SRAM hat auch die Nummer vier im Dropbar-Programm „elektrifiziert“ und sie dabei in eine reine Gravel-Gruppe verwandelt. In der Eagle-Version mit großer Kassette regt sie gerade Mountainbiker dazu an, sich mal am Gravelbike zu versuchen. Und das ist mein Stichwort – Vorhang auf für einen Marin-Offroader mit den sehr überzeugenden neuen Teilen.
Elektronisch schalten war vor ein paar Jahren noch Luxus für betuchte Rennradfahrer – doch das hat sich inzwischen geändert. Klar, wer auf italienisches Material steht, muss immer noch richtig investieren. Doch Shimano bietet inzwischen sogar eine 105 in der 2x12er Di2-Version an, und bei SRAM wurde im letzten Jahr sogar die unterste Gruppe im Dropbar-Segment elektrifiziert, die Apex. Und die ist als elektronische Komplettgruppe online schon für unter 900 Euro erhältlich; über eine mechanische Gruppe nachzudenken lohnt sich also kaum noch.
Aber Moment – diese Kombo ist natürlich keine Rennrad-Gruppe mehr. Mit der Umstellung auf Zwölffach hat SRAM nämlich das Doppelkettenblatt gestrichen und die Apex in eine reine Gravel-Gruppe verwandelt. Für mich als One-by-Fan ist das jedoch perfekt. Vom Mountainbike kommend, brauche ich keine feinen Gangsprünge wie ein „Roadie“, dafür kommt mir die breite Abstufung mit 11-50er Kassette entgegen, die sich bei SRAM „Eagle“ nennt. Und auch sonst soll mein Aufbau auf Basis eines Marin-Stahlrahmens etwas vom Gravel-Standard abweichen: Auf den Crank-Brothers-Radsatz kommen unter 350 Gramm leichte, superschnell rollende Schwalbe Furious Fred in 29 x 2.0 Zoll; auch auf ein bisschen Komfort will ich nicht verzichten, weshalb ein FlexStem-Vorbau mit Elastomerdämpfer von Vecnum am Rad ist.
SRAM Apex AXS: Kompatibel mit MTB-Bremssattel
Erstmal gibt es aber einen kleinen Schreckmoment: Stimmt ja, der Marin hat hinten noch eine PostMount-Aufnahme… Der Apex-Bremssattel passt nicht, aber SRAM bietet die MTB-Bremse Level an, und die ist mit dem Apex-Hebel kompatibel. Hier sind wir schon mittendrin in den Vorzügen des US-Herstellers, bei dem nicht nur sämtliche Dropbar-Komponenten miteinander harmonieren – auch der Griff ins MTB-Regal führt nicht zu Problemen.
Die Montage aller Bauteile ist einfach. Hebel und Schaltwerk müssen kürz „gepairt“ werden, dann ist die Schaltung ohne weitere Feineinstellungen einsatzbereit. Die Bremsleitungen anzuschließen funktioniert dank des SRAM-eigenen Systems (Schneidring mit Gewinde und Stützhülse mit Gewinde und Torx-Aufnahme) vergleichsweise einfach.
Großer Übersetzungsumfang und viele Kettenblatt-Varianten
Und so kann ich mit meinem Stahl-Gravelbike bald ins Gelände gehen. Hier stelle ich erstmal erfreut fest: Die Kombination aus 11-50er Eagle-Kassette und 42er Kettenblatt funktioniert super. Für alles, was ich mit diesem Rad fahren will, ist die Untersetzung völlig ausreichend, und mit dem großen Abrollumfang meiner Zwei-Zoll-Reifen ist auch der Schnellgang lang genug. SRAM bietet das Direct-Mount-Kettenblatt von 38 bis 46 Zähne an, sodass man viel Spielraum hat. Die Schaltvorgänge funktionieren perfekt; typisch AXS sind Präzision und Geschwindigkeit. Im Vergleich zu höher angesiedelten AXS-Gruppen kann ich bei Schaltwerk und Hebel keine Schwächen feststellen. Klar, beim Gewicht muss man Kompromisse machen, und auch die Haltbarkeit der Top-Schaltwerke dürfte aufgrund hochwertigerer Materialien etwas besser sein. Aber so war es ja schon immer.
Der komplette Kurbelsatz wiegt übrigens 717 Gramm, die Kassette 617 Gramm. Bei beiden Komponenten kann man jeweils gut 150 Gramm einsparen, muss dafür allerdings Hunderte von Euro investieren. Daran sieht man auch, wie gut das Preis-Leistungs-Verhältnis der SRAM Apex AXS ist.
Einen großen Sprung hat SRAM mit der neuen Apex-Bremsanlage gemacht: Im Vergleich zur Apex 1×11 kommen mir Dosierbarkeit und Bremswirkung besser vor, auch wenn dies natürlich immer noch keine 200-mm-MTB-Bremse ist. Die Bremsscheiben sind optisch gut gelungen; das eher runde, gleichmäßige Design der Rotor-Außenseite sollte gerade bei Rennradfahrern gut ankommen. In diesen Kreisen wurde immer wieder über ein vermeintliches Verletzungspotential durch Bremsscheiben gesprochen – Stichwort „Kreissäge“ …
Einziger Kritikpunkt: die Griffgummis
Am Ende gibt es nur einen einzigen Kritikpunkt an der neuen elektronischen Gruppe: Die Griffgummis der AXS-Hebel schließen nicht glatt mit dem Lenkerband ab, stattdessen bleibt immer ein Spalt, der sich auch mit unterschiedlichen Bändern bzw. durch die Positionierung des Hebels nicht loswerden lässt. Das ist deshalb seltsam, weil die SRAM Rival AXS mit identischem Hebel dieses Problem nicht aufweist. Irgendwo muss also ein Unterschied liegen, den mir bisher aber niemand erklären konnte. Hier sollte SRAM wirklich nachbessern.
Nach über 1.000 Kilometern ist mir die SRAM Apex AXS jedenfalls wirklich ans Herz gewachsen. Für den Aufbau eines offroad-tauglichen Gravelbikes ist sie perfekt, und so ein Rad muss dann nicht einmal sehr teuer sein – die Kompatibilität mit PostMount-Bremssätteln erlaubt es auch, einen älteren Rahmen herzunehmen, oder vielleicht sogar aus einem MTB ein Gravelbike aufzubauen. Mit dem Geld, das man gegenüber einer teureren Gruppe gespart hat, kann man dann viele schöne Sachen machen – vielleicht einen zweiten Laufradsatz mit enger abgestufter Kassette anschaffen, falls man mal in den Roadie-Modus wechseln will.