Test: Mit den SRAM Roam 60 hatten wir einen Carbonlaufradsatz für fast alle erdenklichen Einsätze am MTB im Test. Mit 30mm Innenweite, geringem Gewicht und hoher Steifigkeit sollen sich die über 2.000€ teuren Laufräder auf so gut wie jedem Geläuf wohlfühlen – von Trail bis Enduro.
Carbonlaufräder sind auch im MTB-Bereich seit einigen Jahren keine Seltenheit mehr. Während jedoch Gewichts-fokusierte XC-Piloten auch im Amateurbereich oft schon wie selbstverständlich zu Laufrädern mit Kohlefaserfelgen greifen, sind die Bedenken im Trail- und Enduroeinsatz noch etwas größer. Wie stabil kann eine solche Felge sein? Lohnt der Aufpreis zu herkömmlichen Felgen aus Aluminium? Diese und ähnliche Fragen dürften auch in den Köpfen einiger Kaufinteressenten von Laufrädern wie den neuen SRAM Roam 60 herumschwirren. Mit einer üppigen Innenweite von 30mm bewegen sich die ausschließlich in 27,5″ erhältlichen Roam 60 eben genau im Dunstkreis zwischen Trail und Enduro.
Die Eckdaten der SRAM Roam 60
Laufradgröße: 27,5″
Nabenbreite: Standard (100 / 142) und Boost (110 / 148)
Achsstandards VR: Schnellspanner / 15 x 100 / 15 x 110 / 20 x 110
Achsstandards HR: Schnellspanner / 142 x 12 / 148 x 12
Innenweite: 30mm
Naben: Double Time / 54 Rastpunkte
Gewicht: 1.625g
Preis: 939€ (VR) / 1282€ (HR)
Mit einem Gewicht von 1.625g bringt der neue Roam 60 LRS ein paar Gramm mehr auf die Waage als der unmittelbare Vorgänger – die Ursache dafür dürfte wohl in der um satte 9 Millimeter gewachsenen Innenweite der Felgen liegen. Zieht man dies in Betracht, dürfte sich das minimale Mehrgewicht recht leicht verschmerzen lassen. Selbstverständlich sind die Carbonfelgen wie es sich für das Jahr 2017 gehört auch Tubeless-Ready. Das entsprechende Felgenband ist bereits ab Werk vormontiert und die benötigten Ventile befinden sich im Lieferumfang. Apropos Lieferumfang: Im Karton verstecken sich auch sämtliche erhältliche Achsadapter und als tolle Dreingabe auch Felgendecals in insgesamt sieben (!) verschiedenen Farben.
SRAM Roam 60 Felge – Wo ist der Haken?
Eines der Zauberwörter bezüglich Carbonfelgen in den letzten zwei oder drei Jahren lautete „Hookless“. Damit werden Felgen bezeichnet, die am Felgenhorn ohne den chrakteristischen „Haken“ auskommen, der den Reifen gewissermaßen festklemmt. Das große Problem dieses „Widerhakens“ bei Carbonfelgen ist die Herstellung. Entweder man produziert die Felgen direkt mit dem traditionellen Felgenhorn, oder man fräst dieses im Nachhinein aus. Während bei letzterer Methode nicht nur ein Arbeitsschritt in der Produktion hinzukommt und durch das Fräsen die Felge etwas an Stabilität einbüßt, ist es technisch extrem teuer und sehr schwierig, eine Carbonfelge mit einem solchen Widerhaken direkt herzustellen.
Aus diesen Gründen setzen die Hersteller vermehrt auf sogenannte Hookless-Felgen. Skeptiker mögen sich fragen, wie der Reifen dann in der Felge hält – die letzten Jahre haben jedoch gezeigt, dass dies durch den Anpressdruck problemlos funktioniert. Bei einem tubeless-Setup ist zudem das Zusammenspiel zwischen Reifen und Felge deutlich unkritischer und Inkompatibilitäten sind nur noch eine seltene Ausnahme. Kein Wunder also, dass man auch bei SRAM in den Roam 60 auf Hookless Felgen setzt.
SRAM Roam 60 Aufbau – Eine Speiche, kein Problem
24 Messerspeichen halten die Felge vorn und hinten an den Naben und sorgen für einen leichten, aber laut SRAM ebenso stabilen Aufbau. Ein durchaus cooles Feature ist die Solo Spoke Technologie: Dank des asymmetrischen Felgenaufbaus und der Straight-Pull Naben ist es möglich, dass auf beiden Seiten der Laufräder ein und dieselbe Speichenlänge verwendet werden kann. Das dürfte gerade für diejenigen interessant sein, die gerne auch mal länger in abgelegenen Regionen mit dem MTB unterwegs sind – so reicht es nämlich, eine Ersatzspeiche mit ins Gepäck zu nehmen, da diese überall an den Laufrädern eingesetzt werden kann.
