Bike Build Story: Der letzte Teil unserer Aufbaustory zu unserem Enduro. Das Herzstück unseres Aufbaus ist der Orange Stage 6 Aluminiumrahmen. Warum dieses Bike? In Zeiten von Brexit und durch Skandale verunsicherten Verbrauchern habe ich mir überlegt: Wir bauen ein Bike aus „regionalen Produkten“: In unserem Fall heißt das, wir haben versucht, stets im europäischen Umfeld fündig zu werden. Das hat nicht immer geklappt, bzw. haben wir auch dann zu nicht europäischen Teilen gegriffen, wenn diese nur als Customteil erhältlich sind oder die Verfügbarkeit einfach nicht gegeben war. Die Story soll ja explizit zum Selbstaufbau motivieren.
Orange Stage 6 Aufbau, Licht und Schatten
Bei jedem Bike, das man selber aufbaut, wird der Verbleib von Komponenten am Chassis letztlich im „Trial and Error“ Verfahren entschieden. Man verlässt sich auf Erfahrung und Intuition um den richtigen Komponentenmix zu finden. Dass ein Teil an einem Rad funktioniert, bedeutet aber ja nicht automatisch, dass es auch perfekt zu einem anderen passt. Deshalb, und weil wir einfach einiges ausprobieren wollten, sind viele Teile nach und nach ausgetauscht worden. Das ist aber nicht unbedingt ein Kritikpunkt: Das Stage 6 wurde von einigen Testern bewegt, sowohl schwere und grobmotorische Biker als auch ziemlich flotte Könner waren damit auf Trails und in Bikeparks unterwegs. Auch haben wir uns ja selbst in der Auswahl ein wenig dadurch eingeschränkt, dass wir „Made in Europe“ verbauen wollten.
Die Tune Endurorider Laufräder haben durchgehalten. Klar laufen sich Lager irgendwann ein, und die Speichenspannung lässt im Laufe der Zeit ein wenig nach. Aber alles im grünen Bereich. Einzig die immer häufiger auftretenden Geräusche aus der Nabe im Hinterrad vielen hier wirklich negativ auf. Mit einer Teilzerlegung, Reinigung und Schmierung konnte das behoben werden. Die leichten Tune Endurorider mussten inzwischen den Crank Brothers Synthesis Laufrädern weichen. Wieso? Weil die einfach gut in unser Testbike passten. Ob ich aber die Tune Laufräder empfehlen würde? Insgesamt: ja. Sie sind leicht, bezahlbar, Made in Germany, sehen gut aus… Auch Robustheit und Funktion stellen mich zufrieden.
Etwas anders verhielt es sich mit der zweiten Komponente aus dem Hause Tune: Mit der Smart Foot Kurbel war ich nicht zufrieden. Steifigkeit zählte beispielsweise nicht unbedingt zu ihren Stärken und auch die Passungen zwischen den einzelnen Teilen wirkte nicht immer genau. Die Kurbel wurde von Tune inzwischen auch aus dem Programm genommen. Details könnt ihr hier nachlesen:
Aufbaustory Orange Stage 6: Die Kurbel, Tune Smart Foot, Made in Germany
Schließlich kam eine White Industries M 30 samt Innenlager und 28 Zähne Blatt ans Rad. Auch andere Antriebsteile mussten Federn lassen. Die Box Schaltung wusste mit dem Schalthebel zu gefallen, aber 2 Schaltwerke gaben innerhalb kurzer Zeit den Geist auf. Also habe ich zunächst ein Shimano XT Schaltwerk montiert, welches kompatibel sein sollte. Das hat soweit auch recht vernünftig funktioniert. Nur dämpft das Shimano Schaltwerk das Kettenschlagen einfach weniger stark als ich es gerne hätte, und das fiel auch anderen Testern auf. Eine Beruhigung der Situation brachte letztlich der Umbau auf Sram GX 11fach Schalthebel und Schaltwerk. Für mehr Übersetzungsbandbreite wechselte ich auf eine e*thirteen Kassette mit 9-44 Zähnen. So blieb es nur bei der Kette bei der ursprünglichen Wahl, was den Antrieb betrifft.
