Test / E-Performance: S-Pedelecs sind hierzulande Exoten, boomen aber in der Schweiz. Kein Wunder angesichts attraktiver Sportmodelle wie dem Stromer ST3, das außerdem ziemlich praktisch ist.
Dass es bei den Schweizern immer etwas beschaulicher zugeht, dürfte ein Gerücht sein – auf den Radverkehr trifft es jedenfalls nicht zu. Das liegt nicht zuletzt am großen Anteil der schnellen Pedelecs am eidgenössischen Gesamtmarkt: Unter den gut 75.600 2017 in der Schweiz verkauften E-Bikes waren über 16.000 schnelle Modelle; damit haben die S-Pedelecs einen Marktanteil von gut 20 Prozent. In Deutschland dagegen ist nur eins von hundert Elektrorädern ein 45-km/h-Modell – etwa 7.200 davon wurden 2017 verkauft.
Kein Wunder also, dass Räder wie das Stromer ST3 südlich des Bodensees ein gewohnter Anblick sind – bullige, elegante Starrbikes, häufig von starken Heckmotoren angetrieben. Deutsche Hersteller setzen dagegen bei ihren 45ern oft auf das bewährte Trekking-Prinzip mit aufrechter Sitzhaltung und Federgabel. Kombiniert mit einer Vierkolben-Scheibenbremse aus dem Downhill-Bereich, kann das eine explosive Mischung ergeben – ebenfalls kein Wunder also, dass sich S-Bike-Fahrer gerne in die Schweiz orientieren und sich bei den dortigen Anbietern bedienen. Etwa bei Stromer, zumal der 2009 gegründete Spezialhersteller fast ausschließlich schnelle E-Bikes im Programm hat.
https://www.velomotion.de/2018/09/test-stromer-st5-2018-dieses-s-pedelec-macht-spass-und-hat-ordentlich-dampf/
Was macht das Stromer ST3 aus? Es einfach nur als reduzierte Version des Topmodells ST5 zu bezeichnen, geht an der Sache vorbei; das knapp 7.000 Euro teure Bike ist schließlich kein Sparpaket. Was dem Stromer ST3 im Vergleich zum Topmodell fehlt, ist in erster Linie der „Sportmodus“, der auf Knopfdruck die maximale Leistung des Nabenmotors abruft – beim ST5 850 Watt und 48 Newtonmeter Drehmoment. Das ST3 bietet im Gegensatz dazu nur drei Unterstützungsmodi und etwas geringe Bestwerte mit 820 Watt und 44 Nm – ein Unterschied, der in der Praxis nicht wirklich wahrnehmbar ist, zumal die Antriebsunterstützung bereits auf unterster Stufe ausgesprochen kräftig ausfällt. Der Nabenmotor arbeitet nahezu geräuschlos und hat dazu einen weiteren Vorteil: Im Rekuperationsmodus erzeugt er Strom, der in den Akku eingespeist wird. Allzu viel kommt dabei zwar nicht rum, allerdings lässt sich so auf längeren Abfahrten die Bremsanlage schonen.
Die Generator-Funktion war in früheren Jahren ohnehin ein gewichtigeres Argument. 2010 lag die Akkukapazität bei knapp 400 Wattstunden, inzwischen hat sie sich auf über 800 verdoppelt. Gegen Aufpreis ist sogar ein 983-Wh-Akku verfügbar – bei Bosch-Bikes sind die dadurch erzielbaren Reichweiten nur mit einem zweiten Akku erreichbar.
Typisch für Stromer ist der ins Oberrohr integrierte Bordcomputer mit Touchscreen, der sich gut bedienen lässt. Damit wird schlüsselloses Entsperren des Bikes ebenso möglich wie die Bedienung per Smartphone, wobei das Koppeln im Test zunächst etwas umständlich war. Ist alles konfiguriert, kann man sich über gute Funktion freuen. Wer häufig seine Fahrdaten checkt, könnte sich allerdings daran stören, dass man zum Blick aufs Display den Kopf stark senken muss – aber hier bietet das Smartphone am Lenker Abhilfe.
Wie alle Bikes der Marke ist das ST3 mit einer Kettenschaltung ausgestattet – logisch, denn der Nabenmotor ließe als einzige Alternative ein Tretlagergetriebe zu. Mit elf Gängen von 11 bis 42 Zähnen ist der Übersetzungsbereich groß; das riesige 52er Kettenblatt zeigt schon, dass man mit diesem Rad eher schnell unterwegs ist. Zum Tempomachen passt auch die starke Lichtanlage, die den dezent ins Steuerrohr integrierten LEDs einen superhellen Scheinwerfer zur Seite stellt.
Typisch für ein urbanes Speedbike ist die Kombination aus voluminöser 27,5-Zoll-Bereifung und Starrgabel. Stromer spezifiziert einen mit flachen Profilrillen versehenen Pirelli-Pneu, der gefühlt leicht rollt und guten Grip bietet, in Sachen Luftdruck jedoch recht sensibel ist: Zu stark aufgepumpt, wird er schnell unkomfortabel; ist zu wenig Luft im Reifen, wirkt er schwammig. Hier gilt es, in Abhängigkeit vom Fahrergewicht zu experimentieren.
Der Verzicht auf eine Federgabel ist typisch für Stromer (und für die ganze Gattung der schnellen Urban-Pedelecs). Gerade bei hohem Tempo ist dies in Sachen Fahrkomfort durchaus nachteilig; andererseits kommt die starre Gabel gut mit der standfesten Vierkolben-Vorderradbremse klar. Zwar lässt sich eine Suntour-Federgabel mit Typengenehmigung nachrüsten, doch dadurch ändert sich auch die Lenkgeometrie und damit das Fahrverhalten.
Mit drei Rahmengrößen, zwei unterschiedlichen Vorbauten und drei Lenkerformen lässt sich das Rad ergonomisch optimal anpassen; gut geformte Griffe und ein Ergon-Sattel sorgen für zusätzlichen Komfort. Der schmale Gepäckträger wirkt nicht nur sehr elegant, er ist auch ziemlich praktisch, da er von Racktime stammt und sich Körbe und Taschen sicher und stabil anklicken lassen. Damit ist das bullige, schnelle Stromer-Rad ebenso praktisch, wie es mitreißend ist – und für Pender, die ein S-Pedelec für ihre längeren Tagesstrecken suchen, definitiv eine gute Wahl.