Test Cannondale CAAD 12: Manchmal muss das Beste gar nicht teuer sein – das beste Alu-Rennrad etwa, das Cannondale komplett ab 1.599 Euro anbietet. Wer mit der günstigen Ausstattung nicht einverstanden ist, macht es wie wir und baut es einfach um und macht ein individuelles Wunschrad draus. Und das hat viel zu bieten und gleich noch mehr Potenzial.
Flacher Lenkwinkel, kurzes Oberrohr und deshalb langer Vorbau: Das sind die Zutaten für ein auf Geradeauslauf ausgerichtetes, träges Fahrverhalten, und säße man nicht ab und zu auf agileren Rennern, könnte man sich glatt daran gewöhnen. Doch irgendwann hatte der Autor dieser Zeilen genug von schwerfälligem Handling im Wiegetritt, und das BMC Granfondo musste als Lieblingsrad abtreten. So freute sich ein armer Student über ein Schnäppchen, und für einige Wochen herrschte gähnende Leere im Radkeller, die unbedingt gefüllt werden will.
Von Anfang an war klar: Es sollte wieder ein Alu-Rad sein, diesmal aber eines mit wirklich sportlicher Geometrie. Also steilerer Steuerwinkel und ein eher langes Oberrohr, das den 130er Vorbau überflüssig macht – der beruhigt das Lenkverhalten nämlich etwas zu sehr. Ebenfalls ein Plus: Zuginnenverlegung, und einigermaßen leicht sollte das Ganze natürlich auch sein.
Da wird die Luft schon dünn, zumal der vor einige Jahren einsetzende Alu-Boom wieder abzuflauen scheint: Specializeds „Smartweld“-Rahmen ist nicht mehr am Markt, und bei Canyon, Fuji und Trek wollte sich nicht die rechte Begeisterung einstellen. Also fiel die Wahl auf den Rahmen, der seit Jahren federführend in Sachen Alu-Leichtbau ist: der Cannondale CAAD, kurz für „Cannondale Advanced Aluminum Design“. Den ersten CAAD-Rennrahmen gab’s bereits 1997, damals noch „Made in USA“. Mittlerweile ist man bei Nummer Zwölf angekommen, wobei die „11“ ausgelassen wurde – und an diesem Rad gibt es so wenig zu verbessern, dass man es getrost in seinem dritten Jahr kaufen kann.
Cannondale CAAD 12 Rahmen:
Highlight des Aluminiumrahmens ist das geringe Gewicht um 1.200 Gramm. Damit liegt das Cannondale CAAD12 im Schnitt nur rund 100 Gramm über dem Gewicht der Carbonrahmen von Kompletträdern der 2.000-Euro-Klasse. Doch während diese nur eine Sparversion der leichten Highend-Produkte des jeweiligen Herstellers sind, ist Cannondales Alu-Rahmen ein ausgereiztes Spitzenprodukt, der vielleicht Beste seiner Art in der Welt und nach dem Stand der Technik nicht zu toppen.
Für uns war von Anfang an klar, ein Cannondale CAAD 12 mit SRAM-Teilen fahren zu wollen, doch ab Werk geht das nur in der teuren eTap-Variante (4.999 Euro). Bliebe der Selbstaufbau, für den Cannondale ein Rahmenset für 1.000 Euro anbietet – allerdings nur in glänzendem Weiß. Das scheint recht viel angesichts der Tatsache, dass das günstigste Komplettrad schon für 1.599 Euro Listenpreis angeboten wird.
Cannondale CAAD 12 Umbau:
Ein rheinischer Cannondale-Händler lässt sich auf 1.300 Euro ohne die schweren Mavic-Laufräder ein, und schon steht eine schicke Basis für den geplanten Umbau im Keller. Weichen müssen die Shimano-105-Teile und der überbreite, schwere Lenker; bleiben darf die 25,4 mm schlanke Alu-Stütze – aber nur, nachdem sie durch Einsatz der Metallsäge ganz 90 Gramm verloren hat. Ausdrücklich erwünscht ist der Cannondale-SI-Kurbelsatz, der mit rund 740 Gramm (Kurbeln, Kettenblätter, Tretlagerwelle) zwar keine Gewichtsrekorde schlägt, optisch aber perfekt zum Rad passt. Bleiben kann auch der 110 mm lange Vorbau.
Die demontierten Teile ersetzen wir durch eine SRAM Force 22 mit Shimano-Kranz, dazu kommen ein leichter Carbon-Lenker, der noch auf seinen Testeinsatz wartet, sowie ein solider, tubeless-tauglicher Bontrager-Radsatz. Optimal passt der schwarze Fabric-Rennsattel, dies ist nämlich eine Eigenmarke von Cannondale.