Am Cockpit haben sich die Komponenten bewährt. Der Lenker wich einem breiteren von Enve, der in der Redaktion lag – Recycling, wenn man so will. Das Plus an Breite vertrug das Orange gut. In Größe L ist ja schon eine ordentliche ausladende Fuhre, die gesteuert werden will. Der Vorbau wurde durch einen Forestal ersetzt, einfach weil der es auch verdient hat gezeigt zu werden und die kleine Firma aus Spanien gut ins Konzept passt.
Im Sitzbereich gab es nichts zu Meckern, da musste nichts optimiert werden. Inzwischen verrichtet testweise eine e*thirteen Stütze hier ihren Dienst, Sattel und Klemme sind geblieben. Die Stütze darf nach zahlreichen Betriebsstunden nun einen Service bekommen und ganz ehrlich: Den braucht sie auch, denn das Seitliche Spiel wächst inzwischen rasant. Da es ein älteres Modell war, haben wir zu Beginn des Tests die Federn im Inneren gegen stärkere ausgetauscht. So erreicht die Stütze immer zuverlässig ihre volle Länge bei Betätigung des Hebels, was zuvor nicht uneingeschränkt der Fall war.
Die Bremsanlage überzeugt nach wie vor, jeder kann sich mit der MT5 von Magura anfreunden. Gut dosierbar, sehr viel Power und wie mir scheint weniger häufig Schleifgeräusche als bei der eigentlich edleren Schwester MT7.
Das Fahrwerk des Stage 6
Auch am Fahrwerk haben wir gebastelt. Die Formula Selva wird immer wieder mal zum Opfer meines Schrauber-Triebs. Es ist aber auch einfach herrlich, so einfach verschiedene Druckstufenabstimmungen bzw. die entsprechenden Shimstacks austauschen zu können. Dazu ist auch noch die Luftkammer im Volumen via Öl und auch Elastomer-Volumenspacern, sogenannten Neopos, veränderbar. Die Selva lässt sich auf fast jeden Fahrer und fast jede Vorliebe ziemlich perfekt abstimmen. Zwischenzeitlich federt eine Marzocchi Z1 an der Front und auch die verrichtet ihren Dienst äußerst souverän.
Mit dem Rock Shox Monarch hat uns der Hinterbau des Orange Stage 6 schon recht gut gefallen. Er spricht gut an, der Federweg wird genutzt ohne dabei durchzurauschen, und das Ansprechverhalten ist sehr gut, das Heck stets sensibel. Wir haben aber auch zwei weitere Dämpfer im Hinterbau getestet: den DT Swiss R414 und den Fox DPX2. Der DPX2 durfte dann auch bleiben. Gerade in Kompressionen und Anliegern bot er mehr Gegenhalt und auch beim Pedalieren beruhigte er das Heck souverän. Ich hätte mich nie über den Hinterbau im ursprünglichen Setup beschwert, aber zurück zum Monarch wollte ich dann doch nicht mehr, der Fox kann es etwas besser.
Das ausgiebige Tüfteln an den Federelementen hat sich jedenfalls ausgezahlt. Diverse Tester, allesamt sehr gute Fahrer, die auch im Renneinsatz vorne dabei sind, waren sehr positiv von den Fahrleistungen angetan. Ein Bremsstempeln ist spürbar, aber wider Erwarten nicht wirklich stärker als bei den meisten anderen Rädern, trotz einfacher Hinterbaukonstruktion. Ein leichtes Wippen, im Wiegetritt oder bei sehr unrundem Pedalieren schon spürbar, kann per Low-Speed Druckstufe schnell eliminiert werden.
