Test: Mit dem Core präsentierte der spanische Hersteller BH vor einiger Zeit eine völlig neue E-Bike Plattform für Rennräder, Gravelbikes und sportive Urban Bikes. Mit selbst entwickeltem Mittelmotor, großem Akku, minimalistischer Optik und innovativem Bedienkonzept machte es uns schon bei der Vorstellung neugierig – nun hatten wir endlich Gelegenheit, das BH Core in seiner Gravel-Variante zu testen.
Selbstentwickelter Motor mit großem Intube Akku und pragmatischer Bedieneinheit
Das E-Rennrad bzw. E-Gravelbike ist nach anfänglicher Skepsis inzwischen klar auf dem Markt angekommen. Mit zunehmender Anzahl verschiedener Modelle wächst auch die Auswahl an den hierfür verwendeten und konstruierten Antrieben. Während bislang das kompakte Antriebssystem von Fazua durchaus als Platzhirsch bezeichnet werden konnte, erhält es nicht nur mit den kompakten neuen Bosch Motoren ernsthafte Konkurrenz. Ebenso setzen immer mehr Hersteller auf eigene Antriebssysteme wie beispielsweise Specialized mit dem neuen Creo. Einen ähnlichen Weg schlägt BH Bikes mit dem im Frühjahr vorgestellten Core ein.
Das Herzstück des neuen BH E-Bikes bildet nämlich ein selbst entwickelter, kompakter Mittelmotor, der mit einem maximalen Drehmoment von 65Nm deutlich stärker als die Kompaktlösungen von etwa Fazua ist. Ja, er ist auch etwas größer und mit 2,5kg auch nicht ganz so leicht, siedelt sich aber in beiden Bereichen unter den bislang bekannten klassischen Mittelmotoren an. Ebenfalls spannend, vor allem für sportive Fahrer: Die Motoreinheit baut erfreulich schmal, womit sich ein Q-Faktor von 163mm realisieren lässt, der kaum von dem klassischer Räder unterscheidet. Ebenfalls schön: Laut den Spaniern liefert der Antrieb Unterstützung bis zu einer hohen Trittfrequenz von 110 upm – so müssen sich Rennradfahrer beim Umstieg kaum umstellen.
BH verspricht vom neuen Motor, dass dieser im ausgeschalteten Zustand und auch im Bereich über 25km/h entkoppelt und damit keinen spürbaren Zusatzwiderstand während des Tretens leistet.
Versorgt wird der Motor von einem im Unterrohr versteckten Akku mit satten 540Wh Kapazität. Das ist für ein derartiges Antriebssystem eine echte Ansage und auch deshalb überraschend, da das Unterrohr deutlich schlanker ausfällt, als man es beispielsweise von Rädern mit Bosch PowerTube Akku kennt. Ein Grund dafür ist auch die geschlossene Konstruktion des Rahmens. Geschlossen heißt: Der Akku lässt sich zum Laden nicht entnehmen und folglich nur im Rahmen laden. Apropos Laden: BH verspricht, dass der Akku in nur 90 Minuten von 0 auf 80% aufgeladen werden kann und das Rad bis zu 165km mit Energie versorgen kann.
Die Bedieneinheit für den Antrieb am E-Renner ist immer so eine Sache: Am Rennlenker ist zwar prinzipiell genügend Platz, aber durch die verschiedenen Griffpositionen ist keine Stelle so richtig optimal. Entsprechend gibt es hier von Hersteller zu Hersteller andere Lösungen – mal klassisch per Remote und Display am Lenker, mal ohne Display mit Bedieneinheit im Oberrohr oder mal komplett unsichtbar und nur per Smartphone steuerbar. BH schlägt ebenfalls eigene Wege ein und integriert sämtliche Bedien- und Displayelemente unter der Aheadkappe des integrierten FSA ACR Cockpits. Unter transparentem Kunststoff ist ein Kreis aus LEDs angeordnet, deren Farbe die Unterstützungsstufe und deren Anzahl den Akkuladezustand anzeigen. Bedient wird das gesamte System über einen einzigen Knopf, der dort sitzt, wo am herkömmlichen System die Ahead-Schraube ihren Platz hat.
