Markt / E-Performance: Design ist ein Aushängeschild des E-Bike-Herstellers Klever Mobility. Das andere: Die Technologie und der Background eines Global Players. Es gibt viel zu entdecken.
Eigenständiges Design fällt auf den ersten Blick auf: Der matt silbermetallic schimmernde Alu-Rahmen, der vom Steuerrohr bis zum rasant geschwungenen Hinterbau und über die Tretlageraufnahme wieder zurück verläuft, ähnelt einer Raute. „Loop“ sagt der Gestalter zu dieser geschlossenen Schleife. Die zurückhaltende Farbgebung des Sitzrohrs dazwischen unterstreicht diese Form noch. Das ganze Bike wirkt wie aus einem Guss. Im Mittelpunkt, aber farblich im Hintergrund: Der Akku – der Form nach eher ein Beauty Case mit Strom statt Schminke.
Asiatische Wurzeln, deutsche Denke, internationales Design: Klever Mobility
Der Hersteller Klever Mobility hat mit dem Modell X einen sehr selbstbewussten Auftritt. Für die gestalterische Seite der X-Serie wurden die Designer von Artefakt beauftragt. Sie sind unter anderem bekannt für die Erscheinung einiger Rennräder der Marke Canyon und haben auch hier ganze Arbeit geleistet. Schon vorher war Klever durch das Design des B-Modells manchen Bikefans aufgefallen. Während sie dort aber eher „polarisierte“ – wie der Geschäftsführer von Klever Mobility, Fritz Baumgarten es beschreibt, wird der Auftritt des X-Modells fast durchweg positiv aufgenommen. Dynamisch, kraftvoll, aber auch einfach harmonisch rund.
Eigenständiges Fahrraddesign braucht drei Dinge: Gute Designer, Mut – und Geld. Greift man nicht auf Standards zurück, muss mehr investiert werden – nicht nur in der Entwicklung, sondern auch in der Produktion. Doch hinter dem Unternehmen mit Hauptsitz in Köln steckt eine Mutter, die mit der Firmengründung von Klever Mobility 2011 ein klares Ziel verfolgte und dafür auch bereit war, neue Wege zu gehen und einiges zu investieren: Kymco, ein taiwanesisches Unternehmen, einer der größten Motorroller-Hersteller weltweit. Um die 750.000 Roller laufen hier pro Jahr vom Band. „Kymco hat vor einigen Jahren den europäischen Markt analysiert und festgestellt, dass ein Grund, dass Roller hier wenig Chancen haben, der Trend zum E-Bike war“, beginnt Baumgarten die Geschichte von Klever Mobility zu erzählen. Klar. In Nordeuropa setzt man auf eine andere Art von Kurzstreckenmobilität – und ist bereit, für ein Fahrrad mehr Geld zu zahlen als für einen Motorroller.
Europa ist ein vollständig anderes Pflaster für Mobilität als Asien
„Kymco wollte von Grund auf neue Fahrzeuge für Nordeuropa entwickeln, und gründete Klever Mobility Inc., ein Werk, das in der Nähe der Mutterfirma bei Taipeh sitzt. Büro, Werkstatt, Labore.“ Als Voraussetzung für den Erfolg in Europa war nach einhelliger Meinung, dass man auch in einem Kernland der neuen E-Mobilität, einen Stammsitz brauchte – er fand sich als Klever Mobility Europe in Köln, wo Baumgarten seit sechs Jahren in die Entwicklung involviert ist. Mit mittlerweile zehn Mitarbeitern kümmert er sich inzwischen jedoch auch um den Vertrieb, das Händlernetz und das Marketing des jungen Labels in Nordeuropa.
