Radsport: Spätestens seit dem Festina-Skandal im Jahr 1998 sieht sich der Radsport einem Generalverdacht in Sachen Doping ausgesetzt. In einer Unterhaltung mit keinem Radsportfan fällt oft im ersten Satz der Begriff Doping. Doch wenn über Fußball gesprochen wird, spielt dieses Thema kaum eine Rolle. Ist es wahr, dass Doping im Fußball überhaupt nichts bringt und der Radsport total dopingverseucht ist? Wir möchten anhand der Zahlen der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) mit diesen Vorurteilen aufräumen – damit du bei der nächsten Diskussion sofort Argumente parat hast.
Der Radsport hat ein Dopingproblem – andere Sportarten aber auch
Festina, Fuentes, Armstrong – und jetzt auch noch Froome. In den vergangenen 20 Jahren musste der Radsport einige Rückschläge hinnehmen. Unbestritten hat diese Sportart ein Dopingproblem. Doch verfolgen wir die Leitmedien, kommen wir fast automatisch zu der Annahme, Doping gäbe es nur im Radsport. Ist das die Wahrheit oder muss der Radsport nur als Sündenbock hinhalten?
Die öffentliche Meinung und die gravierenden Folgen für den Radsport
Viele Radsportfans kennen die Situation: Du unterhältst dich mit einem Bekannten oder einer völlig fremden Person. Irgendwann entwickelt sich das Gespräch und es fällt der Begriff Radsport. Sitzt du nicht zufällig einem weiteren Radsportfan gegenüber, wirst du meist im ersten Satz mit dem Thema Doping konfrontiert. Verständlich, denn falls man als Nicht-Radsportfan über die Medien etwas über diese Sportart mitbekommt, handelt es sich nicht selten um einen Dopingskandal. Da kein weiterführendes Interesse vorhanden ist, bleibt es bei dieser oberflächlichen Information und voilà: Das Vorurteil und der Generalverdacht sind perfekt. Darunter leiden nicht nur die Radsportfans, sondern vor allem die Fahrer selbst, sowie die gesamte Branche durch das Fernbleiben potentieller Sponsoren. Die Folgen sind gravierend: Teams werden aufgelöst, Fahrer beenden ihre Karriere und ganze Rundfahrten können nicht mehr ausgetragen werden.
Doping bringt im Fußball nichts? Ein Märchen!
Unbestritten kann ein Radprofi seine Leistungen mit entsprechenden Substanzen verbessern. Dass Dopingmittel nur in Ausdauersportarten nützlich sind, ist jedoch ein längst widerlegtes Märchen. Erst in dieser Woche hat DFB-Arzt Tim Meyer erneut erwähnt, dass er an Doping im Fußball glaubt: „Man sollte nicht naiv sein. Natürlich gibt es auch im Fußball irgendwo Doping. Es ist aus meiner Sicht klar, dass Doping im Fußball etwas bringen würde.“ Deutliche Worte von einer im Fußball tätigen Person. Damit widerspricht er öffentlich bekannten Größen, wie zum Beispiel Bayern-Doc Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt und Trainer Jürgen Klopp. Beide äußerten sich diesbezüglich mehrfach verneinend. Das Dopen würde im Fußball nichts bringen. Eine längst vielfach widerlegte These. Neben dem leistungssteigernden Effekt in der Ausdauer, der Schnelligkeit und der Kraft wirken sich Dopingmittel nämlich auch positiv auf die Regeneration und die Rehabilitation aus.
Medien, Fans und Verbände: Der Unterschied liegt im Umgang mit Doping
Im Fußball wird die Doping-Thematik noch immer nicht ernst genommen, obwohl diverse Beispiele bekannt sind. So wurde in den 80ern beim VfB Stuttgart und dem SC Freiburg ein organisiertes Dopingprogramm durchgeführt. In den 90ern hat der Mannschaftsarzt von Juventus Turin seine Spieler mit diversen Produkten versorgt. Zinedine Zidane hat die Einnahme von Kreatin gestanden. Super-Trainer Pep Guardiola wurde zu seiner aktiven Zeit positiv auf das Dopingmittel Nandrolon getestet. Von den vielen Dopingskandal-Indizien ganz zu schweigen, denn beim großen Fuentes-Skandal ging es bei weitem nicht nur um den Radsport. Im Gegenteil: Eufemiano Fuentes bestätigte, dass die Mehrheit seiner Kunden in anderen Sportarten tätig waren. Die Spur führte laut „Le Monde“ zum FC Barcelona, Real Madrid, Betis Sevilla und zum FC Valencia. Doch wie so oft verlief die Spur dann doch im Sande. Vermutlich weil einfach niemand an einem Dopingskandal im Fußball interessiert ist – weder Fans, noch Spieler, Vereine, Verbände und Sponsoren.