Spannendster Moment beim Umbau ist natürlich die Verlegung der Züge, was bei einer Integration in den Rahmen durchaus zeitaufwendig sein kann. Cannondale führt die Schaltzüge in Teflon-Linern, die unterm Tretlager umgelenkt werden. Die Züge lassen sich im Unterrohr kreuzen, was für schön weite Bögen am Lenker sorgt; der hintere Schaltzug findet ohne Schwierigkeiten den Weg aus der Kettenstrebe hinaus. Nur der Bremszug muss mit einer umgebogenen Speiche aus dem Oberrohr gefischt werden.
In der Wunschausstattung wirkt das Cannondale CAAD 12 gleich noch einmal so elegant mit seinem dunkelgrauen Metallic-Lack. In der Seitenansicht gibt sich das Rad ausgesprochen schlank, gerade die Gabel wirkt sehr zierlich. Dabei ist das Unterrohr am unteren Ende fast so breit wie das Tretlagergehäuse, was dem Rad eine gefühlt hohe Steifigkeit verleiht. Das Sitzrohr ist im unteren Bereich ebenso abgeflacht wie die Hinterbaustreben, was die vertikale Nachgiebigkeit verbessern soll. Deutlich sichtbar sind die wulstigen Schweißnähte. Die Rohrverbindungen glatt zu modellieren verbietet sich in dieser Gewichtsklasse, schließlich will man weder Material dazugeben, noch kann man es abtragen.
Cannondale CAAD 12 auf der Straße:
Ohnehin muss sich das Cannondale CAAD 12 seines Werkstoffs nicht schämen, wie schon das Gewicht des Umbaus zeigt. Mit Pedalen, Garmin Mount und Flaschenhaltern wiegt das 58er Rad 7,7 Kilo; mit leichten Alu-Laufräder wären weitere 300 Gramm drin. Doch letztlich geht es um die Fahreigenschaften, und die sind phänomenal. Mit eher steilem Lenkwinkel und mäßiger Gebelvorbiegung ist das Cannondale CAAD 12 extrem handlich und wendig, dabei bei hohem Tempo angenehm laufruhig. Die Sitzhaltung ist ausgewogen-sportlich und durch das 175 mm lange Steuerrohr nicht allzu tief; mit einer flacheren Steuersatzkappe ließe sich eine noch etwas größere Überhöhung realisieren. Cannondale bietet das CAAD 12 in neun Größen an, bei denen die Oberrohrlänge in Schritten zwischen 10 und 16 mm anwächst; ein passendes Rad findet sich also immer.
Ein ausgesprochenes Komfortwunder ist der Alu-Renner freilich nicht – dafür sorgt schon die Sattelstütze durch den kurzen Auszug und das Material. Vom Dämpfungsvermögen des Rahmens ist wenig zu spüren; wird mit hohem Reifendruck gefahren, kann das Hinterrad in bestimmten Situationen sogar kurz mal den Bodenkontakt verlieren. Nicht schlimm, doch man sollte sich drauf einstellen – oder eine Carbonstütze nachrüsten, die das Problem beheben dürfte.
Mehr Komfort kann man dem Cannondale CAAD 12 aber auch auf andere Weise beibringen: Wie wir überrascht und erfreut feststellen konnten, bieten Gabel wie Hinterbau Platz für bis zu 30 mm breite Reifen. Für ein reinrassiges Straßenrennrad ist das extrem ungewöhnlich und ziemlich praktisch, wenn mal eine Tour mit Schotterpassagen, herbem Kopfsteinpflaster und ähnlichem ansteht.
Wir fuhren das CAAD 12 mit Schwalbe-Tubelessreifen, die mit ihrem großen Volumen ausgesprochen geringen Druck möglich machen – damit geht das Cannondale glatt als „Gravelbike light“ durch. Zu beachten ist dabei natürlich, dass die 30er Reifen den Raum gerade an der Gabel nahezu komplett ausfüllen; bei Nässe könnte vom Profil aufgenommener Straßenschmutz an den Bremszangen hängenbleiben. In jedem Fall erweitert der große Durchlauf den Einsatzbereich des Cannondale CAAD 12 deutlich – es ist ein Rennrad für viele, wenn nicht alle Gelegenheiten, mit sehr guten Fahreigenschaften gesegnet und ziemlich leicht. Ob sich der Selbstaufbau bzw. -umbau lohnt, ist eine andere Frage – ja, wenn man mit den von Cannondale angebotenen Ausstattungsvarianten nicht zufrieden ist; nein, wenn man mit Shimano gut leben kann. Übermäßig teuer ist die Sache jedenfalls nicht: Die Force-Komponenten sind beim Versender für rund 500 Euro zu haben, dazu kommen einige Anbauteile, die auch nicht viel kosten müssen. Gegenrechnen kann man die nicht benötigten Neuteile, die man mit etwas Glück für ein paar Hunderter loswird.
Klar, extrem individuell ist unser CAAD 12 immer noch nicht – aber dennoch eine Wunsch-Rennmaschine, die in Sachen Fahrverhalten kaum zu toppen ist. Und so richtig einzigartig wird das Rad, wenn in ein paar Jahren eine Neulackierung ansteht.
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