Über eine kostenlose Smartphone App lässt sich über Bluetooth die Farbe der LEDs ändern als auch die Paramter der einzelnen Unterstützungsstufen auf die persönlichen Vorlieben anpassen. Leider bietet der Antrieb keine Schnittstelle für Radcomputer, um Daten wie Geschwindigkeit oder Leistung auszulesen – schade!
BH Core: Vom Rennrad bis zum Urban Bike
Die Core-Plattform mit ihrem kompakten Mittelmotor und dem großen Akku im Unterrohr wird nicht nur in der von uns getesteten Gravel-Variante angeboten. Außerdem gibt es noch eine Endurance-Variante, ein Fitness-Bike, ein sportliches Trekking- und sogar ein Urbanbike mit tiefem Durchstieg. Schön: In allen Varianten findet der große 540Wh Akku im Unterrohr Platz.
Vielseitiger Alurahmen für verschiedene Szenarien
Zum Test hatten wir mit dem BH Core GravelX 2.6 das teuerste Core Modell und gleichzeitig das Top-E-Gravelbike der Serie. Der leider nur in drei Größen erhältliche Alurahmen hat eine durchaus sportliche Geometrie mit spürbarer Sattelüberhöhung, erfreulich kurzen Kettenstreben und modernen Winkeln am Steuer- und Sitzrohr.
Geometrie BH Core GravelX
SM | MD | LA | |
Sitzrohr (in mm) | 520 | 540 | 560 |
Oberrohr horizontal (in mm) | 543 | 561 | 581 |
Steuerrohr (in mm) | 140 | 160 | 180 |
Kettenstrebe (in mm) | 428 | 428 | 428 |
Lenkwinkel (in °) | 71 | 72 | 72 |
Sitzwinkel (in °) | 73,25 | 73 | 72,75 |
Reach (in mm) | 372 | 380 | 391 |
Stack (in mm) | 569 | 592 | 611 |
Auch dank der großzügigen Reifenfreiheit bekommt man damit einen wunderbaren Allrounder, der nicht nur auf Schotter, sondern eben auch auf asphaltierten Straßen eine Menge Freude bereiten dürfte. Tipp für Rennrad-Fahrer, die ein Auge auf das Core geworfen haben: Der GravelX Rahmen ist deutlich sportiver ausgelegt als der „Race“ Rahmen der E-Rennräder. Wer mit einer Alltags- oder Tourennutzung des Core GravelX liebäugelt, dürfte sich über die Montagemöglichkeiten für Schutzbleche und einen Gepäckträger freuen.
Attraktives Ausstattungspaket am Top-Gravelmodell GravelX 2.6
Mit 4.099 Euro liegt das BH Core GravelX 2.6 preislich im Bereich dessen, was man für ein gut ausgestattetes, modernes E-Gravelbike in guter Ausstattung ausgeben muss. Mit 17,5kg ist es zudem verhältnismäßig leicht – schließlich besteht der Rahmen nicht aus Carbon und der Akku ist deutlich größer und damit auch schwerer als bei vergleichbaren Rädern etwa mit Fazua Antrieb.
Die verbauten Komponenten sind durchaus hochwertig: Bei der Schaltung kommt ein Shimano-Mix mit Komponenten aus Ultegra und GRX zum Einsatz. Während die STIs aus der Road-Gruppe der Japaner stammen, wechselt am Heck ein neues GRX Schaltwerk die Ritzel auf der breit abgestuften 11-42 Kassette. Die Gravel-Varianten des Core kommen übrigens allesamt ohne Umwerfer – lediglich die Road-Modelle sind mit zwei Kettenblättern für engere Gangsprünge ausgestattet.
