Test Canyon Grizl CF SLX 8 eTap Suspension: Mit RockShox-Federgabel soll das Canyon Grizl noch kompetenter im Gelände werden; Sitzhaltung und Lenkgeometrie sprechen dabei nicht unbedingt für ein reinrassiges Trail-Gravelbike. Doch die Rechnung geht auf, was nicht zuletzt am vergleichsweise geringen Gewicht des Canyon liegt.
Gravelbikes mit Federung sind nach wie vor selten. Das liegt nicht zuletzt daran, dass sich die Radhersteller bislang selbst um geeignete Gabeln kümmern mussten und dabei unterschiedliche Wege gingen. Doch als Teil der Gruppe XPLR hat SRAM nun auch Gravel-spezifische RockShox-Federgabeln im Angebot – die Rudy XPLR und Rudy Ultimate XPLR, die mit 30 oder 40 mm Federweg und unterschiedlichen Einstellungsmöglichkeiten erhältlich sind. Einen auf die Bauhöhe der Forke abgestimmten Rahmen vorausgesetzt, ist es also kein Problem mehr, einen Suspension-Graveller zu konzipieren. Canyon macht es mit dem Grizl vor: Das auf anspruchsvolle Strecken zugeschnittene Bike der Koblenzer ist ebenso mit Carbon-Starrgabel wie mit Federgabel verfügbar; die RockShox führt dabei zu einer minimalen Geometrieänderung, da sie etwas höher baut als die Starrgabel.
Knapper, wirkungsvoller Federweg
Beim Canyon Grizl CF SLX 8 eTap Suspension, dem Topmodell der Serie, verbaut der Hersteller aus Koblenz die RockShox Rudy Ultimate XPLR mit Lockout und einstellbarer Zugstufe. Die Gabel stellt etwa 25 mm Federweg zur Verfügung (Sram gibt 30 mm an), wovon je nach Abstimmung noch ein wenig Negativfederweg abgezogen werden muss. Das klingt bescheiden, doch auf dem Trail ist der Effekt deutlich spürbar. Gerade wenn die Gabel nicht allzu hart abgestimmt ist, schluckt sie Steine und Wurzeln und glättet zusammen mit den 45 mm breiten Reifen den Untergrund. Allzu gering darf der Luftdruck in der Gabel aber auch nicht sein, denn sonst wird sie stark komprimiert, sobald man leicht aus dem Sattel geht.
Im Wiegetritt federt die RockShox merklich ein, was jedoch nur beim Sprinten störend wirkt – allzu oft muss man den Blockierhebel also nicht betätigen. In Sachen Lenkpräzision und Bremsverhalten ist die Gabel unproblematisch; hier sind keine Unterschiede zum starren Gravelbike bemerkbar. Die RockShox-Forke lässt eine merklich aggressivere Fahrweise zu, wobei man das Gravelbike natürlich nicht mit einem langhubigen MTB verwechseln darf. Ein aktive Fahrweise ist nach wie vor nötig, was mit dem auffällig gefärbten Rad aber nicht schwerfällt. Die knapp 800 Gramm Mehrgewicht im Vergleich zum starren Canyon Grizl machen das Rad nicht merklich kopflastig.
Immer noch kein Mountainbike
Auf halbem Weg zum Mountainbike-Hardtail ist das Grizl auch mit Federgabel ohnehin nicht. Der über 72° steile Lenkwinkel sorgt für große Handlichkeit, mit der das Canyon im Gelände extrem wendig ist. Der Lenker ist oben 42 cm, an den Enden 46 cm breit, womit er einen ausreichend großen Hebel zur Verfügung stellt, mit dem man das Rad leicht auf Kurs halten kann.
Trotz der Federgabel wiegt der sportliche Graveller fahrfertig deutlich unter zehn Kilo, was zum agilen Charakter beiträgt. Beim Testrad in Größe L liegt der Stack bei 605 mm, was zuzüglich der Spacer unterm Vorbau zu einer eher aufrechten Oberkörperhaltung führt. In Größe M dagegen beträgt der Stack sportliche 579 mm und der Reach ist nur 7 mm kürzer (402 zu 409 mm), was sich leicht durch den Vorbau ausgleichen ließe. Hier hat man also die Wahl zwischen unterschiedlichen Sitzhaltungen.
Die mit 435 mm eher langen Kettenstreben sind dem Umstand geschuldet, dass 50 mm breite Reifen ins Grizl passen – auch für ein Gravelbike ziemlich viel. Grip und Komfort lassen sich im Vergleich zum Test-Setup also noch einmal steigern, wobei letzterer angesichts der bekannten VCLS-Stütze von Canyon ohnehin sehr hoch ist. Diese wirkt stark vibrations- bis stoßdämpfend, ohne zu stark zu flexen; die Sattelneigung wird eingestellt, indem man die beiden Hälften der Stütze gegeneinander verschiebt, wozu diese ausgebaut werden muss.
Hochwertige Komplettierung
Canyon verbaut am Top-Grizl die bewährte SRAM Force AXS mit 40er Kettenblatt und 10-44er Zwölffach-Kranz, womit das Rad für Abfahrten wie für Anstiege recht große Reserven besitzt. Trotz Tubeless-Aufbau nicht allzu leicht ist der Reynolds-Radsatz, was nicht zuletzt an den breiten Schwalbe G-One Bite liegt – ein stabiler Reifen, der trotz seiner Bissigkeit leicht abrollt. Schutzbleche, zwei Flaschenhalter (liegen samt Flaschen bei) und eine Oberrohrtasche lassen sich am Grizl anbringen; am Rad mit Starrgabel kann man zusätzlich Gabelhalterungen montieren.
Trail-Gravelbike mit Federgabel
In der vorliegenden Form ist das Grizl in erster Linie Sportgerät für anspruchsvolle Trailfahrer, für welche die Federgabel Sinn macht. Nur des Komforts wegen sollte man sie nicht wählen – den kann man auch mit 50 mm breiten Reifen weiter verbessern. Canyon bietet das Grizl in diversen Varianten mit und ohne RockShox an, wobei das Einstiegsmodell mit Federgabel, 2×11 GRX und Alu-Rahmen schon für 1.999 Euro zu haben ist – nur 200 Euro mehr als das identisch ausgestattete Modell mit Carbon-Starrgabel. Das günstigste Carbon-Modell mit Starrgabel kostet ebenfalls 1.999 Euro (mit Shimano GRX 2×10). Viel Auswahl also, wie man es von den Koblenzern gewohnt ist.
WEB: canyon.com