SRAM Roam 60 Naben
Ganz neue – eigene – Wege geht man im Vergleich zum Vorgänger bei den verbauten Naben. Während bisher das Innenleben der Roam 60 von DT Swiss stammte, setzt der US-Hersteller mit der neuen Generation auf Technik aus eigenem Hause. Dies bedeutet gleichzeitig auch die Abkehr vom DT Swiss-typischen Zahnscheibenfreilauf – stattdessen kommen jetzt wieder traditionelle Sperrklinken zum Einsatz. Von den insgesamt vier Sperrklinken greifen immer zwei gleichzeitig in jeweils einen der 26 Zähne des Gegenstücks. So erhält man 54 Rastpunkte und einen geringen Auslösewinkel von unter 7° – gerade Fans technischen Terrains dürften dies mit Wohlwollen zur Kenntnis nehmen, dort ist ein möglichst geringer Leerweg extrem wichtig. Übrigens: Freunde lauter Freiläufe dürften mit den neuen SRAM Naben voll auf ihre Kosten kommen.
Umbaubar sind die Naben auf alle gängigen Achsstandards – lediglich für Boost braucht man auf Grund der besonderen Bauweise neue Naben. Die Adapter haben rechts und links die gleichen Abmessungen und werden einfach auf die Achse gesteckt. Der Austausch ist also ein Kinderspiel. Natürlich gibt es die Roam 60 sowohl mit dem SRAM-eigenen XD Freilauf als auch mit herkömmlichem Freilauf für 9/10/11-fach Kassetten. Auch dieser wird ganz einfach auf die Nabe gesteckt.
SRAM Roam 60 Fahrbericht
Wir sind die SRAM Roam 60 über mehrere Monate auf unterschiedlichem Terrain gefahren und konnten sie auf einen harten Prüfstand stellen. Die edlen Carbonlaufräder mussten sich in einem Allmountain-Hardtail beweisen und gerade das Hinterrad dürfte ob er fehlenden Federung das eine oder andere Mal ganz schön ins Schwitzen geraten sein. Bei den Reifen fiel die Wahl auf Schwalbes neuen Nobby Nic – am Vorderrad als voluminöse 2,8″ Variante, hinten im Semi-Plus-Bereich von 2,6″. Wir würden die 30mm Felge generell für Reifenbreiten zwischen 2,4″ und 2,8″ empfehlen – abhängig von den persönlichen Vorlieben und dem Fahrstil ist aber nach oben und unten durchaus noch ein wenig Spielraum.
Bei der Kombination aus breiten Felgen, voluminösen Reifen und entsprechend wenig Luftdruck ist eine Tubeless-Montage beinahe Pflicht. Mit Schlauch ist die Gefahr etwaiger Durchschläge schlicht zu hoch – gerade im Falle unseres Testbikes mit starrem Heck. Im Falle der SRAM Roam 60 ist dies jedoch kein allzu großes Problem: Das Tubeless-Band ist bereits ab Werk mustergültig montiert, Ventile sind im Lieferumfang. Lediglich Dichtmilch braucht man also noch. Die Montage selbst funktioniert gut, allerdings mussten wir hier auf einen Kompressor zurückgreifen – mit der Standpumpe allein wollte der Reifen nicht in die Felge springen. Unserer Erfahrung nach ist dies der Nachteil der Hookless Felgen. Mit Kompressor, CO² Kartusche oder spezieller Tubeless-Pumpe ist die Montage aber überhaupt kein Problem und die Laufräder waren sofort dicht und hielten Luft.
Auf typischen mitteleuropäischen Trails gaben die Laufräder ausgesprochen wenig Anlass zur Kritik. Dank des geringen Gewichts – auch mit etwas schwerer Plus-Bereifung – beschleunigt man leicht und die hohe Steifigkeit vermittelt ein sehr unmittelbares Feedback. Der Aufbau der Laufräder ist hervorragend – die Speichenspannung ist gleichmäßig und auch nach einigen Wochen harten Testens hat sich daran nichts geändert. Die Reifen sitzen fest auf der Felge und auch bei niedrigem Druck konnten wir kein Burping provozieren. Um die Felge bei Durchschlägen vor Schäden zu schützen würden wir aber z.B. die Verwendung von Huck Norris empfehlen – gerade bei einem solch teuren Laufradsatz.
Der Freilauf mit seinen 52 Rastpunkten ließ gerade auf technisch anspruchsvollem Terrain seine Muskeln spielen. Der geringe Auslösewinkel erlaubt feines Dosieren und punktgenauen Krafteinsatz, wenn er gebraucht wird.
Bezüglich der Stabilität konnten wir über den gesamten Testzeitraum nichts Negatives feststellen. Angesichts des geringen Gewichts und der lediglich 24 Speichen würden wir die Laufräder aber dennoch eher im potenten Trailbereich als bei Enduro einordnen – zumindest im Dauereinsatz. Ein kleiner Minuspunkt, zumindest aus optischen Aspekten, ist die recht kratzempfindliche Carbonoberfläche. Nach einigen Wochen Testeinsatz hatten wir bereits den einen oder anderen unschönen Kratzer in den Felgen – zwar nur oberflächlich, aber doch sichtbar.