Eurobike: Kleine oder große Aussteller? Ganz egal, Velomotion-Redakteur Stefan Curow begibt sich auf die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Auf der Eurobike in 14 Hallen genau das richtige Rad für seine ganz (un)speziellen Zwecke zu finden scheint nämlich nicht einfacher zu sein. Ein Erfahrungsbericht eines passionierten Reiseradlers, der sein Rad auch in der City, als Pendler und durchaus sportiv nutzen möchte.
Wer sich ein neues Rad anschaffen möchte und sich bei seiner Suche nach einem echten Alleskönner umsehen möchte, der muss auf der Eurobike schonmal zwei Tage einplanen, um echte Erfolgserlebnisse zu haben. Vor allem wenn man auf den allgegenwärtigen elektronischen Antrieb verzichten möchte.
Die Frage nach der Option einer elektrischen Unterstützung am Rad stellt sich so richtig doch erst seit wenigen Jahren. Dennoch impliziert der Verzicht auf elektronische Unterstützung heutzutage, dass ich meine Kilometer ehrlich erarbeiten möchte und somit ein, im weitesten Sinne sportlicher Fahrer bin. Das passende Gefährt sollte demnach schnell aber auch vielseitig und bequem sein, um kurze und lange Touren zu meistern. Ein Fahrrad zum raschen täglichen Pendeln (Commuting – wie man das Neudeutsch nennt) und für den ambitionierten Langstreckenurlaub (Randonneur). Wer Letzteres vor hat, für den ist im Umkehrschluss ein E-Bike definitiv der falsche Kandidat.
Auf der Eurobike komme ich an Ständen und Produkten mit viel Potential vorbei. Bei Stevens beispielsweise finde ich in zahlreichen Kategorien viele durchdachte und attraktive Produkte im Sinne von Geldbeutelbelastung, Komponenten und Aufarbeitung. Doch leider sucht man die Commuter- und Randonneur Sparte vergebens. Höher schlägt das Herz bei Shimano, die der 105er Reihe hydraulische Scheibenbremsen spendieren (Velomotion – Eurobike 2015: Shimao Road – 105 Discbrakes und neue Schuhreihe) – optimal für den Stadtverkehr aber auch Notwendigkeit fürs Gelände und schwer beladene Langstreckentouren. Auch sehe ich immer mehr Fahrräder, die mit einem Pinion-Getriebe ausgestattet sind. Ich finde das eine mehr als attraktive Alternative zur allseits beliebten Rohloff Nabenschaltung. Beide Hersteller bieten allerdings nur Drehgriff-Schalter an, weshalb man für einen Randonneur einen teilbaren Rennradlenker (z.B. Van Nicholas VNT Alloy 6061 Drop) oder Teile von Drittanbietern benötigt. Bei Rohloff wird meine Nachfrage nach dem „Warum?“ und einer Alternative ziemlich bestimmt abgebügelt. Das Unternehmen will wohl weiterhin unaufgeschlossen gegenüber Kundenwünschen auftreten und hat daher auch keine anderen Schalthebeltypen in Planung.(* Anmerkung der Fa. Rohlof dazu am Ende des Textes.)
Alleskönner-Kandidaten finde ich kaum an den großen Ständen der namenhaften und bekannten Hersteller. Zu sagen, dass diese sich zumeist auf den Mainstream Markt beschränkten wäre allerdings nicht fair. Firmen wie Cannondale oder Cube haben gigantisch große Programme und dennoch muss man Ihnen ein klein wenig vorwerfen kein echtes Interesse am Randonneur-Sektor zu haben. Von den Großen habe ich lediglich bei Centurion mit dem Crossfire ein Rad entdeckt, das in die richtige Richtung zeigt. Das Aluminium CycloCross-Rad mit dem „Crossfire D” Rahmen wird von den Schwaben als 2000, 3000 und 4000 mit unterschiedlichen Komponenten angeboten. In der untersten Kategorie baut Centurion für einen Aufpreis von fairen 150 Euro ein Paar Schutzbleche und einen Gepäckträger an (Centurion Crossfire 2000 EQ) – zu einem Gesamtpreis von 1.249 Euro – das gefällt mir.
Kein Alleskönner sondern ziemlich eindeutig ein Reiserad ist das neue Deveron von Van Nicholas (Foto oben). Feinstes Titan, klar, Pinion-Getriebe, hui, ziemlich starke Optik, das will man auch anfassen … aber das Preisschild: ab 5.690 Euro! Da muss ich die Niederländer wohl doch links liegen lassen und mir diesen Traum für die Zeit nach meinem Lottogewinn aufsparen.
