber. Das Schaltungskit (Hebel, Schaltwerk & Umwerfer, Akkus und Ladegerät) wird von den bekannten Online-Anbietern bereits ab 1.249 € angeboten; bei denselben Händlern kostet das Dura-Ace-Di2-Kit 1.499/1.699 € (externer/interner Akku) und die Campagnolo Record EPS 1.699 €. In allen Fällen benötigt man dazu Kurbelsatz, Kette, Kassette und Bremsen, wobei man natürlich auf vorhandenes Material zurückgreifen kann – was gerade im Falle der eTAP keine schlechte Idee ist, aber dazu später mehr. Jedenfalls ist die kabellose Schaltgruppe eher ein Schnäppchen als ein teurer Spaß.
Überhaupt, Kabel. Das klingt nach Fernsehen, nach Salat und jedenfalls nicht nach Hightech. Andererseits erscheint der Verzicht auf dieselben längst nicht mehr als störanfällige Spielerei. Vom ferngesteuerten Auto für zehn Euro bis zum aktuellsten iPhone-Kopfhörer funktioniert heute alles per Funkverbindung, und auch am Rennrad sind Radcomputer, Leistungsmesser usw. nicht mehr mit Kabelsträngen gekoppelt. Vorbehalte gegen diese Form, Schaltbefehle zu übertragen, sind also nicht angebracht. Und was gerade für Nachrüster wichtig ist: Keine Gruppe lässt sich so schnell und einfach montieren wie die Red eTAP.
SRAM Red eTAP: Die Komponenten im Detail
Bevor wir die Teile anbringen, nehmen wir sie genau unter die Lupe. Schaltwerk und Umwerfer sind mit einem eigenen Akku ausgestattet, der jeweils hinten am Bauteil eingehängt wird. Wie bei elektronischen Schaltsystemen üblich, sind beide Schalteinheiten etwas größer als die mechanischen Pendants. Der Stellmotor des Schaltwerks befindet sich in dessen vorderem Bereich.
Jede der vier elektronischen Komponenten verfügt über eine Kontrollleuchte und einen kleinen Druckknopf; an Schaltwerk und Umwerfer benötigt man diesen nur zum Koppeln – ein kurzer Prozess, nach dem alle Bauteile miteinander kommunizieren. Das elektronische Gehirn des Schaltensembles sitzt bei SRAM im Schaltwerk, deshalb ist keine zusätzliche Steuereinheit – etwa unterm Vorbau – nötig. Der Leuchtpunkt zeigt einen Schaltvorgang an und dient als Ladestandsanzeige, indem er von Grün nach Rot springt und kurz vor dem endgültigen Stromausfall zu blinken beginnt.
Der kleine Knopf kann auch zum Schalten genutzt werden, etwa beim Einstellen des Systems. Hinten schaltet einmal drücken aufs kleinere, zweimal drücken aufs größere Ritzel; vorne löst ein Drücken den Kettenblattwechsel aus.
Mitgeliefert wird eine Art USB-Stick oder „Dongle“, der erst einmal keine Funktion hat, aber gut aufgehoben werden sollte. Im Falle späterer Software-Updates dient er nämlich sozusagen als Schlüssel zum Schaltsystem.
An den Hebeln fallen je zwei mit roten Stopfen versehene Steckplätze auf, ganz kabellos ist die eTAP nämlich doch nicht. Hier lassen sich die „Blips“ anbringen, zusätzliche Schaltknöpfe für Ober- und/oder Unterlenker. Einmal eingesteckt, müssen sie nicht weiter konfiguriert werden.
Zur Stromversorgung sitzt in jedem Hebel eine Knopfzelle, und zwar unter einem mit drei Schrauben versehenen Deckel. Um den muss man sich jedoch laut Hersteller-Info erst in rund zwei Jahren kümmern, so lange sollen die Zellen halten. Ein häufig geäußerter Kritikpunkt ist die mit 50 bis 60 Stunden relativ kurze Betriebszeit mit einer Akkuladung; allerdings lassen sich die Akkus in der mitgelieferten Ladeschale auch schnell und einfach befüllen. Ein Ersatzakku, der sich leicht mitführen lässt, ist für rund 30 € erhältlich.
SRAM Red eTAP: Montage – ein Kinderspiel
Sind alle Teile „gepairt“, kann man schon auf der Werkbank munter schalten – Werfer und Schaltwerk bewegen sich mit leichtem Surren und wie von Geisterhand. Vor der Montage muss man freilich keine Angst haben. Das Schaltwerk muss nur angeschraubt werden, sogar die Begrenzungsschrauben sind bereits korrekt eingestellt. SRAM bietet eine elegante Möglichkeit der Feinjustage: Gleichzeitiger Druck auf das Schaltpaddel und den Druckknopf an dessen Innenseite bewegt das Schaltwerk um 0,2 mm nach außen (rechter Hebel) bzw. nach innen (linker Hebel). So kann man die Schaltung etwa nach einem Laufradwechsel optimal einstellen – zur Not auch während der Fahrt.
Beim Umwerfer erleichtert eine Markierung am inneren Leitblech die vertikale Ausrichtung. Die horizontale Justage des Yaw-Umwerfers muss wie beim mechanischen Pendant sehr genau erfolgen, damit die Kette in keinem Gang am Leitblech schleift – eine Trimmstufe gibt es auch bei der eTAP nicht. Allerdings ist die Ausrichtung einfacher als gewohnt, da sie auf dem großen Blatt erfolgen kann. Der mechanische Umwerfer würde in dieser Situation vom Schaltzug nach unten gezogen.
