Radsport: Wo glorreiche Siege gefeiert werden, müssen auch bitterliche Tränen fließen. Ganz so schlimm war es bei unseren sechs größten Enttäuschungen 2019 zwar nicht, aber etwas mehr erhofft haben wir uns dennoch.
Peter Sagan: Im Frühjahr schwach, danach nur solide
Einen Fahrer mit 36 Top 10 Platzierungen als Enttäuschung der Saison zu bezeichnen, scheint falsch zu sein. Doch die Erwartungen an Peter Sagan (Bora – hansgrohe) sind einfach enorm. Mit nur vier Siegen wird das Jahr 2019 als sein bislang schwächstes in die Statistik eingehen. Er selbst wird das ähnlich sehen, denn vor allem bei seinem ersten Saisonhighlight – den Klassikern im Frühjahr – konnte er die in ihn gesetzten Erwartungen überhaupt nicht erfüllen. Rang #4 bei Milan – Sanremo und Rang #5 bei Paris – Roubaix waren seine besten Resultate. Und obwohl er danach bei der Tour de Suisse und bei der Tour de France die Punktewertung gewann, blieb er auch dort mit nur je einem Etappensieg unter seinen Ergebnissen aus den Vorjahren. Wenn wir bedenken, bei wie vielen Veranstaltungen Peter Sagan als Topfavorit oder zumindest als Mitfavorit ins Rennen ging, ist seine Ausbeute schlichtweg enttäuschend.
Romain Bardet: In den Bergen völlig chancenlos
Ohne einen einzigen Saisonsieg hat Romain Bardet (AG2R La Mondiale) die Saison 2019 beendet. Bei der starken Konkurrenz in den Bergen sagt diese Statistik allein nichts über das Jahr des Franzosen aus. Doch seine Performance war tatsächlich enttäuschend wie nie. Von seinen elf Top 10 Platzierungen fuhr er lediglich fünf in der WorldTour ein. Aufs Podium sprang er nur einmal als Ausreißer auf einer Etappe bei der Tour de France. Allgemein war viele seiner Fans geschockt von seiner Verfassung während der Grand Boucle. Romain Bardet konnte nicht annähernd mit der Konkurrenz Schritt halten. Am Ende der drei Wochen belegte er Rang 15 auch nur, weil er sich in Ausreißergruppen über Wasser hielt. Dabei hatten die französischen Zuschauer in diesem Jahr so viel von ihm erwartet. Mit Rang #5 bei Paris – Nizza und Platz #9 beim Amstel Gold Race nährte er diese Hoffnungen. Danach kam jedoch nicht mehr viel.
Richie Porte: Aus „jetzt oder nie“ wurde nie
Man lehnt sich wohl nicht zu weit aus dem Fenster, wenn man nun die Behauptung aufstellt, dass Richie Porte (Trek – Segafredo) nie eine Grand Tour gewinnen wird. Im Januar wird der Australier bereits 35 Jahre alt und seine Leistungen haben schon in dieser Saison stark nachgelassen. Viele Experten haben ihm vor der Tour de France im Juli den Stempel „jetzt oder nie“ aufgedrückt. Ohne Chris Froome und Tom Dumoulin musste einfach seine Zeit kommen. Doch sie kam nicht. Richie Porte wurde nur Elfter. Auf eine zynische Art und Weise könnte man nun sagen, dass er die Rundfahrt immerhin beenden konnte. Bei seinen vergangenen sechs Grand-Tour-Versuchen gelang ihm dies nämlich dreimal nicht. Den Fettnäpfchen wich Richie Porte also in diesem Jahr aus, doch dafür war auch seine Stärke wie weggeblasen. Lediglich seinen alljährlichen Sieg hinauf zum Willunga Hill konnte er zu Saisonbeginn feiern. Richie Porte war in der Vergangenheit als stärkster GC-Fahrer für einwöchige Rundfahrten bekannt. Nur mit Rang #2 bei der Tour Down Under konnte er auch diesen Ruf 2019 nicht bestätigen.
Daniel Martin: Die Spritzigkeit ist verflogen
Daniel Martin (UAE Team Emirates) wird bei hügeligen Etappenprofilen immer als Mitfavorit genannt. Der Ire galt viele Jahre als äußerst konstant und spritzig. Duelle mit Alejandro Valverde, Philippe Gilbert und Julian Alaphilippe gehörten für ihn fast schon zur Tagesordnung. Doch während Valverde auch im Alter von 39 Jahren noch zu den stärksten Profis im Peloton gehört, scheint Daniel Martin schon mit 33 nachzulassen. Die Saison 2019 war für ihn nämlich eine einzige Katastrophe, nachdem es schon 2018 eher bescheiden lief. Lediglich drei Top-3-Ergebnisse stehen zu Buche, in Katalonien und im Baskenland. Bei seinen Saisonhöhepunkten enttäuschte er. Als 18. der Tour de France war er im Fernsehen fast nur zu sehen, wenn er als einer der ersten namhaften Kletterer abgehängt wurde. Danach lief bei ihm gar nichts mehr zusammen. Bei der Clasica San Sebastian, in Quebec, in Montreal und bei der Lombardei-Rundfahrt sprang kein Top-10-Resultat heraus. Dabei sind diese Rennen eigentlich wie für ihn gemacht. Im kommenden Jahr wird Daniel Martin für die Israel Cycling Academy bzw. für Katusha – Alpecin an den Start gehen. Als Mitfavorit genannt wird er 2020 aber wohl weniger häufig.
Niki Terpstra: Mega-Flop statt Mega-Transfer
Vor rund zwölf Monaten wurde der Wechsel von Niki Terpstra (Direct Energie) als Transfer des Jahres bezeichnet. Damals verließ er als amtierender Sieger der Flandern-Rundfahrt und von E3 Harelbeke das Wolfsrudel von Quick-Step. In neue Sphären wollte die französische Equipe mit ihm aufsteigen. Doch was folgte, war ein ungebremster Abstieg des jetzt 35-jährigen Niederländers. Bei keinem einzigen WorldTour-Rennen fuhr er unter die Top 3, obwohl seine Mannschaft zu einigen Veranstaltungen eingeladen wurde. Seine Saisonhöhepunkte verpatzte er total. Ein besseres Resultat als Platz 15 bei E3 Harelbeke konnte er bei keinem Klassiker auf dem höchsten Level des Radsports einfahren. Nur als Dritter bei Kuurne – Brussel – Kuurne blitzte seine vergangene Stärke kurz auf.
André Greipel: Um den Gorilla wird es ruhiger
Leider nicht als Enttäuschung der Saison fehlen darf André Greipel (Arkéa – Samsic). Der deutsche Sprinter gewann 2019 nur ein einziges Rennen. Erstmals in Afrika am Start, ließ er die wenig namhafte Konkurrenz auf einer Etappe der Tropicale Amissa Bongo hinter sich. Von Verletzungen und Erkrankungen geschwächt, fand André Greipel im ersten Jahr bei der französischen Equipe einfach nicht zur Normalform. Enttäuscht darüber war nicht nur er selbst, sondern auch sein Team. So einigte man sich vor wenigen Wochen auf eine Trennung. 2020 wird André Greipel für die Israel Cycling Academy bzw. Katusha – Alpecin an den Start gehen. Ob der 37-Jährige allerdings noch einmal zur alten Stärke zurückfinden wird, ist ungewiss.