Da ich leider nicht mit dem nötigen Kleingeld ausgestattet bin aber noch am Träumen bin, geht es weiter zu Velotraum – ein Besuch, der jedem ans Herz gelegt sei. Der Speedster 2 (mit Scheibenbremsen) zum Beispiel ist ein geeigneter Kandidat mit 26-Zoll Rädern und wird frei nach Kundenwunsch bestückt und lackiert. Der Gesamtpreis in der Grundausstattung liegt zwar auch schon bei 2.370 Euro – doch für meinen persönlichen Vetotraum scheint das angemessen.
An den gegenüberliegenden Ständen der Amerikaner von Surly und Salsa finde ich jeweils ein Rahmenset, bei dem ich feuchte Augen bekomme: Der Surly Disc Trucker (26-Zoll) und auch das Komplettrad Salsa Marrakesh (28-Zoll). Beide Räder sind im deutschen Fachhandel nicht gerade omnipräsent, doch Dank des sehr aktiven deutschen Vertriebs Cosmic Sports sollte es für keinen Radhändler ein Problem darstellen die Bikes oder Rahmen zu ordern. Auf ein paar Wochen Lieferzeit kommt es dabei sicher kaum jemandem an – es kann durchaus passieren, dass der passende Rahmen frisch aus USA bestellt werden muss.
Bei Pashley wird dann zwar der Messestand deutlich kleiner, der Kandidat allerdings keineswegs uninteressanter. Ganz im Gegenteil: mit dem Pathfinder bietet der britische Hersteller einen Stahlrahmen aus gemufften Reynolds Rohren an, den es ausgestattet mit Alfine Nabenschaltung unter dem Namen “Trail” oder mit Campagnolo Veloce Kettenschaltung als “Tour” gibt. Dieser Kandidat ist in Deutschland dann aber wirklich schwer erhältlich und wird zu einem Gesamtpreis von £1.695 (Modell Tour ohne Gepäckträger) angegeben.
Da sich die Standgröße offensichtlich umgekehrt proportional zur Verzückung verhält in die ich gerate, finde ich den vielversprechendsten Kandidaten entsprechend am winzigen Stand des finnischen Herstellers Pelago, der irgendwie nicht einmal in einer Ausstellungshalle sondern im Gang dazwischen platziert wurde. Das ausgestellte Stavanger Stahlrad wird mit Shimano 105er Kettenschaltung ausgeliefert, kann aber aufgrund des horizontalen Ausfallendes auch mit einer Nabenschaltung verwendet werden. Wie bei allen Kandidaten gehört eine mechanische Scheibenbremse zur Standardausrüstung. Für 1.795,- EUR erhält man den stilvollen und nahezu unbegrenzt erweiterbaren Alleskönner.
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* Der folgende Text stammt direkt von der Fa. Rohloff und bezieht sich auf die obige Textpassage zum Thema Nabenschaltung und Lenkerwahl:
Natürlich haben wir Interesse daran einem Rohloff-Fahrer auch die Option mit Rennlenker zur Verwendung einer SPEEDHUB anbieten zu können.
Daher gab es in der Vergangenheit neben zahlreichen Diplom- und Studienarbieten auch mehrere eingene Entwicklungsansätze. Die zwar technisch funktionierenden Lösungen waren am Ende jedoch deutlich zu teuer oder nicht ergonomisch oder schränkten den Nutzer anderweitig stark ein. Eine Vielzahl an Drehgriff- Kompromissen folgte von diversen kleinen Herstellern – mit den jew. bereits erwähnten Einschränkungen …
Im vergangenen Jahr kam dann Fa. Cinq5 mit einer Daumenhebel-Lösung die auch mit Rennlenker verwendet werden kann – ABER eben nur in der Oberlenkerposition verwentbar. Mit der Rohbox gibt es nun die erste „echte Lösung mit regulären SRAM oder Campa Renn-Brems-Schaltgriffen“ (oder auch umgebauten SRAM Trigger-Shiftern) für Rohloff SPEEDHUB gibt es nun von Fa. Gebla (Georg Blaschke). Bei den Serienteilen wird die Rastung entfernt und mit einer eigenen Schaltbox für SPEEDHUB kombiniert. Aus unserer Sicht eine wirklich sehr gute Lösung. Für uns ergibt sich jedoch vertriebstechnisch eine Zwickmühle – denn wir können nicht die Rastung aus einem Fremdprodukt (SRAM oder Campa) entfernen und dann verkaufen. Somit wird der Vertrieb direkt über Gebla abgewickelt.