Zur perfekten Montage des Umwerfers werden sogenannte „Wedges“ mitgeliefert – kleine Keile, die an seine Rückseite geschraubt werden und den Wechsler gegen den Rahmen abstützen. So kann er sich beim Schaltvorgang nicht verdrehen. Die Einstellung des Schwenkbereichs funktioniert auch hier analog zu mechanischen Umwerfern.
Beim Verlegen der Bremszüge gibt es keinerlei Überraschungen; ziemlich simpel ist auch die Montage der „Blips“ (Satz: UVP 95 €), deren kleine Klinkenstecker mit leichtem Druck in die entsprechenden Buchsen an den Hebeln geschoben werden. Verwendet man nur einen Satellitenschalter pro Seite, muss der zweite Steckplatz mit dem roten Stöpsel verschlossen werden. Die Extraschalter müssen nicht weiter konfiguriert werden; sie funktionieren analog zum eigentlichen Hebel. Ein Satz Blips schaltet also sowohl hinten wie auch vorne.
Die Blips lassen sich einfach unterm Lenkerband verlegen; dazu haben wir sie erst mit einem Stück doppelseitigem Klebeband fixiert. Wer die Schaltknöpfe ganz nah am Vorbau montieren will, bekommt dafür besondere Klemmschellen. Ein deutlich fühlbarer Druckpunkt sorgt dafür, dass die Blips beim Umgreifen des Lenkers nicht aus Versehen aktiviert werden. Wir haben sie an der Vorderseite des Oberlenkers angebracht, wo sie sich mit den Fingerkuppen bedienen lassen.
Die Schaltbremsgriffe der eTAP sind deutlich im Umfang reduziert worden, was vor allem Fahrer bzw. Fahrerinnen mit eher kleinen Händen gefallen wird. Eine vierstufige Griffweiteneinstellung holt die Spitze des Bremshebels maximal 2,5 cm näher an den Lenker heran; in Unterlenkerhaltung ist das eine ganze Menge. Dabei muss man allerdings auch die Bremse weiter öffnen, was durch deren ebenfalls vierstufige Zugentspannung in Maßen möglich ist.
Die der Red eTAP beiliegenden mechanischen Felgenbremsen sind bereits vier Jahre alt – vorgestellt wurden sie erstmals 2012 als Teil der zweiten Generation der mechanischen Red, damals noch eine Zehnfach-Gruppe. Dass die Bremsen unverändert verwendet werden, hat zwei Gründe: Einerseits verzögern sie nach wie vor überragend gut und lassen sich perfekt dosieren, andererseits forciert SRAM den Wechsel zur Scheibenbremse auch am Rennrad. Da erscheint es wenig sinnvoll, in eine dieser Denkweise nach überholte Technologie zu investieren. Optisch passen die Bremsen gut zur Optik der aktuellen SRAM-Gruppen, die sich gestalterisch ohnehin eher durch Kontinuität auszeichnen.
SRAM Red eTAP: Ein lohnenswertes Upgrade
Mit der SRAM Red eTAP ausgestattete Kompletträder sind, wie man sich denken kann, eher teuer: Unter 5.000 € ist kaum etwas zu machen; will man beim Händler kaufen, ist man schnell 7.000 € und mehr los. Ein Selbstaufbau ist dagegen schon unter 4.000 € realistisch, und auch das Nachrüsten macht finanziell Sinn. Das einzige Problem hierbei stellen Rahmen mit außen geführten Schaltzügen dar, denn die Zuganschläge sind in der Regel aufgenietet und lassen sich nicht entfernen. Wir haben die eTAP an einen leichten BMC-Aluminiumrahmen montiert, zu dessen Vorzügen angeschraubte Zuganschläge gehören. Der Rahmen war nämlich von Hause aus auch für elektronische Schaltgruppen bestimmt und ist mit entsprechenden Bohrungen versehen, die wir natürlich nicht benötigen. Ein speziell auf die eTAP abgestimmter Carbonrahmen dürfte durch den Verzicht auf Anschläge, Führungen etc. leichter ausfallen als ein herkömmliches Exemplar; derzeit sind solche Rahmen jedoch noch selten.
Mit einem 1.500-Gramm-Laufradsatz wiegt unser Red-Rad 7,2 Kilo inklusive Pedalen; die Gruppe steuert genau 2.038 Gramm bei (einzelne Gewichte siehe Tabelle). Der Gewichtsunterschied zu anderen Top-Gruppen ist gering und sicher kein Grund, die eTAP zu erwerben – letztlich sind es Optik und Funktion, die den Ausschlag geben. Wie zu erwarten sorgt die Funkschaltung für ein unübertroffen aufgeräumtes Erscheinungsbild; der Wegfall von Kabeln und einer Schaltbox unterm Vorbau mitsamt allen Befestigungsteilen macht das Rad definitiv schöner. Was die Funktion angeht, wird Teil zwei unseres Praxistests alle wichtigen Antworten liefern.
SRAM Red eTAP: Gewichte
Umwerfer: 164 g (inkl. Akku, 25 g)
Schaltwerk: 239 g (inkl. Akku, 25 g)
Hebelsatz: 268 g (inkl. Knopfzellen)
Kurbelsatz: 577g (BSA, 50/34 Z., 175 mm)
Innenlager: 108 g
Kassette 11-28: 170 g
Kette (ungekürzt): 250 g
Bremse hinten: 129 g
Bremse vorne: 133 g