Kurznews: Die Verkehrswende ist eine lang diskutierte Odyssee. Nun führt das Coronavirus dazu, dass ein Gutteil des erdachten Mobilitätskonzepts in Flammen aufgeht: Der ÖPNV ist zumindest, wenn er kapazitativ ausgelastet ist, eine umweltfreundliche Lösung für die Zukunft.
Die aktuelle Krise offenbart jedoch auch, dass der ÖPNV ein Herd für die Ausbreitung von Krankheiten ist. Genau dieser Punkt ist es, der nun den Individualverkehr per Fahrrad enorm nach vorne bringen könnte. Möglicherweise ist es sogar der Anfang vom Ende der auf den Autoverkehr ausgerichteten Städte.
Aufbau einer pandemietauglichen Infrastruktur
Langsam zeigen sich erste Lichtstrahlen am Horizont, was die Rückkehr des Lebens in unsere Städte angeht. Um die Ansteckungsgefahr im öffentlichen Raum zu minimieren, kristallisiert sich vor allem im städtischen Bereich das Fahrrad als Lösung heraus. Vielerorts sind in den letzten Wochen und Tagen in Rekordzeit neue Radspuren entstanden.
Einerseits um den zusätzlichen Radverkehr aufzunehmen. Und andererseits, um Radfahrern den notwendigen Abstand zueinander zu gewähren. Sobald in naher Zukunft auch Schulen und Geschäfte wieder schrittweise öffnen, wird sich zeigen, ob sich das Konzept bewährt. Vereine wie Changing Cities fordern bereits, längerfristig auf pandemietaugliche Mobilitätsinfrastrukturen zu setzen, da die definierten Abstandsregeln wohl noch monatelang anhalten werden.
Konkrete Maßnahmen sollen den Umstieg auf das Rad erleichtern
In einem Schreiben an den Bundesverkehrsminister und die Verkehrsminister der Länder fordert der Verein u.a. „die regulatorischen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit Straßen schnell und unproblematisch umgestaltet werden können.“ Zu diesen zumindest temporären Maßnahmen soll das Verbeitern von Fuß- und Radwegen ebenso gehören wie zusätzliche Radspuren auf der Fahrbahn und die Einrichtung von Straßen, die nur für den Radverkehr freigegeben sind.
Auch über Vorrangschaltungen an Ampeln für Radler und Fußgänger ist zu denken. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) fordert die Kommunen zu kreativen Maßnahmen auf, um vor allem Pendlern den Umstieg auf das Fahrrad zu erleichtern.
Einige Berliner Stadtteile gehen voran
In einigen Berliner Stadtteilen hat die aktuelle Situation zu einem pandemischen Wachstum von Radwegen geführt. Kurzerhand hat man künftig geplante „feste“ Radwege bereits jetzt durch Linien realisiert. Nicht unwahrscheinlich, dass sie auch nach der Krise einfach bleiben. Für die mögliche Abkehr von der rein auf den Autoverkehr ausgerichteten Stadt könnte etwa in Berlin Friedrichshain-Kreuzberg die Ausschreibung gleich mehrerer Stellen für Radwegeplaner sprechen.
„Das Engagement Berlins ist sicher sehr lobenswert, aber im Sinne einer effektiven Maßnahme, um die Ansteckungsgefahr auf vielbefahrenen Routen zu mindern, bei Weitem nicht ausreichend. Wir hoffen, dass da noch mehr kommt und auch andere Städte sich diesem Beispiel anschließen“, so der ADFC.
Auch der ÖPNV muss sich zeitweise anpassen
Ein weiteres Problem bleibt aber weiterhin der ÖPNV. Eine nicht unbedingt realistische Forderung stellt der Deutsche Bahnkunden-Verband (DBV) auf. Demnach solle auch im öffentlichen Personen-Nahverkehr der Mindestabstand von 1,5 Metern durch bauliche Maßnahmen eingehalten werden. Angefangen von mindestens der Verdopplung der Platzkapazität über den Ausbau von Sitzbänken bis hin zu baulichen Maßnahmen an Bushaltestellen und Bahnsteigen sei einiges denkbar.
Im Angesicht nicht vorhandener Fahrzeugkapazitäten, massivem Ressourcenaufwand, fehlendem Personal und enormen Kosten scheint der wie auch immer geartete Umstieg auf das Fahrrad bzw. E-Bike im Nahbereich deutlich sinnvoller. Immerhin fördert das Radeln auch noch aktiv die Gesundheit und schützt nicht nur passiv vor einer möglichen Infektion.