Gravelbikes: Wer sich aus der Vielzahl der Modelle sein Gravelbike aussucht, bekommt mit großer Wahrscheinlichkeit die passenden Reifen dazu: Generalisten an Allround-Bikes, spezialisierte Ausführungen an Fahrrädern, die stärker auf einen bestimmten Einsatzzweck zugeschnitten sind. Was man alles über Gravel-Reifen wissen muss, haben wir hier zusammengefasst.
Das Gravelbike ist die wohl erste Fahrradgattung, die sich nach der flächendeckenden Einführung der Scheibenbremse entwickelte. Modelle mit Felgenbremsen gibt es praktisch nicht; irgendwelche Einschränkungen beim Reifenvolumen liegen von dieser Seite also nicht vor. Und auch der Felgendurchmesser ist nicht mehr durch die Position von Bremssockeln festgelegt, was den Herstellern noch mehr Freiheiten lässt – nur der Durchlauf an Gabel und Hinterbau muss stimmen.
Bunte Vielfalt
Nichts definiert die Gattung stärker als diese Freiheit, denn durch sie entsteht eine bunte Vielfalt an Typen und Konzepten, die von der Allround-Rennmaschine bis hin zum MTB-Hardtail mit Federgabel und Rennlenker reicht – 32er Slickbereifung auf der einen, grobstollige 2,x-Zöller auf der anderen Seite. Die meisten aktuellen Gravelbikes liegen freilich irgendwo dazwischen, vom Konzept wie von der Bereifung. Im Idealfall passt beides zusammen; in jedem Fall sollte man sich vor der Kaufentscheidung genau überlegen, was man mit seinem Gravelbike für Strecken anpeilt und ob die am Wunschrad montierte Bereifung darauf abgestimmt ist.
Welcher Reifen passt also zu welchem Einsatzzweck? Anders als beim Rennrad, wo man im Grunde nur zwischen unterschiedlichen Reifenmarken und Breiten von 23 bis 28 mm wählen kann, bieten sich am Gravelbike gleich drei Stellschrauben an: Reifenbreite bzw. -volumen, Profil und Laufradgröße – wobei natürlich alles irgendwie zusammenhängt. Und zusätzlich kann man sich zwischen Tubeless- und Tubetype-Reifen unterscheiden.
Rollwiderstand oder Komfort?
Fangen wir mit der Breite an: Diese ist ein heißes Thema, seit festgestellt wurde, dass breite Reifen weniger Rollwiderstand bieten können als schmale – was aber nur in bestimmten Grenzen gilt, nämlich bei gleichem Luftdruck. Dann freilich hat ein breiterer Pneu keinen Komfort-Vorteil mehr; bei gleichem Luftdruck ist er härter als ein schmaler Reifen. Dieser bietet allerdings nur wenig Spielraum beim Druck – ist der zu gering, steigt die Defektanfälligkeit durch Durchschläge. Nimmt man dagegen beispielsweise einen 35er, hat man die Wahl zwischen hohem Komfort und gutem Grip bei Drücken um 3 bar – etwa bei Fahrten auf Naturwegen und im Gelände – und leichtem Lauf bei 5 bar für Touren auf Asphalt, wo die Dämpfung etwas geringer ausfallen kann.
Ein Reifen, der genau diese Wahlmöglichkeiten bietet, hat Schwalbe mit dem G-One Allround im Programm. Kein Wunder, dass er in 35 oder 40 mm Breite an zahlreichen Gravelbikes verbaut wird: Die vielen kleinen „Noppen“ des Profils sind einerseits griffig genug für lockeren Untergrund und rutschige Passagen, andererseits stehen sie so dicht, dass sie auf glattem Belag fast wie ein Slickreifen wirken. Beide Eigenschaften sind besonders dann bemerkbar, wenn man sich das Luftdruckspektrum von 3 bis 5 bar zunutze macht.
Ideale Allrounder
Natürlich gibt es derartige Pneus auch von anderen Anbietern – WTB geht mit dem Riddler ähnliche Wege, Donnelly mit dem X’Plor MSO. Beim Panaracer Gravelking wird eine eng profilierte Lauffläche mit offener positionierten Schulterstollen kombiniert; bei geringerem Druck wird der Reifen dadurch griffiger. Solche Profile sind ideal für Gravelbikes, die als Allrounder auf Asphalt und im Gelände eingesetzt werden, ohne dass ein Reifen- oder Laufradwechsel nötig wird.
