Radsport: Die italienische Zeitung Corriere della Sera berichtet in ihrer heutigen Ausgabe von weitreichender und systematischer Korruption im italienischen Radsport. Demnach sollen sich zahlreiche italienische Profis Verträge ‚erkauft‘ haben. Auch von schwarzen Konten und illegalen Kontrakten ist die Rede. Erste Teams dementieren nun derartige Praktiken. Eventuell sind auch andere Länder betroffen.
In einer Zeit in der Korruption im Sport eher die Schlagzeilen im Fußball bestimmt und man sich als Radsportfan eigentlich entspannt zurücklehnen könnte, trifft der Bericht in der heutigen Ausgabe der Corriere della Sera den Radsport mitten ins Mark. Nach Recherchen des üblicherweise sehr gut informierten Sportjournalisten Marco Bonarrigo bezahlten ein großer Teil der Fahrer in italienischen Profiteams fünfstellige Beträge, um einen Vertrag zu erhalten.
Während bereits einige Teamchefs – darunter von Bardiani-CSF und Androni-Sidermec – die Vorwürfe vehement abstreiten, fand Bonarrigo auch ehemalige Fahrer oder Berater, die derartige Praktiken in Italien bestätigen. So sagte beispielsweise ein noch aktiver Fahrerberater, der anonym bleiben möchte, dass „die meisten meiner Fahrer zwischen 25.000 und 50.000€“ für einen Profivertrag bezahlten. Auch vom italienischen Radsportverband FCI gibt es Hinweise, dass es sich hierbei keinesfalls um Einzelfälle handelt. Das Problem sei bekannt und man möchte dagegen vorgehen, doch so lange die Fahrer bereit seien, diese Summen zu bezahlen, könne man wenig unternehmen.
Auch der ehemalige Amateur und einstige italienische Radsporthoffnung Matteo Mammini bestätigte das Problem. „Mich hätte ein Profivertrag 50.000€ gekostet.“ Im Bericht heißt es zudem, viele Profis würden diese Kosten im Laufe ihrer Karriere auf Raten abstottern. Demnach würden Teile des eigentlichen Gehalts der Profis auf schwarze Konten fließen. Mammini, der damals als 21-jähriger den Sprung zu den Profis wagen wollte, trafen diese Forderungen völlig unerwartet. „Mein großer Traum wurde innerhalb von zwei Stunden während eines Abendessens mit einem bekannten italienischen Teamchef zerstört,“ sagt der heutige Barbesitzer, der seine Radschuhe inzwischen an den Nagel gehängt hat.
Obwohl in diesen Stunden Dementi auf Dementi folgt, könnte der Bericht folgen für die italienischen Teams haben. Giro-Chef Mauro Vegni wird im Artikel mit den Worten zitiert: „Sollte die Lage wirklich so schlimm sein wie hier dargelegt, muss der Verband und die Justiz einschreiten – und die Fahrer müssen kooperieren.“ Zudem setzte Vegni ein dickes Fragezeichen hinter die Wildcards beim Giro, die üblicherweise auch an italienische Teams gehen: „Wir müssen ein Team nicht einladen, nur weil es aus Italien kommt.“
Auch wenn sich Bonarrigo bei seinen Recherchen auf Italien konzentrierte und das Problem dort am größten zu sein scheint, könnten auch Teams anderer Länder betroffen sein. Der zuvor zitierte Fahrerberater erwähnt Mannschaften aus Kroatien und der Ukraine, bei denen Profiverträge für wesentlich kleinere Summen zu bekommen seien als in Italien.
Wir werden in den nächsten Tagen und Wochen wohl leider noch mehr zu den Vorwürfen hören.