Auch die Laufräder kommen aus der neuen GRX-Gravelgruppe und finden eine sehr gute Balance zwischen Gewicht und Felgenbreite: Trotz der mit knapp 22mm recht großzügigen Maulweite der Felgen bringt der Satz nämlich nur etwas mehr als 1.700g auf die Waage – ein sehr guter Wert. Darauf montiert sind mit den G-One von Schwalbe die vielleicht derzeit besten Allround-Reifen montiert – im Falle des Core GravelX in 38mm breite.
Durchaus zu den Highlights zählt außerdem das ACR Cockpit aus dem Hause FSA. ACR steht hierbei für Aerodynamic Cable Routing und verweist auf die komplett im Lenker- und Vorbauinneren verlaufenden Züge und Leitungen, die von dort auch direkt in den Rahmen geleitet werden. Das Resultat ist eine unnachahmlich cleane Optik, die jedoch mit etwas erhöhtem Wartungsaufwand einhergeht, wenn man die Leitungen oder Außenhüllen eben doch mal wechseln muss.
Das BH Core GravelX in der Praxis
Es ist immer ausgesprochen aufregend, wenn man sich als Tester auf ein innovatives Rad wie das BH Core setzt. Selbst entwickelter Motor, innovatives Bedienkonzept, neuer Rahmen – hier gibt’s jede Menge zu entdecken. Zunächst noch vor der ersten Kurbelumdrehung möchten „Bedieneinheit“ und „Display“ begutachtet werden – beides fällt am Core ausgesprochen pragmatisch aus. Auf den ersten Blick komplett unsichtbar verstecken sich nämlich sämtliche Bauteile, die am Cockpit auf einen E-Antrieb hindeuten könnten in der Ahead-Kappe des Vorbaus.
Die unter dem transparenten Kunststoff versteckten LEDs geben Auskunft über Ladezustand und Unterstützungsstufe und sind hell genug, um selbst bei direkter Sonneneinstrahlung gut erkennbar zu bleiben. Für die Bedienung ist ein einziger Knopf zuständig; dieser sitzt dort, wo ansonsten die Ahead-Schraube ihren Platz hat. Das Bedienkonzept ist ähnlich simpel: Einfaches Drücken schaltet eine Unterstützungsstufe hoch, zweifaches Drücken runter. Als Freunde unscheinbarer Bedienkonzepte sind wir auf den ersten Blick durchaus beeindruckt.
Vor einigen Wochen hatten wir bereits die Möglichkeit, das Core auf einigen kurzen Runden im warmen (und damals noch Corona-freien) Spanien zu testen, zuletzt haben wir diese ersten Eindrücke im heimischen Bayern weiter vertieft. Sprechen wir direkt zu Beginn über den Motor: Schaut man sich die technischen Daten an, liegt dieser irgendwo zwischen dem Fazua System und schwächeren, ausgewachsenen Mittelmotoren wie dem Active Line Plus von Bosch. Dies bestätigt sich auch in der Praxis. Die kompakte Einheit schiebt schon in der niedrigsten der vier Unterstützungsstufen spürbar an, die Fahrt wird mit einem leisen, aber niemals aufdringlichen oder störenden Summen begleitet. Dieser positive Eindruck der Geräuschkulisse bestätigt sich erfreulicher Weise selbst dann, wenn man dem Motor volle Power gibt. Das Summen wird zwar etwas lauter, geht aber bereits auf leichtem Schotter fast komplett in der allgemeinen Geräuschkulisse unter.
Ähnlich positiv verhält sich der Antrieb in puncto Unterstützungskraft. Der Motor beschleunigt das Core deutlich stärker als etwa ein Fazua Antrieb und kommt auch mit Steilstücken durchaus gut zurecht, wobei je nach Fahrergewicht und gewählter Übersetzung hier natürlich Grenzen gesetzt sind. Nicht ganz so gut gefällt die Abgrenzung der vier Unterstützungsstufen. Gefühlt liegen bereits die schwächste und die höchste so eng beisammen, dass ein Zwischenschritt eigentlich gereicht hätte. Immerhin lassen sich die jeweiligen Parameter jedoch über die spezielle Core App auf die eigenen Wünsche anpassen.
