Radsport: Die Strecken des Giro d’Italia und der Tour de France wurden präsentiert. Erste Fahrer haben ihre Teilnahme zugesichert. So entschied sich Peter Sagan dafür, beide Rundfahrten zu bestreiten. Da stellen sich die Fans von Bora – hansgrohe zurecht die Frage: Was geschieht dann mit Pascal Ackermann?
Zu gut besetzt: Luxusprobleme im Radsport
Thomas Müller oder Philippe Coutinho? Im zentral-offensiven Mittelfeld ist beim FC Bayern München nur Platz für einen Spieler. Da Coutinho meist den Vorzug erhält, liebäugelt Müller mit einem Wechsel. Derartige Luxusprobleme gibt es auch bei gut besetzten Teams im Radsport. Das beste Beispiel dafür liefert uns Sky bzw. Ineos seit Jahren. In der kommenden Saison wird es aber so extrem wie noch nie. Mit Chris Froome, Geraint Thomas, Egan Bernal und Richard Carapaz hat die britische Mannschaft gleich vier Grand-Tour-Sieger in den eigenen Reihen. Jeder will die Tour fahren und alle wollen sie Kapitän sein. Oft lösen Top-Teams ein solches Luxusproblem, dass sie mit einer Zweier- oder gar Dreierspitze antreten. Was sich in den Bergen durch die Kräfteverhältnisse viel leichter regeln lässt, wird im Sprint aber zu einer fast unmöglichen Aufgabe. Genau diese wird der deutsche Rennstall Bora – hansgrohe 2020 lösen müssen.
Sagan wird für Ackermann zum Problem
Peter Sagan, Pascal Ackermann & Sam Bennett: Schon 2019 hatte Bora – hansgrohe mit einer Überbesetzung für Massensprints zu kämpfen. Das Ergebnis: Sam Bennett ist unzufrieden und will das Team verlassen. Der Ire gewann 2018 drei Etappen beim Giro d’Italia und sieben Rennen insgesamt. Dennoch wurde er in diesem Jahr weder für den Giro, noch für die Tour nominiert. Lediglich bei der Vuelta a Espana durfte er am Start stehen, weil dort seine Kontrahenten gar nicht mitfahren wollten. Am Saisonende darf sich Sam Bennett über satte 13 Saisonsiege freuen – ebenso viele wie Pascal Ackermann und gar acht mehr als Peter Sagan. Die Zeichen stehen auf Abschied. Doch damit ist das Luxusproblem bei Bora – hansgrohe nicht gelöst. Denn: Ackermann und Sagan sind beide einfach zu stark. Eine Tour de France ohne den Dreifach-Weltmeister und Rekordsieger des Grünen Trikots ist undenkbar. Doch als deutscher Fahrer in einem deutschen Team hat natürlich auch Pascal Ackermann den Anspruch, endlich die Tour de France zu bestreiten. Gefahren ist er diese nämlich noch nie.
Guess who’ll be riding the @giroditalia next year?
For the first time in his career, @petosagan will be participating in the Corsa Rosa in 2020!
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— BORA – hansgrohe (@BORAhansgrohe) October 24, 2019
Doppelspitze oder Aufgabenteilung?
Noch hat sich Bora – hansgrohe nicht dazu geäußert, welche Rennen Pascal Ackermann 2020 bestreiten wird. Klar ist jedoch: Peter Sagan wird sowohl beim Giro d’Italia, als auch bei der Tour de France am Start stehen. Will man einer Nominierung beider Profis aus dem Weg gehen, bliebe für Pascal Ackermann als Grand Tour nur die Vuelta a Espana. Doch genau diese liegt den klassischen Sprintern traditionell eher weniger. Wahrscheinlicher ist also auch eine Doppelnominierung. Doch wie würde sich diese auf die Renntaktik von Bora – hansgrohe auswirken? Eine Doppelspitze in einem Massensprint ist undenkbar, eine Aufgabenteilung könnte die anvisierten Ziele in Gefahr bringen. Oder gewinnt Peter Sagan auch das Grüne Trikot bei der Tour, wenn die Massensprints für Pascal Ackermann angefahren werden? Wohl eher nicht, denn die höchsten Punktezahlen werden genau dort vergeben.
Auch Buchmann wird auf eine Leaderrolle bestehen
Ebenfalls nicht außer Acht lassen dürfen wir bei dieser Sprinter-Diskussion im Team Bora – hansgrohe den Klassementfahrer Emanuel Buchmann. Er will bei der Tour de France aufs Podium fahren und benötigt dafür tatkräftige Unterstützung. Die Erfahrung zeigt, dass sich eine Mannschaft ohne Sprinter deutlich besser auf ihren Klassementfahrer fokussieren kann. Im Team Sky bzw. Ineos sind daran in den vergangenen Jahren unter anderem Mark Cavendish und Elia Viviani gescheitert. Bei einer Nominierung von Sagan, Ackermann und Buchmann gehen Bora – hansgrohe schlichtweg die Plätze aus. Während sich Peter Sagan durchaus als Einzelkämpfer durchschlagen könnte, braucht Pascal Ackermann mit Rüdiger Selig, Andreas Schillinger und Michael Schwarzmann mindestens drei Helfer an seiner Seite. Damit wären für starke Bergfahrer nur noch zwei Plätze frei – deutlich zu wenig, um mit der Konkurrenz im Gebirge mitzuhalten.
Ralph Denk, Teamchef von Bora – hansgrohe:
„Pascal hat bis 2021 Vertrag. Er wird sicher für mein Team sein Tour-Debüt geben. Wann, müssen wir noch ausmachen.“