Lifestyle: Marco Pantani ist in seiner Heimat noch immer unvergessen. Bedenkt man die Bedeutung, die der kleine Italiener zu Lebzeiten erfuhr, ist dies nachvollziehbar. Im zehnten Todesjahr von Il Pirata bekam ich die Möglichkeit, seine Trainingsstrecken unter unsere Räder zu nehmen.
Die Anreise verlief problemlos und endete in einem Strandhotel in Cattolica, einem kleinen Ferienort unweit von Rimini, in dem der Radsport mit immer größeren Buchstaben geschrieben wird. Gemeinsam mit Luis Ortega, einem spanischen Kollegen, werde ich von Andrea Manusia in Empfang genommen. Er wird uns in den kommenden Tagen durch die Heimat von Pantani begleiten. Ebenfalls mit an Bord sind Filippo Magnani, der Präsident des örtlichen Radhotel-Verbandes, sowie Micol Mancini.
Insgesamt erwarten uns drei Tage und knapp 400 Kilometer in der Emilia Romagna. Den Auftakt machen wir mit unserer Fahrt in Richtung Cippo di Carpegna, dem Hausberg von Pantani. Mit dem Spruch „Il Carpegna mi basta!“ hat er den Anstieg, an dem Eddy Merckx 1973 beim Giro jubelte, über die Grenzen der Region hinaus bekannt gemacht.
Von Cattolica aus machen wir uns zu fünft auf den Weg. Über Croce fahren wir weiter in Richtung San Marino, von wo aus Andrea für unsere Route einen Bogen vorgesehen hat, der uns bis Carpegna bringt. Gegenüber einer kleinen Tankstelle spuckt uns ein Hinweisschild unvermittelt in den Anstieg – 11 Prozent im Schnitt auf sieben Kilometern, mit Spitzen bis zu 25 Prozent.
Luis freut sich. Klar, mit seinen 58 Kilogramm Kampfgewicht ist der anstieg für ihn wesentlich einfacher als für mich. Dennoch nehmen wir den Anstieg gemeinsam in Angriff. Doch schon nach den ersten paar Kehren sehe ich ihn im Wald entwischen. Ich sehe ihn erst wieder am Pantani-Denkmal auf der Passhöhe.
Doch bevor ich dieses erreiche erwarten mich in den nächsten 40 Minuten 22 Kurven und zahllose Aufschriften auf der Straße, bevor neben dem Denkmal des Pinken Piraten ein grandioser Ausblick der Lohn aller Mühen ist. In den vergangenen Jahren bezwang der Girotross zu Ehren Pantanis zweimal den mörderisch steilen Anstieg, zuletzt dieses Jahr im Mai – Fahrer wie Wilco Kelderman benötigten seinerzeit 21 Minuten.
Pantani hat den Anstieg seinerzeit während eines Trainings mehrfach in Angriff genommen, zwischen den einzelnen Fahrten seine Flasche an einem Wasserspender in Nähe eines Spielplatzes aufgefüllt und in der kleinen Kneipe am Ende der technisch anspruchsvollen Abfahrt vielleicht auch einen Kaffee zu sich genommen. Wir nehmen auch einen Kaffee, bevor wir uns auf den Rückweg begeben. Mit 2000 Höhenmetern nach knapp 70 gefahrenen Kilometern ist die Freude auf die vor uns liegende Abfahrt entsprechend groß. Und sie wird bei der verdienten Verschnaufpause am Ende der Ausfahrt nicht kleiner.
Im Weingut Fiametta, einem Familienbetrieb, der sich auf organische Weine spezialisiert hat, werden wir bereits erwartet. Die Verkostung ist der verdiente Lohn für den ersten Tag, auf den eine Ausfahrt in die Heimat des Piraten folgt.
In Cesenatico steht neben dem obligatorischen Besuch im Pantani-Museum auch eine Fahrt durch den Hafen an. Der wirkliche Höhepunkt des zweiten Tages ist jedoch die Fahrt nach Sogliano, einem malerischen Ort, in dem man sich auf die Herstellung von Grubenkäse spezialisiert hat. Kurze Anstiege, langezogene Abfahrten kein Verkehr und am Ende das kleine Pordoi. So muss Radfahren aussehen.
Auch der dritte Tag hat es in sich. Wir fahren die sogenannte Panoramica, einen Hügelweg in der Nähe von Cattolica. Im kommenden Jahr wird dieser von den Profis auf dem Weg nach Forli befahren. Von dort aus fahren wir nach Gradara, der Stadt, deren Burg Dante einst ein literarisches Denkmal gesetzt hat und deren Hof ein malerisches Finish für unsere Tour bietet.
Mit einem letzten Kaffee verabschiede ich mich von meinen Begleitern. Und obschon die drei Tage auf Pantani’s Spuren nur einen Hauch von dem zuließ, was die geschichtsträchtige Region zu bieten hat, so haben sie doch Lust auf mehr gemacht. Lust auf eine Region, die in Italien noch immer als Geheimtipp gilt.