Cannondale Topstone Carbon 2 L Test: Das Carbon-Gravelbike mit der komfortablen Hinterbaufederung ist nun auch mit StVZO-Lichtanlage erhältlich. Das aktuell deutlich im Preis reduzierte Modell kommt dazu mit zahlreichen Detailänderungen; im Test von Velomotion gefiel es mit viel Komfort und top Fahreigenschaften.
Bei Cannondale stehen inzwischen 22 Gravelbikes zur Wahl – zehn Alu- und zwölf Carbon-Modelle, und dazu kommen noch drei E-Graveller. Sich zwischen Aluminium- und Carbonrahmen zu entscheiden, ist normalerweise in erster Linie eine Preisfrage, doch beim Topstone gibt es einen weiteren, wichtigen Unterschied: Die Carbon-Modelle (bis aufs SuperSix EVO SE) sind allesamt mit einer Hinterbaufederung ausgestattet, zwei davon außerdem mit Lefty-Federgabel. Das Topstone Carbon 1 Lefty stellte Velomotion bereits im vergangenen Jahr vor; mit deutlichen Änderungen bei der Spezifikation ist es nach wie vor im Programm. Und auch bei den Modellen mit Starrgabel hat sich viel getan, wie sich am Cannondale Topstone Carbon 2 L sehr schön zeigen lässt.
„Softtail“ mit Tradition
Ganz neu ist das KingPin-System des US-Herstellers nicht mehr; das Prinzip einer Federung ohne Drehpunkt am Hinterbau geht sogar bis ins Jahr 2001 zurück, als Cannondale das leichte Race-Fully Scalpel vorstellte. Wobei das Topstone Carbon natürlich keinen Dämpfer hat und auch keinen wirklich langen Federweg: Das Hinterrad kann 10 mm nach oben ausweichen; die Flexzonen an Hinterbau, Sitzrohr und Oberrohr ergeben immerhin 30 mm Bewegungsspielraum am Sattel. All das soll merkliche Stoß- und Vibrationsdämpfung ergeben, außerdem spricht Cannondale von einem Plus an Traktion – also genau das, was man am Gravelbike braucht.
SmartSense für beste Sicht (-barkeit)
Und noch etwas ist neu am erstmals 2022 vorgestellten Topstone: Mehrere Versionen sind mit „SmartSense“ ausgestattet, einem fest montierten Lichtsystem, das bei einigen Modellen außerdem über eine Radareinheit verfügt, der von hinten herannahende Fahrzeuge anzeigt. Wobei das Testrad auf letzteres verzichten muss; beim Graveln auf verkehrsarmen Strecken dürfte das Thema Sicht und Sichtbarkeit jedoch ohnehin wichtiger sein.
Am Topstone Carbon 2 L besteht SmartSense aus drei Komponenten. Der Frontstrahler sitzt unterhalb des Vorbaus und wird von einer Kunststoffschelle am Lenker gehalten; die Leuchte stammt von Lezyne und ist GoPro-kompatibel, sodass unterschiedlichste Halterungen nachgerüstet werden können – beispielsweise ein kombinierter Radcomputer/GoPro-Träger. Auch die Rückleuchte wird à la GoPro befestigt, sodass es möglich ist, sie mit einer Satteltasche zu kombinieren. Ihr Kabel führt von oben in die Sattelstütze zum Akku, der unterhalb des Flaschenhalters auf dem Unterrohr sitzt. Der Akku kann mit dem großen Arretierhebel einfach gelöst werden und wird per USB-C geladen.
Rahmen mit vielen neuen Details
Das Interface für die Batterie machte natürlich einen neuen Rahmen nötig, und bei der Gelegenheit hat Cannondale das Topstone Carbon gründlich überarbeitet. Der Schaltzug wird nun in der Kettenstrebe geführt (nicht aber die Bremsleitung); von den SpeedRelease-Achsen hat Cannondale wieder Abstand genommen und verbaut jetzt konventionelle Steckachsen. Besonders überraschend ist aber, dass sich der Hersteller beim Topstone vom firmeneigenen BB30-Tretlagerstandard verabschiedet und wieder auf ein konventionelles BSA-Gehäuse mit geschraubten Lagerschalen setzt – eine Rückkehr zu simpler, seit Jahrzehnten bewährter Technik, die so manchen Schrauber jubeln lassen wird. Außerdem gibt es subtile Geometrieänderungen: So ist das Steuerrohr bei vier der fünf Rahmengrößen ein bisschen kürzer geworden, wodurch der Lenker etwas tiefer steht. Und nicht zuletzt ist die Reifenfreiheit von 40 auf 45 mm gewachsen.