Insgesamt ist die Abstimmung des Antriebs jedoch eine seiner großen Stärken. Das zeigt sich vor allem, wenn man die magische 25km/h Grenze überschreitet. Der Motor nimmt die Leistung sehr sanft und harmonisch zurück, so dass das unangenehme „gegen eine Wand Fahren“, das man von dem einen oder anderen Antrieb kennt, hier überhaupt nicht auftritt. Besonders schön: Dasselbe gilt auch dann, wenn man wieder in den Unterstützungsbereich kommt. Der Motor springt nicht abrupt wieder an, sondern steigert seine Leistung harmonisch. So stellt sich ein sehr natürliches Fahrgefühl ein. Sportiven Fahrern dürfte zudem gefallen, dass er Motor mit eher hohen Trittfrequenzen besser klarkommt, als mit schweren Gängen. So muss man sich beispielsweise beim Umstieg vom „analogen“ Rennrad kaum umstellen. Apropos analoges Rennrad: Ist man schneller als 25km/h oder bei deaktiviertem Antrieb unterwegs, leistet der Motor keinen für uns spürbaren Widerstand und entkoppelt komplett.
Als nicht ganz so überzeugend entpuppte sich während der Fahrt die Bedienung des Antriebs. Dass man zum Wechseln der Unterstützungsstufe oder dem (De-)Aktivieren des Motors eine Hand vom Lenker nehmen muss ist dabei gar nicht so tragisch. Leider ist der einzige Bedienknopf sehr klein und besitzt auch keinen wirklich guten Druckpunkt. Mit großen Fingern oder Handschuhen ist das Betätigen also ohnehin nicht ganz so einfach und erschwerend kommt die Bedienlogik hinzu: Möchte man beispielsweise von der höchsten auf die niedrigste Unterstützungsstufe wechseln, muss man den Knopf acht (!) Mal betätigen.
Verlässliche Aussagen zum Thema Reichweite sind beim E-Bike ohnehin immer schwierig zu treffen. Für ein E-Rennrad bzw. Gravelbike wie das Core gilt diese Schwierigkeit umso mehr, denn viele Fahrer oder Fahrerinnen werden das Rad für weite Teile oberhalb der 25km/h Grenze oder auch mal ohne Unterstützung in der Ebene bewegen. Im coupierten Gelände der Costa Blanca mit durchaus einigen Höhenmetern war so aber eine Tour von um die 100km kein Problem – verlässt man sich hingegen komplett auf den Motor und trägt selbst wenig zum Vortrieb bei, dürfte dem Core schon deutlich vor Tourende die Puste ausgehen.
Aber nun genug der Worte über Antrieb, Motor, Bedieneinheit und Akku – schließlich ist das Core immer noch zuallererst ein Fahrrad. Die Sitzposition ist insgesamt durchaus sportlich und wenn man auf Vorbauspacer verzichtet, kommt das E-Gravelbike der Spanier mit stattlicher Sattelüberhöhung daher. Insgesamt fanden wir die Ergonomie jedoch wirklich gelungen, mit einer kleinen Ausnahme: Der Oberlenker fällt für ein modernes Gravelbike sehr schmal aus und lässt sich mit großen Händen entsprechend eher bescheiden greifen.
Das Fahrverhalten selbst ist ausgesprochen gutmütig und trifft eine gelungene Balance zwischen Laufruhe und Agilität. Hier spürt man schon die Expertise und Erfahrung, die die Basken als traditioneller Rennrad-Hersteller mitbringen. Der Komfort ist auch dank der breiten 38mm Reifen ordentlich – jedoch nicht überragend. Das liegt einerseits sicherlich am recht steifen Alu-Rahmen, andererseits auch an der ebenfalls ziemlich direkten Gabel, die Lenkimpulse sofort umsetzt, Schläge jedoch auch recht deutlich an die Hände weitergibt.