Die Geometrie des Orange Stage 6
Das Rad hat genug „Popp“ um sich willig zu einer Flugeinlage bewegen zu lassen. Gleichzeitig liegt es aber stabil auf der Strecke. Die Laufruhe kommt neben dem Fahrwerk sicher auch durch die Hinterbaulänge, die mit 450 Millimetern nicht zu den kompakten Vertretern gehört und auch durch die lange Front. Ein 64oer Oberrohr, 462mm Reach und der Lenkwinkel von 65,5 Grad ergeben mit dem langen Heck einen Radstand von 1245mm. Damit überragt es z.B. ein Santa Cruz Hightower LT deutlich. Die Geometrie ist aber nicht so extrem wie beispielsweise bei Nicolai oder Pole.
Mit der Geometrie gehört das Bike zu den modernen Enduros, ohne wilde Experimente zu wagen. So fühlt es sich dann auch auf dem Trail an. Es liegt ruhig, braucht in einigen Situationen etwas Nachdruck, besonders wenn es sehr eng wird. Allerdings ist es deutlich leichter zu handeln als es der optische Eindruck erwarten lässt. Das liegt mitunter auch am überraschend geringen Gewicht. Je nach Aufbau waren wir zwischen 12,4 und knapp 14 Kilo. Damit spielt es in der Liga der Carbon-Bikes mit, was den sportlichen Preis für den Alurahmen etwas relativiert. Das Rad fühlt sich steif genug an, ohne dabei jedoch ständig Schläge auszuteilen, wie wir es schon teilweise erlebt haben. Im Vergleich zu anderen, älteren, Orange Bikes mit einer massiven Strebe auf jeder Seite des Hinterbaus, ist die neuere Konstruktion mit zwei Streben pro Seite steifer. Wahrscheinlich liegt dies auch am geänderten Drehpunkt mit erhöhter Lagerstütztbreite. Der Reifen schleift in Kurven nicht am Hinterbau, wenn man es richtig krachen lässt; das war bei älteren Orange Bikes schon ab und zu der Fall.
In engeren Kurven kamen wir besser zurecht als es das Datenblatt hätte vermuten lassen. Das Rad gehört sicher zur Kategorie laufruhig, ohne „stur“ geradeaus zu wollen. Geringes Gewicht, gute Lastverteilung und der aktive Hinterbau laden Könner zum Spielen ein. Es lässt sich auch bergauf ordentlich bewegen. Dazu helfen überschaubares Gewicht, ein moderner Sitzwinkel und der längere Hinterbau. Unter Kettenzug und bei rundem Tritt macht auch das Heck einen guten Job. Wir mögen das Rad deshalb auch im Allmountain Einsatz.
Fahrstabil und trotzdem irgendwie leichtfüßig ist es. Kritik habe ich aber trotzdem: Ein Flaschenhalter ist bei dem Stage nicht unterzubringen. Ich fahre mit Trinkrucksack, da ist mir das egal, aber für Viele ist das ein NoGo! Was ebenfalls nicht sein muss: Für die Dämpfermontage werden sehr einfache 0815 Schrauben verwendet. Ich bin mir sicher, die Jungs in Halifax haben jede Biegung im Blech des aufwendigen Rahmens bei Ale oder Cider durchdiskutiert – warum also hier nicht auch ein wenig Liebe zum Detail? Verdient hätte es das Bike allemal!
Fazit
Alles in allem ein schnelles, potentes Rad. Es macht ordentlich Strecke und klettert vernünftig. Seine Stärken liegen aber klar in der Abfahrt. Es mag lieber schnelle Tracks als technische Stolperstücke. Die Fertigungstiefe, die Produktion in England, die freie Farbwahl, das sind Besonderheiten, die mich begeistern. Am wichtigsten ist aber ohnehin, wie sich das Bike auf dem Trail anfühlt – und hier zauberte uns das Orange Stage 6 viele Male ein breites Grinsen ins Gesicht.