Handlich, agil und komfortabel
Mit all dem ist das 2022er Topstone quasi ein neues Rad; wenn man dann jedoch in die Pedale tritt, kommt es einem vor wie ein guter Bekannter. Auch wenn es fahrfertig fast zehn Kilo wiegt, lässt es sich leichtfüßig beschleunigen, wobei die tubeless montierten Vittoria Terreno Dry auf Asphalt fast wie schmale Rennreifen rollen. Dabei werden die 38er von den breiten WTB-Felgen auf knapp 42 mm auseinandergezogen. Trotz flachen Lenkwinkels ist das Topstone sehr handlich, dabei ist ein immerhin 100 mm langer Vorbau montiert. Im Auslieferungszustand sitzt ein ordentliches Spacertürmchen unterm Vorbau, was zu einer aufrechten Sitzhaltung führt – wer alle Distanzstücke entfernt und einen 5-mm-Steuersatzdeckel montiert, kann den Lenker um satte 45 mm absenken und die Sitzposition merklich sportlicher abstimmen. Das macht auch im Gelände Sinn, denn auf den staubigen Trails der Testrunde ließ das Cannondale an extremen Steilstücken (wie sie sich mit 31 Zähnen vorne und 34 hinten recht locker fahren lassen) nur die Wahl zwischen durchdrehendem Hinterrad und steigendem Vorderrad. Auch bei geringem Druck gerät der Vittoria in solchen Situationen an seine Grenzen, was man ihm aber nicht zum Vorwurf machen kann. Zumal das Rad als Ganzes auch auf anspruchsvollem Gelände rundum überzeugt, wo der breite Lenker – 45 cm an den Bremsgriffen, 54 cm an den Enden – beim Umzirkeln von Hindernissen auf dem Trail einen großen Hebel bietet.
Und die Hinterbaufederung? Anders als ähnliche Systeme wie etwa IsoSpeed von Trek mit sichtbarem Flex des Sitzrohrs arbeitet sie unsichtbar, vermittelt aber auf jeden Fall viel Komfort am Heck. Auf längeren Touren könnte sich dies durch geringere Ermüdung bemerkbar machen, und auch Radler, die zu Rückenbeschwerden neigen, dürften von dem System profitieren. In jedem Fall ist die KingPin-Federung ohne jegliche Nachteile – es gibt kein nennenswertes Mehrgewicht und keinerlei Auswirkungen aufs Fahrverhalten, sodass man eigentlich nicht lange überlegen muss.
GRX 800 und Tubeless-Radsatz
Bei der Ausstattung geht Cannondale aufs Ganze und montiert eine komplette Shimano GRX 800/810 mit präzisen Gangwechseln und bissigen, bestens modulierbaren Bremsen. Gerade der geschmeidige Wechsel zwischen großem (48 Zähne) und kleinem Kettenblatt (31 Zähne) begeistert. Der 28-Speichen-Radsatz ist nicht zu schwer (fahrfertig 3,68 Kilo) und sehr solide, was all jenen entgegenkommt, die das Topstone beim Bikepacking einsetzen wollen. Mit Gewindeeinsätzen für drei Flaschenhalter, eine Oberrohrtasche, Gepäckhalterungen an der Gabel und sogar Schutzbleche ist das Rad dafür wie geschaffen.
Günstige Alternative ohne Licht
Wer angesichts der rundum begeisternden Performance des Cannondale Topstone die Zeit vergisst, muss sich jedenfalls beim 2 L keine Sorgen machen, wenn es plötzlich dämmert: Die fest montierte Lichtanlage ist zur Stelle und so hell, dass auch bei absoluter Dunkelheit flott gefahren werden kann. Die Fernsicht ist überzeugend, dazu kommt eine helle Nahfeldausleuchtung; und natürlich entspricht die Lichtanlage der StVZO. Auffällig ist die Wärmeentwicklung des Lezyne-Strahlers, dessen Metallgehäuse ziemlich heiß wird. Wer nicht vor jeder Fahrt entscheiden möchte, ob die Akkuleuchten ans Rad kommen oder nicht, dürfte an SmartSense Gefallen finden; andererseits ist man beim Topstone auf die spezifizierten Komponenten festgelegt, ebenso auf den außen montierten Akku. Allerdings bietet Cannondale Alternative ohne SmartSense-Licht an. Dort, wo beim SmartSense-Modell der Akku sitzt, befindet sich eine kleine Schale, an der sich beispielsweise eine Werkzeugtasche befestigen lässt.
Ob mit oder ohne Licht: Das neue Cannondale Topstone Carbon überzeugt mit top Fahreigenschaften, zu denen auch der hohe Komfort seiner Federung gehört – von der Trail-Tour bis zum Bikepacking-Trip ist es damit wie geschaffen und sehr empfehlenswert. Dank deutlicher Preisreduzierungen sind die aktuellen Topstone-Modelle zudem auch preislich sehr attraktiv – die günstigste Variante mit 2×10-Schaltung kostet gerade mal 2.799 Euro.
WEB: cannondale.com