Mitte Juni soll es soweit sein: Sobald die Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung in Kraft tritt, wird das Verkehrsgeschehen um einen „Player“, die so genannten E-Scooter, reicher. Naturgemäß gehen die Meinungen auseinander, was Sinn, Nutzen und Gefahren der neuen Fahrzeuggattung angeht – auch im Fahrradhandel. Dabei könnte dieser durchaus von den kleinen Elektroflitzern profitieren.
Purist oder Pragmatiker? Wenn es um das Thema E-Roller geht, lässt sich der Fahrradhandel sauber in zwei Hälften teilen. „Bleib’ mir weg mit dem Elektroschrott“, äußert der eine, auf die Elektrokleinstfahrzeuge angesprochen. „Haben wir schon. Stehen vorne, kannst du auf dem Hof ausprobieren“, sagt der Inhaber eines anderen Betriebes.
Wie reagiert der Fahrradfachhandel auf den E-Scooter-Trend?
Ablehnung beziehungsweise Akzeptanz haben natürlich auch damit zu tun, was man unter einem E-Roller versteht. Das kann auf der einen Seite ein wackeliges 100-Euro-Spielzeug aus dem Baumarkt sein, auf der anderen Seite aber auch ein hochwertiges Fahrzeug zwischen 500 und 1.000 Euro, wie es einige Firmen aus dem Kfz-Bereich anbieten. Und ganz oben auf der Qualitäts-Leiter steht der große X2City, eine Co-Produktion von Kettler Alurad und BMW-Motorrad, mit Luftbereifung und hochwertiger Fahrradtechnik, der beinahe zweieinhalbtausend Euro kostet (dafür jedoch als erster E-Roller über eine Zulassung verfügt). Dass ein solches Gefährt im Alltag durchaus Spaß machen kann, zeigte sich in unserem Test zum BMW E-Roller.
Sich für wenig Umsatz mit Reklamationen herumzuärgern, sei es aufgrund mangelnder Qualität oder wegen schwieriger Ersatzteilbeschaffung, kann natürlich nicht im Interesse eines Händlers liegen – wenn E-Scooter, dann bitte hochwertig und seriös. In diesem Falle können die Elektrokleinstfahrzeuge eine interessante Erweiterung des Sortiments bedeuten, denn was Radhändler anbieten, ist meist auf längere Strecken ausgerichtet. Die berühmte „letzte Meile“ (oder die erste oder beide) ist ideal für ein kompaktes, leichtes Fahrzeug, das sich einfach mitführen lässt, und selbst Falträder sind auf Wegen um einen Kilometer nicht mehr sehr praktisch. Dem Kunden hier eine Mobilitätshilfe anbieten zu können, macht also Sinn, zumal nicht damit gerechnet werden muss, dass dieser dann kein Fahrrad mehr braucht. Vielmehr kann der Händler dem Kunden weitere Fortbewegungsmöglichkeiten eröffnen: Reisemobilisten etwa, die bereits über E-Bikes verfügen, könnten einen Elektroroller für Wege auf dem Campingplatz spannend finden, die zu Fuß zu lang sind, aber zu kurz fürs Pedelec.
Ein Plus im Fachhandel ist außerdem der geringe Platzbedarf eines E-Scooters: Während ein Fahrrad oder E-Bike fast zwei Quadratmeter Verkaufsfläche in Anspruch nimmt, kommen die Roller mit wenig Raum aus. Der Aufwand, es zu versuchen, ist also vergleichsweise gering.
E-Roller: Das Problem mit der Lenkerbreite
Doch ob Ramschware aus dem Internet oder seriöse Technik vom Handel: So lange die rechtlichen Rahmenbedingungen der E-Scooter nicht geklärt sind, sind Kauf wie Verkauf nicht ratsam. Der Entwurf einer Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur liegt bereits vor (hier direkt zum Entwurf beim BMVI), doch noch ist nichts amtlich. „Erst wenn es im Bundesanzeiger veröffentlicht ist, wissen wir wirklich, woran wir sind“, so ein Händler, der E-Roller bereits anbietet, allerdings nur zur Nutzung auf privatem Grund – und der auch darauf besteht, dass bei einer kurzen Probefahrt das Firmengelände nicht verlassen wird. Denn noch sind elektrische Roller in Deutschland verboten, und vieles von dem, was bereits im Handel erhältlich ist, wird auch nach Inkrafttreten der Verordnung nicht legal zu fahren sein. Einmal abgesehen von Kennzeichen- und Versicherungspflicht sind nämlich auch die baulichen Gegebenheiten genau geregelt – und dazu gehört etwa „… eine Lenk- oder Haltestange … von mindestens 700 mm für Kraftfahrzeuge ohne Sitz“, was als 70 cm breiter Lenker zu verstehen ist, den die meisten angebotenen E-Roller nicht zu bieten haben.
Höchste Vorsicht vor fehlendem Versicherungsschutz
Mit einem nicht gesetzeskonformem Roller im Straßenverkehr unterwegs zu sein, ist nicht ohne Risiken. Zwar halten sich die Bußgelder im Rahmen, sollte es jedoch zu einem Unfall kommen, hat man als Führer eines nicht zugelassenen Kraftfahrzeugs ganz schlechte Karten – dann sind nämlich eventuelle Ansprüche des Unfallgegners komplett aus eigener Tasche zu bezahlen, wobei nicht einmal die private Haftpflichtversicherung greift.
Wie fährt sich ein solcher (illegaler) Elektroroller bei der Probefahrt im Radladen denn nun? Mit seinen laut Tacho 11 km/h ist er durchaus beherrschbar und nicht einmal übermäßig kippelig; mit Schräglage enge Kurven zu fahren, macht sogar richtig Spaß. Doch was dem Radfahrer je nach Reifenbreite ziemlich egal bis völlig schnuppe ist – Schwellen und Bordsteinkanten bis zu mehreren Zentimetern Höhe nämlich –, kann auf dem Scooter gefährlich werden, ebenso schmale Längsrinnen, in denen die rund 3 cm breiten Reifen zu versinken drohen. Schon bei 11 km/h ist kaum zu erkennen, wie hoch ein Versatz auf der Fahrbahn ist oder wie tief ein Schlagloch; Vorsicht und fahrerisches Können sind also gefragt, zumal die demnächst zulässigen Roller bis 20 km/h schnell und auch auf der Fahrbahn unterwegs sein werden.
Mit rund neun Kilo ist der ausprobierte Roller ziemlich leicht, dazu arretiert er, wenn er zusammengeklappt wird, und lässt sich dann auf dem Vorderrad schieben – sehr praktisch auf dem Bahnsteig oder in der Fußgängerzone. Der Akku fasst ganze 250 Wattstunden, was laut Hersteller für bis zu 35 km Strecke reicht. Durchs Hinterrad könnte ein dünnes Schloss geführt werden, ansonsten besteht keine Möglichkeit, den Roller anzuschließen; so etwas wie eine Wegfahrsperre gibt es auch nicht. Der Roller muss also ständig mitgeführt werden. Die Haltung auf dem kleinen Flitzer ist ungewohnt – das Trittbrett ist naturgemäß zu klein, um beide Füße ganz abzustellen, außerdem ist der Oberkörper leicht geneigt. Als Ersatz fürs Fahrrad taugt der E-Roller definitiv nicht, vom E-Bike ganz zu schweigen; wer aber ungern zu Fuß geht und täglich 15 bis 20 Minuten weit laufen muss, könnte an der neuen Mikromobilität Gefallen finden.