„Kymco und Klever war klar: Wenn wir als Einsteiger hier etwas bieten wollen, dann müssen wir die wesentliche Technik unserer Räder selbst bestimmen und entwickeln können und die Produktionsmittel dafür im besten Fall auch besitzen.“ In weiten Bereichen wurde diese Vorstellung bei Klever und Mutterfirma Kymco auch umgesetzt. Für die aktuellen X-Modelle wurde ein Nabenmotor mit Namen Biactron entwickelt. Zentrale Arbeiten, wie die Wicklung der Spulen oder Steuerung und Software wurden bei Kymco selbst realisiert. Das Manko der vermeintlich schlechten Bergtauglichkeit eines Heckmotors begegnet man beim neuen Bicatron mit einigen Kniffen. Unter anderem ist ein separater Controller im Motor am Werk, der dafür sorgt, dass bei erhöhter Belastung die Kraftausbeute früh zurückgefahren wird. Erst bei 135 Grad Celsius schaltet sich der Motor endgültig ab. Mittlerweile gibt es zwei Varianten – eine mit 43 und eine stärkere mit 54 Newtonmeter Drehmoment. Letztere ist vor allem für höhenmeter-intensive Touren und zum Ziehen von Anhängern die bessere Wahl.
Die Sensorik ist feinfühlig: Schon eine Pedalbewegung um wenige Grad führt zu Schub von hinten, bis hin zur Unterstützungsgrenze von 27 Stundenkilometer wirkt die Kombi Mensch/Maschine sehr harmonisch. Darüber hinaus kann durch einen technische Entwicklung in der Steuerung wie bei einem normalen Rad weiter pedaliert werden: Eine noch anliegende Minimalspannung sorgt dafür, dass kein Motorwiderstand fühlbar ist. Zu hören ist der Antrieb auch am Berg praktisch nicht.
Der Rahmen entsteht entsprechend der Entwicklung von Klever und Artefakt bei einem der größten Rahmenbauer in Asien. Doch auch im mechanischen Bereich gibt es viele Synergieeffekte für Klever und Kymco – das Mutterunternehmen ist nicht umsonst auch einer der größten Motorradzulieferer und arbeitet außerdem mit Aluminium.
Auch an der Entwicklungszeit des Modells X sieht man, wie strukturiert und zielgerichtet die Partner arbeiteten: „Von der endgültigen Zeichnung des Pedelecs bis hin zum Serienmodell dauerte es gerade einmal ein Jahr, und die deutschen Designer meinten dazu, selten erlebt zu haben, dass Entwurf und Ergebnis so nahe beieinander liegen!“ Mit dem X ist man nun, so glaubt man, beim deutschen E-Biker angekommen. Das eigenständige Design dürfte dabei helfen, trotz des großen Angebots an Pedelecs auf sich aufmerksam zu machen. Das Rad zielt noch mehr als die Vorgängermodelle auf die „Car Converts“, die Umsteiger vom Auto auf andere Verkehrsmittel. „Menschen, die Auswege aus dem Mobilitätskollaps suchen, finden für den Alltag heute vor allem Lösungen im Commuter-Bereich des E-Bike-Sektors“, glaubt Baumgarten.
Diese Variante des Modells X dürfte wohl hier auch am besten ankommen. „Die Kernkundschaft für einen pedalbetriebenen Autoersatz ist da, gerade im Autoland Deutschland!“ In der Kölner Dieselstraße – der Standortnamen klingt in diesem Zusammenhang schon fast ironisch – ist man auf jeden Fall auch dazu bereit. Unter anderem lagern in der Europa-Zentrale die Räder für den europäischen Markt. Doch hier sitzt neben dem Vertrieb unter anderem auch der technische Kundenservice, der Einkauf und das Marketing. Gerade beschäftigt man sich bei Klever mit der Schweiz: Das X-Commuter wird es auch als S-Pedelec-Version mit 45 Stundenkilometer geben – in der Schweiz ein wesentlich wichtigerer Markt als in Deutschland, wo S-Pedelecs noch einen verschwindend kleinen Teil der E-Bikes ausmachen. Aber mit der Mobilitätswende, die man bei Klever schon in vollem Gange sieht, wird auch hier die entsprechende Verkehrs-Infrastruktur dazu entstehen, da ist man sich in der Dieselstraße sicher.