Bessere Dopingkontrollen sorgen für mehr positive Tests
Während die Ermittler und die Medien Doping-Spuren im Radsport deutlich intensiver verfolgen, sind auch die Kontrollen an sich besser strukturiert. 2007 hat der Radsport-Weltverband den Biologischen Pass auf den Weg gebracht. Er kann die Werte eines jeden Fahrers anhand von Urin- und Bluttests verfolgen. Der Fußball weigert sich, einen solchen Blutpass konsequent zu führen, da bis dato nur jeder vierte Test aufgenommen wird. Bis vor wenigen Jahren gab es gar keine Bluttests. Des Weiteren verfolgen internationale Dopingjäger die Radprofis. Nahezu stündlich müssen sie ihren Aufenthaltsort angeben. Nicht selten schauen die Dopingjäger unangekündigt vorbei. Wenn beim DFB ein „unangekündigter“ Test ansteht (z. B. im Trainingslager vor der WM), dann wird diese äußert seltene Maßnahme in allen sozialen Medien gefeiert. Eine Farce, denn die Tests werden bei einer Weltmeisterschaft von der FIFA und bei einer Europameisterschaft von der UEFA selbst durchgeführt.
Ein Radprofi hat deutlich mehr Dopingtests zu erwarten
Im Jahr 2016 hat die WADA im Fußball 33.227 Tests durchgeführt, wobei davon nur 8.049 Kontrollen außerhalb von Wettbewerben abgenommen wurden. Da es sich dabei um eine weltweite Zahl handelt und es deutlich über 100.000 professionelle Fußballspieler gibt, ist dies eine äußerst geringe Anzahl an Proben. Zum Vergleich: In der deutlich kleineren Radsport-Szene mussten die Profis 23.132 Mal ihr Blut oder ihren Urin abgeben, davon allein 9.467 Mal unangekündigt. Noch größer wird der Unterschied, wenn wir uns die Zahlen nur in Deutschland ansehen. Ist ein Fußballspieler der ersten, zweiten oder dritten Bundesliga nicht international unterwegs, so überprüft ihn nur die Nationale-Doping-Agentur (NADA). Ganze 2.124 Tests hat die NADA 2016 in Fußball-Deutschland abgenommen, nur 657 davon abseits der Matches. Viele Spieler haben das komplette Jahr über keinen Test zu befürchten.
Im Radsport hingegen hat die NADA 1.001 Mal in Deutschland zum Test gebeten, allein 503 Mal unangekündigt. Wenn wir jetzt noch bedenken, dass die Profis die meiste Zeit international unterwegs sind, erkennen wir, dass die Fahrer innerhalb eines Jahres zahlreiche Proben abgeben. So wurden zum Beispiel unfassbare 656 Dopingproben während der dreiwöchigen Tour de France 2015 durchgeführt – bei nur 198 Teilnehmern. Zum Vergleich: Während der Europameisterschaft 2016 in Frankreich hat die UEFA weniger als 500 Tests abgenommen, obwohl mehr als 500 Spieler mit dabei waren. Die Quote bei Spielen in der Europa League und der Champions League ist noch geringer.
Im Radsport gibt es eine unterdurchschnittliche Anzahl an positiven Tests
Neben der Anzahl der Tests ist entscheidend, wie viele davon als positiv eingestuft werden. Insgesamt waren 2016 sportartübergreifend 1,602 Prozent der Tests positiv. Da der Radsport bei einem Wert von 1,089 Prozent liegt, können wir sogar von einer deutlich unterdurchschnittlichen Auffälligkeit sprechen. Der Fußball weist einen Prozentsatz von 0,506 auf, womit es halb so viele positive Tests gibt, wie im Radsport. Vor allem in weniger weit entwickelten Ländern kommt es zu einer Vielzahl an positiven Tests. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Die Betroffenen sind zum einen weniger gut über die Methoden der Dopingjäger informiert und zum anderen haben sie deutlich weniger Geld zur Verfügung. Alles in Allem erkennen wir an den jährlichen Berichten der WADA, dass Doping in nahezu allen Sportarten vorkommt. Doch nicht jede Sportart wehrt sich tatsächlich intensiv dagegen. In dieser Hinsicht ist der Radsport ein absoluter Vorreiter. Aber je mehr Geld in den Verbänden vorhanden ist, desto weniger scheint in der Öffentlichkeit eine Diskussion über Doping angestrebt zu werden.
Die wichtigsten Zahlen & Fakten der WADA aus dem Jahr 2016 auf einen Blick
- Im Fußball wurden 33.227 Tests durchgeführt, im Radsport 23.132.
- 8.049 Kontrollen im Fußball abseits der Wettbewerbe, 9.467 im Radsport.
- In Deutschland hat die NADA im Fußball 2.124 Proben entnommen, im Radsport 1.001.
- Da es deutlich mehr Fußballprofis als Radprofis gibt, werden manche Fußballer gar nicht kontrolliert und Radfahrer zigfach innerhalb von zwölf Monaten.
- Allein während der dreiwöchigen Tour de France 2015 wurden den 198 Teilnehmern insgesamt 656 Tests entnommen.
- Der Fußball-Weltverband FIFA hat im gesamten Jahr lediglich 870 Dopingkontrollen durchgeführt.
- Sportartübergreifend liegt der Wert der positiven Tests bei 1,602 Prozent, im Fußball bei 0,506 Prozent und im Radsport bei 1,089 Prozent.
- Da der Radsport bei einem Wert von 1,089 Prozent liegt, können wir sogar von einer deutlich unterdurchschnittlichen Auffälligkeit sprechen.