Wird das Bike vorzugsweise im Gelände eingesetzt oder auf Touren mit Gepäck, sollte erst einmal das Reifenvolumen steigen. Dadurch wird der Pneu schluckfreudiger und komfortabler und bietet mehr Reserven, wenn es mit abgesenktem Druck über Steine und Wurzeln geht. Extrem griffiges Profil, wie man es von MTB-Reifen kennt, ist meist nicht nötig. Allerdings ist spätestens ab zwei Zoll Reifenbreite etwas anderes dran: Der Wechsel von 28er Laufrädern auf 650B-Ausführungen. Der Außendurchmesser einer solchen Felge ist um etwa 4 cm geringer; bei gleichbleibendem Abrollumfang kann das Reifenvolumen also entsprechend größer ausfallen. Fahreigenschaften und Handling werden dadurch weniger stark beeinflusst.
650B-Laufräder lassen sich prinzipiell in jedes Gravelbike einsetzen; damit breitere Reifen montiert werden können, müssen sich Gabel und Hinterbau zu den Ausfallenden hin natürlich entsprechend aufweiten. Manche Hersteller, etwa Drössiger und Storck, stimmen ihre Rahmen von vornherein auf diese Umbauoption ab. Vorsicht geboten ist nur bei schmalen, weniger hoch bauenden 650B-Reifen: Dann wandert das Tretlager nach unten, was dazu führt, dass die Pedale schneller aufsetzen.
Sicher ohne Schlauch
Die schon angesprochene Wahl zwischen Tubeless- und Tubetype-Reifen ist leider oft gar keine – man hat sie nämlich nur, wenn entsprechende Komponenten verbaut sind. Gravelbikes, die vorwiegend auf Asphalt oder bestenfalls auf Feldwegen gefahren werden, kommen auch mit herkömmlichen Schläuchen ganz gut zurecht; wer wirklich ins Gelände will, kommt um Schlauchlosreifen aber kaum herum. Sie senken das Defektrisiko durch Durchschläge praktisch auf null, was gerade bei Reifen unterhalb von 40 mm Breite und reduziertem Luftdruck wichtig ist.
An zahlreichen unserer Testräder sind bereits Schlauchlosreifen und/oder entsprechende Felgen verbaut – dazu gehören etwa die Bikes von Canyon, Specialized und Giant. Den Umbau selbst nehmen nur die wenigsten Anbieter bei der Montage vor, da er etwas aufwendiger ist als der Einbau von Schläuchen; Giant ist hier als vorbildliche Ausnahme zu nennen. Hat der Radhersteller keine Tubeless-Felgen spezifiziert, ist der Umbau nur mit dem Umstieg auf andere Laufräder möglich, was aber nicht unter 300 Euro zu machen ist.
Ein nicht zu vernachlässigender Aspekt ist die Montage von Schutzblechen. Sie ist an allen von uns getesteten Gravelbikes möglich, allerdings hier und da nur bei der vom Hersteller montierten Reifengröße. Wer plant, sein Rad irgendwann zum allwettertauglichen Reiserenner mit dicken Reifen umzurüsten, sollte vor dem Kauf checken, ob der Reifendurchlauf hierfür ausreichend groß bemessen ist.
Muss man sich nun also groß Gedanken machen um die Reifen, die an einem beliebigen Gravelbike montiert sind? Jedenfalls nicht, was das Testfeld von Velomotion angeht – wir konnten allen Bikes bescheinigen, passend zum jeweiligen Einsatzzweck bereift zu sein: die eher sportlich-rennradmäßigen Modelle mit schmalen, schnellen Reifen, die stärker aufs Gelände ausgerichteten Bikes mit breiten, bissigen Pneus. Und alles dazwischen eben mit Reifen, die zwischen den Extremen liegen und ebenso vielseitig sind wie die Gravelbikes selbst.
Hier findet ihr alle derzeit im Velomotion Gravelmonat Februar veröffentlichten Artikel und Tests:
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