ZIV Marktdaten: Wie jedes Frühjahr hat der Zweirad-Industrie-Verband e. V. (ZIV) im Rahmen seiner Wirtschaftspressekonferenz am 13. März 2024 die Daten des vorherigen Geschäftsjahres präsentiert. Und dabei zeigt sich: Der Zweiradbranche geht es – Stand 2023 – ausgesprochen gut, wenn auch die aktuelle Situation weniger rosig erscheint als in den letzten von Corona-geprägten Jahren.
Was hat sich 2023 im Fahrradhandel getan? Die schlechte Nachricht zuerst: Im Vergleich zu 2022 musste die Branche ausnahmsweise mal einen Umsatzrückgang in Kauf nehmen, wenn auch nur einen kleinen – von 7,36 Milliarden Euro auf 7,06 Milliarden. Deutlicher zurückgegangen ist die Gesamtzahl der verkauften Fahrräder und E-Bikes, die im letzten Jahr bei ziemlich genau 4 Millionen lag. Ein Jahr zuvor waren es noch 600.000 Bikes mehr. Schon an diesen Zahlen lässt sich ablesen, wie sich der Markt verändert: Ein deutlicher Rückgang der Stückzahlen wird von den immer weiter steigenden Stückpreisen für Fahrräder und E-Bikes kompensiert. Dafür sind auch Produktsegmente verantwortlich, die vor ein paar Jahren praktisch noch keine Rolle spielten, etwa die E-Cargobikes: Nahezu 190.000 Stück davon wurden 2023 verkauft, was rund 9 % aller E-Bikes entspricht. Und natürlich verkauft der Fahrradhandel nicht nur Fahrräder und E-Bikes: Der ZIV weist auf den zunehmenden Umsatz mit Zubehör aller Art hin, dazu kommen teure Artikel wie Kinderanhänger, von denen 2023 immer noch gut 200.000 Stück abgesetzt wurden. Das sind allerdings knapp 90.000 weniger als 2022 – das Cargobike lässt grüßen.
ZIV Marktdaten: Etwas weniger Umsatz und erstmals mehr E-Bikes als Fahrräder
Zurück zum Gesamtabsatz an E-Bikes und Fahrrädern: Zum allerersten Mal konnten Modelle mit Motor die „Bio-Bikes“ überflügeln. 2023 gingen 2,1 Millionen E-Bikes über den Ladentisch, aber nur 1,9 Millionen Fahrräder. Damit sind wir nun an einem „Kipppunkt“ angelangt, den E-Bike-Lobbyisten bereits vor rund 15 Jahren prophezeiten: dass sich das Pedelec irgendwann einmal anschicken würde, das unmotorisierte Fahrrad zur Randerscheinung zu machen.
Noch ist es freilich nicht soweit, was nicht zuletzt am Trend zum Zweit- oder Drittrad liegt, den der ZIV ausgemacht hat. Neben dem Elektrorad für die täglichen Alltagswege sieht der Industrieverband hier ein steigendes Interesse an Fahrrädern für Sport und Freizeit. Ein Beispiel hierfür sind Gravelbikes, deren Anteil an allen unmotorisierten Fahrrädern zusammen mit Rennrädern und Fitnessbikes mittlerweile bei 9 % nach Stückzahlen liegt.
Gravelbikes liegen im Trend, Bio-MTBs erholen sich leicht
Leicht zulegt haben auch die Mountainbikes ohne Motor, nämlich um 1 % auf nun 5 %. Zahlen, hinter denen sich seismische Verschiebungen einer ganzen Sportart verbergen: Das E-MTB nimmt nämlich inzwischen mit 39 % aller Verkäufe einen absoluten Spitzenplatz bei den E-Bikes ein. Nach wie vor eine absolute Randerscheinung sind hingegen die S-Pedelecs bis 45 km/h, die nur 0,5 % aller verkauften E-Bikes ausmachen – kein Wunder angesichts ihrer ungünstigen Nutzungsbedingungen.
ZIV Marktdaten: Der Fachhandels-Anteil steigt
„Wir freuen uns sehr, dass Fahrräder und E-Bikes weiterhin von den Verbraucher:innen für die tägliche Mobilität und in der Freizeit hoch im Kurs stehen“, so ZIV-Geschäftsführer Burkhard Stork. Und in der Tat: Trotz negativen Konsumklimas steht die Branche aktuell gut da, was nicht zuletzt neuen Vertriebswegen zu verdanken ist. Jedes vierte Fahrrad, genauer gesagt jedes zweite E-Bike, wird nämlich mittlerweile auf dem Weg des Leasings erworben. Der meist auf drei Jahre angelegte Mietkauf, der mit zusätzlichen Serviceleistungen wie einem Wartungsvertrag und insgesamt geringeren Kosten als beim konventionellen Kauf einhergeht, hat den E-Bike-Absätzen in den letzten Jahren einen gewaltigen Schub verpasst. Inwieweit Hunderttausende von Leasing-Rückläufern, die teils über die eigenen Plattformen der Leasingfirmen angeboten werden, die Neuverkäufe im Fachhandel schmälern werden, wird sich in den nächsten paar Jahren zeigen.
Dass der Fachhandelsanteil aller Neurad-Verkäufe noch einmal leicht auf nunmehr 77 % gestiegen ist, ist ebenfalls ein gutes Omen für die Branche und zeigt die wachsende Bedeutung von Beratung und Service. Interessant ist, dass Fahrräder etwas günstiger geworden sind – im Schnitt kostet eins 470 Euro (2022: 500 Euro) –, während E-Bikes weiter im Preis gestiegen sind, nämlich von 2.800 Euro 2022 auf nun mehr 2.950 Euro. Der ZIV führt letzteres auf den „zunehmenden Anteil von naturgemäß deutlich höherpreisigen Lastenrädern“ zurück.
Insgesamt gibt es laut ZIV mittlerweile 84 Millionen Fahrräder in Deutschland – mehr, als es Kraftfahrzeuge gibt (59 Mio.) und ziemlich genau eines pro Einwohner/in. Von einer Marktsättigung ist man nach Einschätzung des Branchenverbandes aber immer noch weit entfernt; Handel und Hersteller können also einer sicheren Zukunft entgegensehen. Klar ist auch: Die Umsatzrekorde des Boom- und Seuchenjahres 2020 werden sich wohl nicht mehr wiederholen – damals machte der Handel einen Umsatzsprung von 60 % im Vergleich zum Vorjahr und setzte über 5 Millionen Fahrräder und E-Bikes ab. Wieder in ein ruhigeres Fahrwasser zu gelangen, wird der Branche aber sicher nicht schaden.
Detaillierte Informationen zu den ZIV-Marktdaten unter www.ziv-zweirad.de